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News: Unbeugsame Lichtpinzette

Laserstrahlen werden schon seit längerem eingesetzt, um winzige Teilchen einzufangen und zu verschieben. Jetzt haben Forscher eine Lichtpinzette konstruiert, die sich bei einer Störung einfach selbst wieder repariert.
Seitenansicht <i>Bessel beam </i>
Wir sind es gewohnt, Licht als etwas Ätherisches anzusehen. Es durchdringt durchsichtige Materialien, und wer die Hand in einen Sonnenstrahl hält, spürt zwar Wärme aber keinen Druck. Eigentlich deutet nichts darauf hin, dass Photonen in der Mikrowelt etwas „Handfestes“ sein können und sich mit ihrer Hilfe Bakterien und DNA-Stränge einfangen und sogar verschieben lassen.

Wenn ein Laserstrahl ein durchsichtiges Bakterium durchläuft, wird er wie an einer Linse gebrochen. Die Photonen lassen sich allerdings nicht ohne Widerstand umlenken. Das Bakterium muss schon Kraft aufwenden, damit das Licht seine Richtung zu ändert. Und auch wenn es unglaublich erscheint: Auch für Licht gilt das universelle Prinzip von Stoß und Rückstoß. Der Rückstoß ist zwar so winzig, dass kein Mensch ihn je gespürt hat; er reicht aber trotzdem aus, um Teilchen von der Größenordnung einiger Mikrometer zu bewegen.

Ist das Innere einer Probe optisch dichter als das umgebende Medium, dann erfährt sie durch die Photonen Stöße, die sie in Richtung des hellsten Bereichs innerhalb des Laserstrahls lenken. Mit normalem Laserlicht, dessen Helligkeit vom Zentrum nach außen hin abnimmt, lässt sich so das Teilchen in die Mitte des Strahls festhalten. Ganz so wie ein Pingpong-Ball in einem schrägen Luftstrom festgehalten wird, auch wenn ihn die Schwerkraft nach unten zieht. Das Ergebnis ist eine optische Falle, in der sich auch lebende Zellen praktisch ohne Schäden manipulieren lassen.

Lichtpinzetten haben allerdings einen großen Nachteil: Es gibt nur einen winzigen Bereich innerhalb des Laserstrahls, der sich nutzen lässt. Denn das Licht wird am Testobjekt nicht nur gebrochen, sondern unerwünschterweise auch gebeugt. Dadurch verliert es seine Bündelung und kann nicht als Pinzette wiederverwendet werden. Für die Forscher bedeutet das einen großen Zeitverlust: Sie können immer nur ein Experiment nach dem anderen und nicht mehrere zeitgleich - in ein und demselben Strahl - durchführen. Daher bemühen sich Wissenschaftler schon seit längerem, das Laserlicht entlang des Strahls an einigen Stellen hintereinander zu bündeln – ihn sozusagen nach jedem Durchgang zu recyceln.

Jetzt ist Physikern der University of St. Andrews der Durchbruch gelungen. Vene Garcés-Chávez und seine Kollegen erzeugten aus einem normalen Laserlicht mit Hilfe einer speziellen kegelförmigen Linse – eines Axicon – einen Strahl, dessen Helligkeitsprofil mathematisch einer Besselfunktion nullter Ordnung entspricht: ein heller Hauptfleck umgeben von konzentrischen hellen und dunklen Ringen. Der so genannte Bessel beam erwies sich als unbeugbar und sehr vielseitig.

Verdeckte zum Beispiel ein Partikel den zentralen Fleck, warf das Teilchen zwar einen Schatten, aber der Lichtstrahl lief dahinter nicht auseinander. Stattdessen formierte sich der Hauptstrahl auf Kosten seiner Ringe wie von Geisterhand neu und konnte so erfolgreich wiederverwendet werden. Tatsächlich gelang es, mehrere Objekte sowohl innerhalb des Zentralstrahls als auch in den Nebenringen in verschiedenen Bereichen über eine Länge von einigen Millimetern einzufangen. Sogar der Schatten zwischen den Ringen erwies sich als nutzbar: als Falle für Objekte, deren optische Dichte niedriger ist als das umgebende Medium. Experimentatoren haben also die Möglichkeit, gleichzeitig sowohl Objekte mit niedrigerer als auch höherer optischer Dichte als das Medium zu untersuchen.

Der Bessel beam erwies sich also als richtiger Tausendsassa unter den Lichtpinzetten. Was ist aber das Geheimnis seiner Unbeugsamkeit?

Es liegt in der Art und Weise seiner Zusammensetzung. Er besteht aus einzelnen Lichtwellen, die sich zylindrisch in Laufrichtung des Lasers fortbewegen und sich dabei nicht gegeneinander verschieben. Anders liegt der Fall bei normalen Laserstrahlen, deren Helligkeitsfunktion eine Gaußkurve beschreibt. Hier treten ständig Verschiebungen auf, die letztendlich für die Beugung verantwortlich sind.

Man kann sich einen normalen gaußförmigen Strahl als äußerst dynamisches Gebilde vorstellen, dessen Einzelteile sich zwar ständig gegeneinander aber zueinander komplementär verschieben, sodass das Gesamtbild nicht gestört wird. Man sieht ihm seine innere Dynamik von außen nur dann an, wenn eine Störung auftritt. Verdeckt zum Beispiel ein Objekt einen Teil des Strahls, dann fehlen hinter dem Schatten auf einmal einige Teile des Puzzles, und das ursprüngliche Bild lässt sich nicht rekonstruieren.

Der Bessel beam ist dagegen relativ statisch. Da die Einzelwellen weitgehend identisch sind, stört es nicht allzu sehr, wenn einige Teile fehlen. Es sind genügend andere Puzzleteile da, um das ursprüngliche Bild, wenn auch mit geringerer Helligkeit wiederaufzubauen.

Die recyclebare Lichtpinzette wird jedenfalls schon bald Einzug in die Labors halten und dort für ganz handfeste Konsequenzen sorgen: effizientere Nutzung der Arbeitszeit, mehr Platz beim Experimentieren - sowohl entlang des Laserstrahls als auch quer dazu - und eine größere Auswahl an Testobjekten.

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