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Depression: Überraschender Schutzmechanismus in Nervenzellen entdeckt

Im Gehirn von Ratten sind Forscher auf einen eigenartigen Schutzmechanismus gestoßen. Einmal in Gang gesetzt, beseitigte er die Depressionssymptome innerhalb von Tagen komplett.
Ratten sozial isoliert

In puncto Stress geht es Ratten ähnlich wie Menschen: Während einige nach einer belastenden Erfahrung unbekümmert weiterleben, tragen andere dauerhafte psychische Verletzungen davon. Die Ursache könnte sich in einem bislang übersehenen Regulationsmechanismus des Belohnungssystems verbergen, sagen Forscher um Ming-Hu Han von der Icahn School of Medicine in New York.

Das ergab ihre Untersuchung von Nervenzellen im Rattengehirn. Bestimmte Zellen dort werden nach einer belastenden Erfahrung – etwa wenn das Tier permanent gegen Artgenossen den Kürzeren zieht – hyperaktiv: Grund sind erregend wirkende Kanäle in der Zellmembran. Sie lassen zu viele geladene Teilchen passieren, die Zelle kommt aus dem Tritt.

Wie die Forscher verblüfft feststellten, lassen diese Kanäle bei Tieren, die die Belastung gut wegsteckten, noch mehr Teilchen passieren. Dass sie trotzdem keine depressionsähnlichen Symptome zeigten, lag an einem Kompensationsmechanismus: Hemmend wirkende Kanäle lassen Kaliumionen in die Zelle strömen und halten so die elektrische Aktivität in Schach.

Erst ab einer gewissen Schwelle springt der Schutzmechanismus an

Dieser Regelmechanismus tritt erst dann auf den Plan, wenn die Erregbarkeit über ein gewisses Maß hinaus steigt – und das lässt sich medikamentös bewerkstelligen: Indem sie den "depressiven" Ratten mehrere Tage lang einen Wirkstoff in die betreffende Hirnregion, das ventrale Tegmentum, injizierten, trieben sie die Erregbarkeit in die Höhe. Sie taten also genau das Gegenteil dessen, was nach bisheriger Überzeugung hilfreich wäre. Doch mit Erfolg: Am Ende sprang der Kaliumkanal-Schutz auch bei den "depressiven" Tieren an und senkte die Aktivität in normale Bereiche – die typischen Symptome wie Angst und Zurückgezogenheit verschwanden komplett.

Ob auch beim Menschen dieser Mechanismus existiert oder ob er sich gar nutzen lässt, ist offen. Aber es könnte sich lohnen, danach zu suchen, meinen die Forscher. Vielleicht lassen sich Wirkstoffe entwickeln, die die natürlichen Schutzmechanismen des Gehirns nutzen und verstärken.

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