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Deal mit der Ukraine: Trump sichert sich Vorkaufsrecht aufs Ungewisse

Die USA sichern sich durch einen gemeinsamen Fonds privilegierten Zugang zu den Bodenschätzen der Ukraine, und auch die zeigt sich zufrieden mit dem Deal. Doch welche Reserven lassen sich überhaupt wie schnell gewinnen? Und was bedeutet das für die Rohstoffversorgung der EU?
Eine große industrielle Baggermaschine fördert Sand auf einem Hügel in einem Tagebau.
In der Ukraine wird unter anderem das Mineral Ilmenit abgebaut, auch Titaneisen genannt. Es ist in der Metallindustrie sowie für die Herstellung des viel genutzten Pigments Titandioxid begehrt.

Nach wochenlangen Verhandlungen ging es plötzlich ganz schnell: Die USA und die Ukraine haben am 30. April 2025 ein Abkommen über die künftige Nutzung der Rohstoffe des von Russland attackierten Lands geschlossen. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj konnte dabei verhindern, dass sein Land zu einer Art Ressourcenkolonie der USA wird. Bis dem Abkommen größere Geschäfte mit Rohstoffen folgen, wird es noch dauern. Doch wie US-Präsident Trump vorging, spiegelt wider, wie aggressiv er für sein Land rund um die Welt den Zugriff auf kritische Rohstoffe sichern will, die für Militär, künstliche Intelligenz und andere neue Technologien als essenziell gelten.

Das Abkommen, das US-Finanzminister Scott Bessent und die ukrainische Vizeregierungschefin Julija Swyrydenko in Washington unterzeichneten, listet alphabetisch auf, worauf die Trump-Regierung so erpicht ist: Von Antimon und Aluminium über Lithium, Neodym und Palladium bis zu Vanadium und Zirkon benennt der Vertragstext insgesamt 55 Rohstoffe, plus Erdgas und Erdöl. Offenbar hat man vorsorglich alle Mineralien, die irgendwann von Interesse sein und eventuell gefunden werden, in das Abkommen aufgenommen. Noch im Herbst 2024 war in einer für westliche Hauptstädte aufbereiteten Präsentation des Geologischen Dienstes und des Ministeriums für Umweltschutz und natürliche Ressourcen des Landes nur davon die Rede gewesen, dass »die Ukraine über 22 der 50 strategischen Materialien, die von den USA als kritisch eingestuft werden«, verfügt, »und 25 der 34, die von der EU als kritisch eingestuft werden«.

Einen nennenswerten Abbau gab es selbst vor dem russischen Angriff auf das Land im Frühjahr 2022 nur beim Farbpigment Titandioxid, bei dem die Ukraine 15 Prozent der Weltproduktion leistete, sowie bei Ausgangserzen für das begehrte metallische Titan, bei Eisenerz, Manganerz und Kaolin, bei denen der Anteil zwischen zwei und sechs Prozent liegt. Der Internationalen Energieagentur zufolge war die Ukraine schon vor Kriegsbeginn bei 83 Prozent seines Bedarfs an Öl, einem Drittel beim Erdgas und der Hälfte der Kohle auf Importe angewiesen.

Die Rohstoffgeschäfte waren vor dem Krieg dennoch wichtig für das Land. Sie generierten rund sechs Prozent des Bruttosozialprodukts und 30 Prozent der Exporteinnahmen. Dass Russland seit 2022 die von Bergbau und Industrie geprägte Donbass-Region im Südosten des Landes besetzt hält und die Infrastruktur der Ukraine fortlaufend attackiert, hat die Rohstoffförderung aber nahezu vollständig zum Erliegen gebracht.

Trotz dieser wirtschaftlich katastrophalen Lage begann Selenskyj im Herbst 2024, das Rohstoffpotenzial seines Landes in seinem »Siegesplan« als Pfund einzusetzen, um weitere Unterstützung aus dem Westen zu gewinnen. Denn um seltene Erden und andere Mineralien ist weltweit ein Wettkampf entbrannt. Bisher kontrolliert China einen erheblichen Teil der Gewinnung und Verarbeitung technologisch wichtiger Rohstoffe. Sowohl die USA als auch die EU wollen dies ändern.

Große Reserven für kritische Industrien

Die kritischen Rohstoffe sind für Bereiche wie Verteidigung, Flugzeugbau, Raumfahrt, Computerchips, Batterien, Energieerzeugung und andere Hightechanwendungen unverzichtbar. Eine übergroße Abhängigkeit von China wollen sich weder die USA noch die EU länger leisten. Der Werbeprospekt der ukrainischen Regierung traf deshalb einen Nerv: Die Ukraine verfüge über sechs Prozent der weltweiten Reserven an Graphit, heißt es darin. Es habe die größten Lithiumvorkommen Europas, genügend Titan, um den Bedarf der USA und der EU für 25 Jahre zu decken, ausreichend Beryllium für 40 Jahre des heutigen Weltbedarfs und zwei Prozent der weltweiten Uranvorkommen. Diese Zahlen sind bisher nicht durch aktuelle Studien gedeckt – reichten aber aus, um vor allem bei Trump große Begehrlichkeiten zu wecken.

Der erste Anlauf Selenskyjs, mit der neuen US-Regierung ein Rohstoffabkommen zu unterzeichnen, ging dann aber Ende Februar gründlich schief. Kurz vor der geplanten Unterzeichnung fielen Trump und sein Vizepräsident James Vance im Weißen Haus regelrecht über Selenskyj her. Sie verwiesen ihn am Ende ohne Unterschrift des Hauses. Selenskyj hatte es gewagt, im Oval Office in Anwesenheit von Reportern um verlässlichere Sicherheitsgarantien der USA für die Ukraine zu flehen. Dazu waren Trump und Vance aber nicht bereit. Sie hielten Selenskyj vor, er habe »keine Karten in der Hand«, um neue Forderungen aufzustellen.

Der Eklat schien zunächst jede Aussicht auf einen Abschluss zu zerstören – zumal Trump wenig später seine Behauptung wiederholte, in Wahrheit hätte die Ukraine, nicht Russland, den Krieg begonnen, und überhaupt sei es einfacher, mit Putin zu verhandeln als mit Selenskyj. Letzterer hielt dem massiven Druck aber offenbar stand – und schaffte es jetzt sogar, sich in wesentlichen Punkten durchzusetzen. Es ist Selenskyj gelungen, die Maximalforderungen von Trump, die den USA eine weit gehende Kontrolle über die Zukunft der Ukraine verschafft hätten, aus dem Abkommen zu tilgen und für Klarheit zu sorgen, wer der Aggressor ist.

Die USA sichern sich einen Platz in der ersten Reihe

Mit dem Abkommen entsteht ein von beiden Ländern getragener »Wiederaufbaufonds«, in den die Hälfte der Einnahmen der ukrainischen Regierung aus neu erteilten Abbaulizenzen fließen soll, während die andere Hälfte von den USA eingebracht wird. Die Rede ist von einem »Flaggschiff-Mechanismus zur Förderung transparenter, verantwortungsvoller und zukunftsorientierter Investitionen« in den Wiederaufbau. Der wesentliche Vorteil für die USA entsteht dadurch, dass amerikanische Player künftig immer als Erste über neue Bergbaulizenzen informiert werden, eine Art Vorkaufsrecht erhalten und zudem unter keinen Umständen schlechter behandelt werden dürfen als andere Geschäftspartner. Laut Vizeregierungschefin Swyrydenko sollen die beiden Länder den Fonds gleichberechtigt und mit gleichen Stimmrechten managen.

Die US-Regierung verzichtete darauf, dass die Ukraine durch Rohstofflieferungen die von Trump aus der Luft gegriffene Summe von 500 Milliarden US-Dollar abbezahlen muss, die das Land angeblich für Militärhilfe schulde. Nur künftige Militärhilfen sollen als Beiträge zum Fonds angerechnet werden. Es ist vertraglich ausgeschlossen, dass Russland oder ein Land, das Russland beim Angriffskrieg Hilfe geleistet hat, von Rohstoffgeschäften profitieren darf. Zuvor hatte es Sorgen gegeben, Trump könnte nach einem Waffenstillstand zusammen mit Putin den Donbass ausbeuten. Die volle Souveränität der Ukraine über das Territorium und seine Rohstoffe erkennt das Abkommen ebenso an wie ihre Verpflichtungen gegenüber der Europäischen Union und die Option eines künftigen EU-Beitritts.

Der Vertragstext benennt, was für die Ukraine besonders wichtig ist, Russland eindeutig als Aggressor: Das Abkommen, heißt es, stärke »die strategische Partnerschaft zwischen den Vertragsparteien für den langfristigen Wiederaufbau und die Modernisierung der Ukraine als Reaktion auf die weit reichenden Zerstörungen, die durch Russlands umfassende Invasion in der Ukraine verursacht wurden, und im Hinblick auf eine friedliche, souveräne und widerstandsfähige Ukraine«. Konkrete militärische Sicherheitsgarantien enthält das Abkommen weiter nicht. Aber im Umgang mit Trump dürfte entscheidender sein, dass die Ukraine für ihn nun eine ökonomische Bedeutung bekommt, so vage diese auch sein mag. »Für die USA entsteht ein erhebliches Interesse an der Geologie, für die die Ukrainer kämpfen«, sagte Vizeregierungschefin Swyrydenko. Selenskyj pries den Vertrag, der vom Parlament seines Landes noch ratifiziert werden muss, ebenso wie US-Finanzminister Bessent als »historisch«.

Und was wird aus Europa?

Still blieb es über den 1. Mai zum Thema Rohstoff-Deal dagegen in europäischen Hauptstädten. Die EU hat ein ebenso großes Interesse an kritischen Rohstoffen, zumal an ihnen auch der Ausbau der erneuerbaren Energien hängt. Dass sich die USA nun beim EU-Beitrittskandidaten Ukraine Vorkaufsrechte verschafft, könnte man in Brüssel, aber auch im Industrieland Deutschland als Affront ansehen. Es überwiegt aber offenkundig die Erleichterung darüber, dass die USA die Ukraine nicht einfach ihrem Schicksal überlassen, wie es zwischendurch möglich erschien, oder sogar mit dem Aggressor Putin gemeinsame Sache machen.

Die Importe von Erzen, Eisen und Stahl aus der Ukraine in die EU hatten der EU-Kommission in Brüssel zufolge 2023 einen Wert von knapp vier Milliarden Euro. Für die künftige Zusammenarbeit bei kritischen Rohstoffen gibt es bereits seit 2021 eine Partnerschaft zwischen der EU und der Ukraine und auch Forschungsprojekte zur Förderung von Titan. Da das neue Abkommen den USA explizit keine Exklusivrechte an den ukrainischen Rohstoffen gibt, bleibt Europa zumindest im Rennen. Mit dem »Critical Raw Material Act« verfolgt die EU seit Mitte letzten Jahres das Ziel, verstärkt Bergbau in Europa zu betreiben, Rohstoffe selbst vom Erz in hochreine Produkte zu verwandeln und zudem das Recycling zu verstärken.

»Das sind noch keine Reserven, die man bereits heute technisch und wirtschaftlich erfolgreich gewinnen könnte«Sven-Uwe Schulz, Geowissenschaftler

Die größte offene Frage für die EU wie für die USA ist aber, wie groß das Rohstoffpotenzial der Ukraine wirklich ist. Die bunt gescheckten Landkarten, mit denen die Regierung auf Werbetour ging, beruhten auf geologischen Erhebungen, die teils noch aus der Zeit der Sowjetunion stammten. »Das sind noch keine Reserven, die man bereits heute technisch und wirtschaftlich erfolgreich gewinnen könnte«, sagte Sven-Uwe Schulz von der Deutschen Rohstoffagentur zu »Spektrum.de«. Die Vorkommen seien zwar bekannt, es sei aber nicht so, »dass die Rohstoffe in der Ukraine fertig und bereit zur Abholung liegen würden«.

Ungewisser Ausblick

Gavin Mudd, Direktor des »Critical Minerals Intelligence Centre« beim British Geological Survey sagte dem britischen »Science Media Centre«, er glaube, dass es bei Titan, Lithium und Graphit schnelle Fortschritte geben könnte, und die Ukraine wenigstens einen Teil ihrer früheren Kapazitäten für Scandium und Gallium wieder aufbauen könne. Bei den so genannten seltenen Erden werde es »jedoch Jahre dauern», bis die Kapazitäten hochgefahren seien. Es müssten Studien durchgeführt werden, um Lagerstätten zu finden und bewerten. Habe der Abbau begonnen, müssten Anlagen in Betrieb sein, um die Erze aufzubereiten. Dies werde frühestens ab 2035 der Fall sein.

»Im Durchschnitt dauert es 18 Jahre, bis eine rentable Lagerstätte gefunden ist und abgebaut werden kann«Gracelin Baskaran, Ökonomin

Gracelin Baskaran, Direktorin des »Critical Minerals Security Program« am »Center for Strategic and International Studies« in Washington, betonte gegenüber der »New York Times« die großen Unsicherheiten: »Es könnte sein, dass es viel mehr wirtschaftlich rentable Lagerstätten gibt als erwartet, oder sie könnten sich als nicht rentabel herausstellen«, sagte sie und fügte hinzu: »Im Durchschnitt dauert es 18 Jahre, bis eine rentable Lagerstätte gefunden ist und abgebaut werden kann.«

Der US-Präsident könnte schnell wieder das Interesse verlieren, wenn er erkennt, wie langfristig das Rohstoffabkommen angelegt ist. Kurzfristig am interessantesten für die USA könnten die Öl- und Gasvorkommen der Ukraine sein. Die »International Trade Administration« der US-Regierung beschrieb die Erdgasreserven des Landes mit 900 Milliarden Kubikmetern 2021 als zweitgrößte in Europa. Allerdings liegen viele der Vorkommen in besonders umkämpften Gebieten und dem Schwarzen Meer. Will Trump mit der Ukraine Geld verdienen, müssten die USA in jedem Fall zuerst für Frieden sorgen und dann erheblich in Infrastruktur, Exploration und neue Anlagen investieren.

Gegen ein erlahmendes Interesse bei Trump spricht, dass er die Versorgung der USA mit kritischen Rohstoffen zu einem Schwerpunkt seiner Regierungsarbeit gemacht hat. Seine Drohungen, Kanada und Grönland kurzerhand zu annektieren, begründete er ebenso mit deren Vorkommen an seltenen Erden und anderen Rohstoffen wie kürzlich das Dekret, mit dem er den Tiefseebergbau in nationalen und internationalen Meeresgebieten vorantreiben will. Abseits der Schlagzeilen arbeitet die Trump-Regierung mit der Demokratischen Republik Kongo an einem Rohstoff-Deal, bei dem es um bevorzugten Zugang zu den großen Vorkommen des Landes an Kobalt, Kupfer, Lithium, Zinn und Tantal im Gegenzug für Hilfe gegen Rebellen der M23-Bewegung geht. In seinem Dekret zum Tiefseebergbau formulierte Trump unmissverständlich, dass die zuverlässige Versorgung mit wichtigen Mineralien für die USA »eine beispiellose wirtschaftliche und sicherheitspolitische Herausforderung« sei.

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