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News: Umtrainiertes Immunsystem

Ein heimtückischer Angriff des Immunsystems auf die eigenen Zellen ist beim Diabetes Typ I für die unzureichende Bereitstellung von Insulin verantwortlich. Doch das Immunsystem lässt sich zumindest im Mausmodell von seiner fehlgeleiteten Attacke abbringen, wenn zuerst die fehlerhaften Immunzellen zerstört und die neu gebildeten umprogrammiert werden. Damit wäre eine Transplantation neuer insulinproduzierender Zellen unnötig.
Normalerweise richtet sich der Angriff des Immunsystems nur auf fremde Eindringlinge wie Bakterien, Viren und andere unangenehme Krankheitserreger. Doch manchmal missversteht das Abwehrsystem seine Aufgabe und bekämpft körpereigene Strukturen. So auch beim Diabetes Typ I, einer Autoimmunerkrankung, bei der die insulinproduzierenden Zellen im Pankreas zerstört werden. Als Folge kann der Körper das Glucose-umwandelnde Protein Insulin nur noch in sehr geringen Mengen beziehungsweise gar nicht mehr herstellen. Die Energiequelle Glucose versiegt und stattdessen sammelt sich der Zucker in gefährlich hohen Konzentrationen im Körper an, was zu Erblindung und Schädigung der inneren Organe führen kann.

Die momentan gängigste Therapie liegt in der täglichen Injektion von Insulin, wobei viele Arbeitsgruppen auch an einer möglichen Transplantation der so genannten Langerhans-Zellen als Ersatz für die zerstörten Zellen arbeiten. Doch für diese Behandlung benötigt man einen passenden Spender, außerdem muss der Patient über lange Zeit Immunsuppressiva einnehmen, und die Erkrankung kann wieder ausbrechen. Doch es scheint einen wesentlich einfacheren Weg zu geben, die Autoimmunerkrankung in die Knie zu zwingen, wie Denise Faustman und ihre Kollegen vom Massachusetts General Hospital berichten.

Während ihrer fünfjährigen Arbeit auf diesem Gebiet beobachteten die Wissenschaftler zwei wichtige Mechanismen: In Kontakt mit dem natürlich auftretenden Faktor TNF-alpha streckten die fehlgerichteten Immunzellen ihre Waffen und starben. Außerdem waren viele dieser Zellen nicht in der Lage, sich durch Peptide auf der Zelloberfläche auszuweisen – ein Prozess, der entscheidend der Entstehung von Autoimmunreaktionen vorbeugt. Anhand dieser Beobachtungen entwickelte das Team eine zweistufige Behandlungsstrategie im Mausmodell.

Zuerst regten sie die Bildung von TNF-alpha an, um dadurch die fehlgeleitenden Immunzellen zu zerstören. Dieser Ansatz verfolgt genau die entgegengesetzte Richtung der bislang verwendeten Behandlung. Denn eigentlich galten gerade Wirkstoffe, die TNF-alpha bei der Ausübung seiner Tätigkeit hemmten, als wenigstens vorübergehendes Hilfsmittel. Auch zur Unterdrückung von Entzündungsprozessen setzen viele Kliniken diese so genannten Antagonisten ein. Doch entsprechend den Ergebnissen von Faustman sollten zukünftig wohl eher TNF-alpha-fördernde Medikamente verwendet werden.

Im nächsten Schritt wendeten sich die Forscher der fehlenden Ausweisung der Immunzellen zu. Die diabetischen Mäuse erhielten hierzu eine Injektion mit Spenderzellen, die jene Peptide auf ihrer Oberfläche präsentieren konnten. Die neu entstehenden Zellen lernten von diesen Vorläuferzellen und wiesen sich anschließend ebenfalls mit den Peptiden aus. So war gesichert, dass sie die Langerhans-Zellen nicht irrtümlich angriffen und zerstörten. Bei 75 Prozent der so behandelten diabetischen Mäuse war die Kur dauerhaft erfolgreich. Auch 100 Tage nach Absetzen der Behandlung hatten die Mäuse einen normalen Glucosespiegel im Blut.

Auch wenn diese Ergebnisse noch vorläufig sind und eine Relevanz für den Menschen erst noch in klinischen Studien erbracht werden muss, könnte dies eine aussichtsreiche Alternative zur Zelltransplantation sein. Und auch die lästige tägliche Nadel könnte vielleicht irgendwann der Vergangenheit angehören.

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