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Primzahlen: Unendlich viele neue Definitionen von Primzahlen

Eine Zahl, die nur durch eins und sich selbst teilbar ist: So werden Primzahlen definiert. Doch nun sind Mathematiker auf unendlich viele neue Definitionen der rätselhaften Zahlen gestoßen.
Zufällig ausgewählte Zahlen
Gibt es ein Muster, wie Primzahlen unter den natürlichen Zahlen verteilt sind?

Seit Jahrtausenden beflügeln Primzahlen die Fantasie von Mathematikern. »Wir sind an ihnen interessiert, weil es unendlich viele von ihnen gibt, aber es sehr schwierig ist, irgendwelche Muster in ihnen zu erkennen«, sagt der Mathematiker Ken Ono von der University of Virginia. Ein Hauptziel ist es zum Beispiel, herauszufinden, wie Primzahlen auf dem Zahlenstrahl verteilt sind.

Hierfür muss man Primzahlen identifizieren können. Diese sind so etwas wie die Atome der Mathematik: natürliche Zahlen, die nur durch 1 und sich selbst teilbar sind, wie 2, 3, 5, 7, 11 und so weiter. Für kleine Zahlen lässt sich schnell herausfinden, ob sie eine Primzahl sind oder nicht. Wenn sich Mathematiker jedoch mit großen Zahlen beschäftigen, wird es schnell schwierig.

Nun haben Ono und zwei seiner Kollegen, William Craig von der U.S. Naval Academy und Jan-Willem van Ittersum von der Universität Köln, einen völlig neuen Ansatz für die Suche nach Primzahlen gefunden. »Wir haben unendlich viele neue Arten von Kriterien für die genaue Bestimmung der Menge von Primzahlen erarbeitet«, sagt Ono. »Und sie unterscheiden sich alle von der Aussage ›Wenn man eine Zahl nicht faktorisieren kann, muss sie prim sein‹.« Er und seine Kollegen haben ihre Ergebnisse im Fachjournal »PNAS« veröffentlicht. Ihre Entdeckung bietet unendlich viele neue Definitionen für Primzahlen.

Teile und herrsche

Im Mittelpunkt der Arbeit stehen so genannte Partitionen. »Die Theorie der Partitionen ist sehr alt«, erklärt Ono. Sie geht auf den Schweizer Mathematiker Leonhard Euler aus dem 18. Jahrhundert zurück und wurde im Lauf der Zeit immer wieder erweitert. »Partitionen erinnern an ein Kinderspiel«, so Ono. »Auf wie viele Arten kann man Zahlen addieren, um eine bestimmte Zahl zu erhalten?« Die Fünf hat zum Beispiel sieben Partitionen: 4 + 1, 3 + 2, 3 + 1 + 1, 2 + 2 + 1, 2 + 1 + 1 + 1 und 1 + 1 + 1 + 1 + 1.

Das Konzept entpuppt sich als mächtige Methode, die neue Wege zum Aufspüren von Primzahlen eröffnet. Wie Ono, Craig und van Ittersum bewiesen haben, sind Primzahlen die Lösungen von unendlich vielen Gleichungen mit Partitionsfunktionen. »Es ist bemerkenswert, dass man ein so klassisches kombinatorisches Objekt – die Partitionsfunktion – verwenden kann, um Primzahlen auf diese neuartige Weise zu erkennen«, sagt die Mathematikerin Kathrin Bringmann von der Universität Köln, die nicht an der Arbeit beteiligt war.

Diese Entdeckung geht über die bloße Untersuchung der Verteilung von Primzahlen hinaus, da sie eine neue Bestimmungsmethode liefert. Das heißt, man kann eine natürliche Zahl in die Gleichungen einsetzen – und wenn diese erfüllt sind, dann ist die Zahl eine Primzahl. »Wir beweisen, dass es unendlich viele solcher Primzahl-Erkennungsgleichungen gibt«, schreiben die Forscher in ihrer »PNAS«-Arbeit. »Es ist fast so, als gäbe unsere Arbeit unendlich viele neue Definitionen für Primzahlen«, sagt Ono. »Das ist schon ziemlich verblüffend.«

»Probleme wie diese beschäftigen Mathematiker und Zahlentheoretiker seit Generationen«Ken Ono, Mathematiker

Die Ergebnisse des Teams könnten zu vielen neuen Entdeckungen führen, meint Bringmann. »Über das eigentliche mathematische Interesse hinaus könnte diese Arbeit zu weiteren Untersuchungen über die überraschenden algebraischen oder analytischen Eigenschaften anregen, die in kombinatorischen Funktionen verborgen sind«, sagt sie. Dieser Zusammenhang mit der Kombinatorik - der Mathematik des Zählens – zeige den Reichtum der Verbindungen in der Mathematik auf, fügt sie hinzu. »Solche Ergebnisse regen oft zu neuen Überlegungen über Teilgebiete hinweg an.«

Bringmann schlägt einige Möglichkeiten vor, wie Mathematiker auf dieser Forschung aufbauen könnten. Zum Beispiel könnten sie untersuchen, welche anderen Arten von mathematischen Strukturen sich mit Hilfe von Partitionsfunktionen finden lassen. Oder man könnte künftig nach Möglichkeiten suchen, um das Ergebnis zu erweitern und andere Arten von Zahlen auf diese Weise zu analysieren.

Es gibt nach wie vor eine Fülle von offenen Fragen rund um Primzahlen, von denen viele schon lange bestehen. Zwei Beispiele sind die Primzahlzwillingsvermutung und die goldbachsche Vermutung. »Probleme wie diese beschäftigen Mathematiker und Zahlentheoretiker seit Generationen«, sagt Ono. Obwohl die jüngste Entdeckung seines Teams diese konkreten Probleme nicht direkt löst, sei sie ein gutes Beispiel dafür, wie Mathematiker an ihre Grenzen gehen, um die mysteriöse Natur der Primzahlen besser zu verstehen.

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  • Quellen
PNAS 10.1073/pnas.2409417121, 2024

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