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News: Überlichtschnell auf 120 Metern

Nichts bewegt sich schneller als Licht im Vakuum, so lautet eine eiserne Regel der Physik. Doch vor einigen Jahren zeigten Forscher bereits, dass es doch schneller geht - allerdings nur bei trickreich arrangierten Systemen. Und physikalische Prinzipien wurden dabei auch nicht verletzt, denn Energie oder Masse konnte man so nicht transportieren. Nun ließen Forscher elektrische Signale die Rekorddistanz von 120 Metern mit bis zu dreieinhalbfacher Lichtgeschwindigkeit überwinden. Mit der neu entwickelten Technik könnten Daten einmal schneller übertragen werden - aber immer noch nicht schneller als das Licht.
Überlichtgeschwindigkeit ist an sich nichts Besonderes: Dazu stelle man sich bloß einen rotierenden Lichtstrahl wie von einem Leuchtturm vor. Der Lichtfleck würde über eine entfernte Wand huschen und zwar um so schneller, je weiter diese entfernt wäre. Irgendwann wäre die Distanz schließlich so groß, dass sich der Schein sogar mit Lichtgeschwindigkeit oder mehr bewegt. Ist also die Lichtgeschwindigkeit als physikalische Grenze hinfällig?

Sie ist es nicht, denn Einsteins Spezielle Relativitätstheorie verbietet zwar, dass Masse oder Energie und damit auch Informationen schneller als Licht transportiert werden, irgendeine (scheinbare) Bewegung bleibt davon aber unbenommen. Und so beobachteten Wissenschaftler vor zwei Jahren tatsächlich einen überlichtschnellen Lichtpuls.

Dazu muss man wissen, dass ein Lichtpuls in Wirklichkeit aus vielen Wellen unterschiedlicher Frequenz besteht, die überlagert ein Wellenpaket ergeben. Wandert ein solches Wellenpaket durch ein so genanntes dispersives Medium, so bewegen sich die einzelnen Wellen mit unterschiedlicher Geschwindigkeit und die Pulsform verändert sich. Dadurch verringert sich auch die Gruppengeschwindigkeit des Wellenpakets, also die Geschwindigkeit, mit der sich der Schwerpunkt des Pulses bewegt.

Langsamere Pulse sind also kein Problem – aber wie macht man sie schneller? Dazu bedienen sich Forscher Materialien, die anomale Dispersion zeigen. Denn hierbei werden bestimmte Wellenlängen durch destruktive Interferenz ausgelöscht, was dazu führen kann, dass ausgerechnet der "Schwanz" eines Lichtpulses verloren geht. Damit verschiebt sich aber auch der Schwerpunkt des Wellenpakets nach vorne, es bewegt sich also schneller und mitunter eben auch schneller als Licht.

Die meisten dieser Experimente gelangen allerdings nur auf kurzer Distanz von maximal einigen Zentimetern. Außerdem bedienten sich die Wissenschaftler hierfür meist Licht oder Mikrowellen. Nun schickten zwei Forscher der Université de Moncton zum ersten Mal elektrische Pulse auf eine 120 Meter lange, überlichtschnelle Reise.

Dazu verwendeten Alain Haché und Louis Poirier fünf Meter lange Koaxialkabel, die sie miteinander verbanden. Derartige Kabel dienen in der Nachrichtentechnik dazu, hochfrequente Signale zu übertragen. Sie bestehen aus einer Drahtlitze im Inneren, umschlossen von einem Material mit hohem elektrischen Widerstand, das wiederum von einem Außenleiter – meist in Form eines Drahtnetzes – umgeben ist. Fließt ein Wechselstrom durch dieses Kabel, so weist es neben dem normalen Widerstand einen so genannten Wechselstromwiderstand auf – die Impedanz. Die Forscher verwendeten nun jeweils abwechselnd zwei Segmente unterschiedlicher Impedanz. So wurden bestimmte elektrische Schwingungen reflektiert und zur Interferenz gebracht. Dadurch sollte ähnlich dem optischen Pendant ein Teil eines elektrischen Wellenpakets verschwinden, was letztlich zu einem überlichtschnellen Puls führt.

24 Kabelstücke, je ein Dutzend von jeder Sorte, fügten die Forscher aneinander und schickten schließlich elektrische Pulse von ein paar Mikrosekunden Dauer hindurch, die sich aus Trägerwellen zwischen 5 und 15 Megahertz zusammensetzten. Dabei stellten sie fest, dass Signale mit einer Frequenz im Bereich von 9 bis 11 Megahertz tatsächlich überlichtschnell übertragen wurden – und zwar zwei bis dreieinhalb mal so schnell wie das Licht im Vakuum.

Doch auch mit diesem Experiment wird es nicht gelingen, Informationen schneller als das Licht zu übertragen, schränken die Forscher ein. Denn die kleinste Informationseinheit – ein Bit – würde einem einzelnen unendlich dünnen Maximum entsprechen. So ein Signal weist jedoch eine sehr große spektrale Breite auf, das heißt, dass es in Wirklichkeit aus vielen Wellen besteht – unendlich vielen, um genau zu sein. Damit würde das Experiment nicht gelingen.

Trotzdem ist die Entdeckung von Haché und Poirier durchaus interessant: Zum einen ergeben sich mit dem Experiment neue Möglichkeiten in der Grundlagenforschung – die Tunnelzeit von Wellenpaketen durch Barrieren ließen sich damit eingehend untersuchen. Zum anderen könnte auch die Nachrichtentechnik davon profitieren, denn hier erreicht man mit ähnlichen Kabeln höchstens zwei Drittel der Lichtgeschwindigkeit. Die neue Methode könnte Daten hingegen fast mit Lichtgeschwindigkeit befördern.

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