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News: Über Umwege vom Gen zum Protein

Will eine Zelle ein Protein synthetisieren, muss sie zuerst eine Kopie des betreffenden Gens als Vorlage anfertigen. Doch nicht immer ist diese Blaupause auch der Weisheit letzter Schluss. In seltenen Fällen nehmen Enzyme in diesen Kopien nachträglich punktuelle Veränderungen vor. Ist der Prozess blockiert, dann zeigen zumindest Mäuse epileptische Ausfallerscheinungen. Offensichtlich ist der Feinschliff essentiell für die richtige Funktion des Proteins. Bleibt die Frage, ob es bei auch beim Menschen einen Zusammenhang zwischen diesem Mechanismus und Epilepsie gibt.
Ein Gen, ein Protein – so lautete die Regel früher einmal, doch die Zeiten haben sich geändert. Denn die Welt der Molekularbiologie funktioniert leider nicht nach so einfachen Regeln. So übersetzt zunächst ein riesiger Enzymapparat die im Zellkern gespeicherte Erbinformation in eine mobile Kopie, die messenger RNA (mRNA). Anschließend synthetisiert ein anderer Komplex nach dieser Anleitung Proteine mit unterschiedlicher Funktion und Arbeitsaufgaben. Um alles noch komplizierter zu machen, haben sich einige Zelltypen in Säugetieren ein so genanntes Editierungssystem einfallen lassen, mit dem sie in bestimmten mRNA-Molekülen einzelne Bausteine verändern. Daraus entsteht ein Protein mit anderen Eigenschaften. Erstaunlicherweise sind alle bisher gefundenen Gene, die nachträglich editiert werden, an Gehirnfunktionen beteiligt. Dazu gehört unter anderem der Glutamatrezeptor. Allerdings sind die meisten molekularen Komponenten und Mechanismen der Editierungsmaschinerie noch unbekannt.

Um das Rätsel zulösen, untersuchten Myoko Higuchi und ihre Kollegen am Max-Planck-Institut für medizinische Forschung ein spezielles Editierungssystem – ADAR2 –, das auch außerhalb des Gehirns vorkommt. Von diesem Enzym ist bekannt, dass es an verschiedenen Proteinen insgesamt 25 Veränderungen vornimmt. Um ADAR2 in Mäusen außer Kraft zu setzen, veränderten sie einen essentiellen Genabschnitt durch gezielte Mutation und kreuzten die Nager zu so genannten Null-Mäusen. Diese Tiere, die keinen funktionellen Editierungsapparat bilden konnten, wurden kurz nach der Geburt epileptisch und starben. Auch der AMPA-Rezeptor, der eine Schlüsselrolle in dem System einzunehmen scheint, lag bei den Null-Mäusen in nicht editierter Form vor. Die Neurobiologen veränderten das Gen so, dass es seiner editierten Version entsprach und somit in den Hirnzellen der Mäuse wieder das korrekte Schlüsselprotein gebildet wurde. Zu ihrer Überraschung normalisierte sich durch diesen gentechnischen Eingriff das Erscheinungsbild der Mäuse, und die Tiere blieben am Leben (Nature vom 6. Juli 2000).

Anhand dieser Ergebnisse scheint der bei der Signalübertragung zwischen Nervenzellen vermittelnde AMPA-Rezeptor das wichtigste Zielprotein der Editierungsmaschinerie zu sein. Ob auch im Menschen fehlende Editierung Epilepsie verursacht, ist allerdings noch ungewiss. Obwohl noch keinen Studien vorliegen, kann sich Higuchi auch im Menschen einen solchen Zusammenhang vorstellen.

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