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Stickstofffixierung: Unbewohntes Knöllchen

Nicht jeder teilt sein Leben. Und wenn, dann schon gar nicht mit jedem. Lockt auch ein gemeinsames Zuhause - zumindest Knöllchenbakterien bleiben zunächst lieber unter sich.
Wurzelknöllchen
Unverschämt teuer lebt es sich, so ganz alleine. Wohngemeinschaften schonen zwar nicht unbedingt immer die Nerven, oft aber den Geldbeutel. Vor allem in der Natur vergrößert zweckreiches Zusammenleben die eigenen Ressourcen, ja ermöglicht manchmal sogar erst das Dasein. Eine Lebensgemeinschaft, die immer wieder Fragen aufwirft, ist die Symbiose zwischen Rhizobienbakterien und Leguminosen, einer Pflanzenordung, zu denen beispielsweise Erbsen, Klee und Lupinen zählen.

Wurzelknöllchen vom Schneckenklee | Die Leguminose bildet Wurzelknöllchen, in denen Rhizobien leben. Die Bakterien fixieren den molekularen Luftstickstoff und profitieren im Gegenzug von Fotosyntheseprodukten der Pflanze.
Welchen Handel die beiden Lebewesen betreiben, ist der Wissenschaft lange bekannt: Die Bodenbakterien fixieren den molekularen Luftstickstoff und machen das lebenswichtige Element so erst für die Leguminose verfügbar. Als Gegenleistung bietet die Pflanze den Stickstofffixierern einen attraktiven Unterschlupf in ihren Wurzeln: Sie bildet spezialisierte Knöllchen aus, in denen sich die Bakterien einnisten und von Stoffwechselprodukten der Fotosynthese leben. Knöllchen bilden die Leguminosen selbstverständlich nur dann, wenn die Rhizobien tatsächlich auch Obdach suchen.

Die Bodenbakterien kündigen ihr Kommen an: Sie heften sich zunächst an die Wurzelspitzen der Leguminose und setzten dann chemische Botenstoffe, so genannte Nod-Faktoren frei. Diese Stoffe vermitteln dann, gebunden an spezielle Rezeptoren, das Einströmen von Kalzium-Ionen in die Wurzelzelle. Die Ionen setzen wiederum eine Signalkaskade in Gang, die vor allem zwei Wurzelumbauten einleitet: Damit die Bakterien in die Wurzel einwandern können, krümmen sich zunächst die Wurzelhaare. Dann beginnen die Knöllchen aus dem Wurzelgewebe herauszuwachsen. In den Wurzeln des Schneckenklees Medicago truncatula tritt insbesondere ein Eiweiß als zentraler Signalüberträger auf: das DMI3.

DMI3 gehört zur Familie der Kalzium-Calmodulin-abhängigen Proteinkinasen (CCaMK). Der Name deutet an, dass das Protein nicht immer geschäftig ist. Vielmehr müssen gleich drei Dinge zusammenkommen, damit die Kinase zur Arbeit schreitet: DMI3 hat drei Proteinregionen, an die Kalzium-Ionen binden müssen, um das Protein zu aktivieren. Dann müssen die Ionen einen Komplex mit Calmodulin, einem Kalzium-bindenden regulatorischen Protein, eingehen. Dieses Molekül muss an eine spezifische Hemmdomäne von DMI3 andocken und das Protein dadurch aus seinem untätigen Zustand befreien. Letztlich dürfen die Rhizobien nicht fehlen, denn sie induzieren, dass DMI3 überhaupt erst gebildet wird. Ist die Kinase durch diese Signale dann einerseits aktiviert und andererseits enthemmt, so schaltet sie weitere Proteine und Gene an, die dann schließlich die Wurzel für das Tauschgeschäft verändern. Nun rätselten Forscher des John Innes Zentrums in Norwich: Warum sollte das Protein doppelt aktiviert werden?

Um der Sache auf den Grund zu gehen, raubte das Forscherteam um Giles Oldroyd dem dmi3-Gen die Bausteine, die für die Hemmdomäne und die drei Kalzium-Bindedomänen kodieren. In den Kleewurzeln der Pflanze erforschte Oldroyd dann, ob das zerstückelte Gen noch abgelesen werden konnte. Und in der Tat, das neue dmi3-Gen wurde in der veränderten Pflanze normal exprimiert. Oldroyd beobachtete auch, dass der transgenen Pflanze spontan Knöllchen wuchsen – auch dann, wenn überhaupt keine Rhizobien anwesend waren. Verantworlich hierfür zeigte sich die DMI3-Hemmdomäne, ohne welche die Pflanzen anscheinend immer Knöllchen bilden, egal ob mit oder ohne Symbionten.

Die Forscher nahmen die Wurzelknollen sofort unters Messer und stießen dabei gleich auf zwei Paradoxa: Zum einen waren die Knöllchen Symbionten-frei. Auf die andere Überraschung stießen die Forscher bei genauerem Hingucken: Die Wurzelhaare des veränderten Klees hatten sich nicht gekräuselt. Hier versuchen die Forscher eine Antwort: Kalzium muss offensichtlich mit den drei Kalzium-Bindedomänen von DMI3 interagieren, damit sich die Wurzel biegt. Ohne Symbionten hatte die Wurzel deshalb kein Haar gekrümmt und die Bakterien konnten nicht einwandern.

Insgesamt ist den Forscher ein kleines Knöllchenwunder geglückt, sie haben die Stickstoffmaschinerie ein Stück weit Bakterien-unabhängiger gemacht. Eines Tages könnten gentechnisch verändertem Mais vielleicht auch Wurzelknollen wachsen, die dann teuren Dünger ersetzen, so hoffen die Forscher. Doch hierfür müssen die Bakterien erst einmal mitziehen. Schade, dass unbewohnte Knöllchen eher nutzlos sind.

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