Direkt zum Inhalt

Umweltpsychologie: Auch Laien erkennen Artenvielfalt

Anhand von Bildern oder Geräuschen können Laien erstaunlich genau auf die Biodiversität eines Waldes schließen. Dabei achten sie auch auf Lichteinfall und Emotionen.
Eine Hand in einem braunen Strickpullover berührt sanft ein grünes Blatt in einem sonnendurchfluteten Wald. Sonnenstrahlen scheinen durch die Blätter und erzeugen ein warmes, natürliches Licht. Die Szene vermittelt ein Gefühl von Ruhe und Verbundenheit mit der Natur.
Welcher Baum ist das? Auch wer kein Experte ist, merkt einem Wald seine Artenvielfalt an.

Weltweit sterben Arten aus; gleichzeitig verbringen immer weniger Menschen Zeit in der Natur. Ein interdisziplinäres Forschungsteam hat das vor die Frage gestellt: Können Menschen ohne fachliche Vorerfahrung zuverlässig feststellen, ob ein Wald eine große Artenvielfalt aufweist? Zwei Studien, die nun in der Fachzeitschrift »People and Nature« erschienen, legen nahe, dass auch Laien ein gutes Gefühl für Waldbiodiversität haben.

Das Team um den Umweltpsychologen Kevin Rozario von der Friedrich-Schiller-Universität Jena und die Biologin Taylor Shaw von der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg hatte dafür zwei Gruppen von je 48 jungen Erwachsenen aus Deutschland untersucht: Eine Gruppe bekam Fotografien, die andere Tonmaterial aus deutschen, belgischen und polnischen Wäldern vorgelegt.

Bei den Bildern handelte es sich um 57 ausgedruckte Fotos, die Waldstücke mit unterschiedlicher Biodiversität zeigten. Die Aufgabe der Teilnehmenden: die Bilder zunächst anhand von zwei selbst gewählten Kriterien zu sortieren und letztlich danach zu ordnen, ob die gezeigten Wälder wohl eine geringe, mittlere oder hohe Biodiversität aufwiesen. Die Antworten verglichen die Forscherinnen und Forscher mit einem objektiven Biodiversitätsscore, der sich aus der Anzahl verschiedener Baumarten, dem Artenreichtum des Unterholzes sowie der strukturellen Diversität sowohl von Bäumen als auch von Unterholz zusammensetzte.

Die wahrgenommene Biodiversität korrelierte in hohem Maß (0,76) mit der objektiven Biodiversität der Wälder. Hielten die Befragten also ein Waldstück für besonders artenreich, so war das im Mittel auch in Wirklichkeit eher der Fall. Die Probanden verließen sich dabei wohl vor allem auf die Dichte der abgebildeten Vegetation und die Lichtverhältnisse, aber auch auf Baumstrukturen und Farben. Das schloss das Forscherteam aus den Kategorien, welche die Probanden eingangs der Studie selbst entwickelt hatten, denn diese frei gewählten Kategorien hatten zu ähnlichen Klassifizierungen geführt wie im Anschluss die wahrgenommene Biodiversität.

Der Rückschluss auf die Artenvielfalt eines Waldes gelang sogar noch ein bisschen besser, wenn die Teilnehmerinnen und Teilnehmer sich auf Tonaufnahmen anstatt auf Bilder stützten. Auch die 16 Audioaufnahmen sollten sie zunächst nach eigenen Kriterien und dann nach mutmaßlicher Biodiversität sortieren. Und siehe da: Erneut gelang es den Probanden, ziemlich treffsicher auf die wahre Biodiversität zu schließen – in dem Fall die Anzahl unterschiedlicher Vogelarten in einer Aufnahme –, wahrgenommene Biodiversität korrelierte hier zu 0,87 mit der echten. Die Artenvielfalt könnten Teilnehmende hier an der Lautheit des Vogelgesangs, der Komplexität der gezwitscherten Melodien oder auch an Emotionen festgemacht haben, welche die Waldgeräusche bei ihnen ausgelöst hatten.

Der Schlüssel zum Erfolg könnte auch gewesen sein, dass die Versuchspersonen stets den direkten Vergleich zwischen verschiedenen Wäldern herstellen konnten. Denn in Studien, in denen Teilnehmende stets nur die Biodiversität eines einzelnen Ortes beurteilen sollten, hatten sie häufiger mal danebengelegen.

  • Quellen
People and Nature 10.1002/pan3.70087, 2025

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.