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News: Überraschender Reaktionsmechanismus

Die Kollision zwischen einem Wasserstoffatom und einem Wasserstoffmolekül ist vermutlich eine der best untersuchten Reaktionen überhaupt. Doch auch hierbei lässt sich noch Neues entdecken. So stellten Forscher nun fest, dass bei einem kleinen Teil dieser Zusammenstöße die Reaktionsprodukte in unerwartete Richtung davonfliegen.
Wasserstoff-Austausch
Trifft ein Wasserstoffatom (H) auf ein Wasserstoffmolekül (H2), so bricht die Molekülbindung auf und eine neue Bindung zwischen einem der frei werdenden Atome mit dem eintreffenden Wasserstoff entsteht. Normalerweise wird das neu gebildete Wasserstoffmolekül dabei zurückgestreut, das heißt, es fliegt in die Richtung zurück, aus der das freie Wasserstoffatom kam.

Da sich eine solche Reaktion nur schwer verfolgen lässt – schließlich sind alle beteiligten Reaktionspartner gleich – lassen Wissenschaftler im Experiment normalerweise Moleküle des schweren Wasserstoffs, Deuterium (D), mit normalen Wasserstoffatomen zusammenstoßen. Deuterium besitzt ein zusätzliches Neutron und lässt sich deshalb vom normalen Wasserstoff gut unterscheiden, dessen Kern nur aus einem Proton besteht. Das chemische Verhalten der beiden Isotope ist jedoch identisch, sodass sich anhand von Deuterium die Reaktionsmechanismen eines bestimmten Wasserstoffatoms verfolgen lassen.

Die freien Wasserstoffatome gewannen Richard Zare und seine Kollegen von der Stanford University aus Bromwasserstoff, den sie mit Laserlicht beschienen. In einer photochemischen Reaktion trennten sich die beiden Atome, wobei der Wasserstoff danach auf einen Strahl Deuteriummoleküle (D2) traf. Dank einer ausgeklügelten Lasertechnik konnten die Forscher die räumliche Verteilung der Reaktionsprodukte (H und HD) und deren Geschwindigkeiten messen.

Dabei stellten sie Überraschendes fest: ein kleiner Teil der neu entstandenen Wasserstoffmoleküle (HD) flog offensichtlich in die "falsche" Richtung. Anstatt zurückzuprallen, bewegten er sich nach vorne – also in die gleiche Richtung wie das eintreffende Wasserstoffatom. Weiterhin bemerkten die Wissenschaftler, dass diese Reaktion einen winzigen Augenblick nach der gewöhnlichen Wasserstoff-Austausch-Reaktion stattfand, was auf einen etwas anderen Reaktionsmechanismus hindeutete.

Nun waren Theoretiker gefragt, mit Computersimulationen Licht in diesen eigentümlichen Reaktionsverlauf zu bringen. Stuart Althorpe und seine Kollegen von der University of Durham berechneten also den Verlauf der Reaktion, indem sie die so genannte zeitabhängige Schrödinger-Gleichung für dieses Problem lösten. Diese Gleichung beschreibt die Entwicklung eines quantenmechanischen Systems in der Zeit.

Aufgrund der Unschärferelation ließ sich damit allerdings keine genaue Position der Reaktionsprodukte bestimmen, stattdessen konnte das Team um Althorpe nur Bereiche angeben, in denen sich die Atome mit hoher Wahrscheinlichkeit aufhalten. So fanden die Wissenschaftler schließlich aber beide Mechanismen: den ersten, der gleichzeitig mit der eintreffenden Materiewelle des Wasserstoffatoms eine ähnliche Welle zurückschickt, und den zweiten, der eine solche Welle erst 25 Femtosekunden später in entgegengesetzte Richtung auf die Reise schickt.

Althorpe vermutet, dass der direkte Mechanismus bevorzugt wird, wenn das eintreffende Wasserstoffatom mit den Atomen des Moleküls auf einer Linie liegt – sich die Kollision also an einem Ende des Moleküls ereignet. Hingegen scheint der andere Prozess stattzufinden, wenn Molekül und Atom einander nur streifen. Offenbar bildet sich hier zunächst ein komplexes Zwischenprodukt.

Da sich die Kombination aus quantenmechanischer Rechnung und Experiment bewährt hat, geht Althorpe davon aus, dass sich auch andere, kompliziertere Reaktionsmechanismen wie beispielsweise der Wasserstoff-Austausch bei Wasser damit untersuchen lassen.

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