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Schwarze Löcher: Überraschung im Herzen des Monsters

So genau wie nie haben Radioastronomen den Kernbereich des Schwarzen Loches im Zentrum einer Galaxie beobachtet. Dessen energiereiche Jets entstehen womöglich anders als gedacht.
Ein Quasar - hier künstlerisch dargestellt - entsteht, wenn ein supermassereiches Schwarzes Loch mit seiner gewaltigen Schwerkraft allmählich die rotierende Scheibe aus Gas und Staub aufzehrt, von der es umgeben ist.

Nicht alle Materie, die einem Schwarzen Loch nahekommt, wird auf Nimmerwiedersehen verschluckt. Manchmal kratzt sie im letzten Moment die Kurve, und das im Wortsinn: Dreht sich das Schwarze Loch schnell genug, dann entsteht ein Raumbereich, in dem die Materie mit der Drehung des Lochs »mitgerissen« und anschließend in zwei gegenläufigen Materiestrahlen, den Jets, mit annähender Lichtgeschwindigkeit wieder ausgestoßen wird.

Astronomen haben solche Materiejets in den Zentren etlicher Galaxien gefunden – genau dort also, wo sie massereiche Schwarze Löcher vermuten. Wie genau aber diese Strahlen entstehen, ist ein bis heute ungelöstes Rätsel. Die räumliche Auflösung selbst der größten Teleskope ist immer noch um Größenordnungen zu grob, um die direkte Umgebung der oft Milliarden Sonnenmassen schweren, aber weit entfernten Löcher zu untersuchen.

Genau das gelang nun jedoch Radioastronomen unter Beteiligung des Max-Planck-Instituts für Radioastronomie in Bonn: Sie konnten im Materiejet der Galaxie Perseus A Strukturen auflösen, die zehnmal näher an der Zentralquelle liegen, als zuvor mit Radioteleskopen erkennbar war. Damit können die Forscher vorher nicht sichtbare Details in der Entstehungsregion der Jets untersuchen.

Das größte Interferometer der Welt

Die Wissenschaftler um Gabriele Giovannini von der Universität Bologna in Italien und Tuomas Savolainen von der Aalto-Universität in Finnland nutzten dazu nicht nur Radioteleskope auf der Erde, die sie mit Hilfe einer als »Very Long Baseline Interferometrie« (VLBI) bekannten, seit vielen Jahren praktizierten Methode zu einem Riesenteleskop mit entsprechend großem Winkelauflösungsvermögen zusammenschalteten. Sie nahmen auch den im Jahr 2011 gestarteten russischen Radiosatelliten Spektr-R in ihr »RadioAstron« genanntes Netzwerk auf. Spektr-R ist mit seiner zehn Meter durchmessenden Parabolantenne zwar ein Zwerg gegenüber den erdgebundenen Antennen des Netzwerks, von denen eine der größten das 100-Meter-Radioteleskop bei Effelsberg in der Eifel ist. Sein Beitrag aber war entscheidend.

RadioAstron beobachtet Perseus A | Links: Künstlerische Darstellung des Teleskopverbands RadioAstron aus erdgebundenen Teleskopen und dem Satelliten Spektr-R. Rechts: Radiostrahlung des neu geformten Jets im Kern von Perseus A. Das Schwarze Loch befindet sich in der Ellipse am oberen Ende der Struktur.

Spektr-R umkreist die Erde auf einer extrem elliptischen Umlaufbahn, die ihn bis auf 350 000 Kilometer von unserem Planeten wegführt – fast bis zur Umlaufbahn des Monds. Mit dieser gewaltigen Basislinie, dem maximalen Abstand der Teleskope untereinander, ist RadioAstron das Teleskop mit dem größten Winkelauflösungsvermögen in der Geschichte der Astronomie. Obwohl es bei größeren Wellenlängen arbeitet, übertrifft es das Weltraumteleskop Hubble in Sachen Winkelauflösung um den Faktor 1000.

Mit diesem Superteleskop konnten Giovannini, Savolainen und ihr Team die Jetstruktur im Zentrum von Perseus A auf nur zwölf Lichttage von ihrem Ausgangspunkt beim zwei Milliarden Sonnenmassen schweren Schwarzen Loch zurückverfolgen. Zwölf Lichttage entsprechen rund 312 Milliarden Kilometern, gut dem 2000-fachen Abstand zwischen Erde und Sonne: eine in Bezug auf die 230 Millionen Lichtjahre entfernte Galaxie Perseus A sehr kleine Distanz.

»Das Ergebnis war erstaunlich«, meint Giovannini. »Es zeigt sich, dass die gemessene Breitenausdehnung des Jets wesentlich größer ist, als von den zurzeit favorisierten Modellen zur Jetentstehung zu erwarten wäre.« Diesen Modellen zufolge entsteht der Gasstrom genau in dem »Ergosphäre« genannten Raumbereich unmittelbar außerhalb des Ereignishorizonts eines rotierenden Schwarzen Lochs, in dem der Raum selbst in eine Kreisbewegung um das Schwarze Loch gezogen wird und jede Materie mitreißt.

Sind Teenie-Jets anders?

Stattdessen zeigen die Beobachtungen, dass zumindest der äußere Teil des Jets von der weiter außen liegenden Akkretionsscheibe ausgeht. Hier sammelt sich die Materie an, bevor sie in die Ergosphäre gelangt. »Unsere Ergebnisse zeigen noch nicht schlüssig, dass die derzeitigen Modelle, in denen der Jet von der Ergosphäre ausgeht, falsch sind«, ergänzt Tuomas Savolainen, der Leiter des RadioAstron-Beobachtungsprogramms. »Aber sie ermöglichen den Theoretikern doch Einsichten in die Struktur der Jets nahe am Ausgangspunkt und damit Hinweise zur Weiterentwicklung der Modelle.«

Mit ihrer Beobachtung haben die Forscher einen wichtigen Schritt gemacht, um das komplizierte Geschehen in unmittelbarer Nähe massereicher Schwarzer Löcher zu verstehen. Und wie es scheint, sind nicht alle Materiejets gleich: Bei den beiden einzigen uns näheren Jets Schwarzer Löcher, die man bislang annähernd gut untersuchen konnte, fanden Astronomen eine parabolische Form des Materiestroms in der Nähe des Schwarzen Lochs. Bei Perseus A ist der Strahl hingegen auffallend zylindrisch geformt.

Giovannini und sein Team erklären dies mit seinem vergleichsweise jugendlichen Alter: Er hat sich, von uns aus gesehen, erst in den vergangenen zehn Jahren ausgebildet. Vermutlich stößt die ultraschnelle Materie dieses Jets in einen von einem vorherigen Jet von interstellaren Material frei gefegten Raumbereich vor. Noch immer ändert sich seine Form sehr schnell. Mit RadioAstron haben die Astronomen nun eine Möglichkeit, die Entwicklung des jungen Materiejets im Detail zu verfolgen.

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