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News: Ungeliebt und doch geheuert?

Unternehmensberatung ist in den letzten Jahren zum florierenden Geschäft geworden. Die Zahl der Mangagementberater stieg von ca. 35000 Ende der achtziger Jahre um rund 55 Prozent auf jetzt 55000. In krassem Gegensatz zur außergewöhnlich positiven Entwicklung des Consulting-Markts steht jedoch das negative Bild, das sich in der Öffentlichkeit über diese Branche herausgebildet hat. Warum die Unternehmensberatung trotzdem für ihre Kunden aus Unternehmen und Verwaltungen unentbehrlich geworden ist, welche neuen Anforderungen und Nachfragemotive das gestiegene Interesse an externer Beratung erklären können, hat das Institut Arbeit und Technik (IAT/Gelsenkirchen) jetzt untersucht.
Mit den neuen Informations- und Kommunikationstechniken und der Globalisierung steigt natürlich der Orientierungsbedarf der Unternehmen und damit die Nachfrage nach Hilfestellung von außen. "Aber immer häufiger werden externe Berater nicht nur engagiert um im Unternehmen nach neuen Wegen für ungelöste Probleme zu suchen. Vielmehr stehen sie dem Manager oft auch zur Seite um längst vorbereitete Entscheidungen bei Neuerungen und Umstrukturierungen durch den "Expertenrat" von außen zu legitimieren!", stellt Dr. Josef Hilbert, Leiter der Abteilung Dienstleistungssysteme am Institut Arbeit und Technik (IAT/Gelsenkirchen), fest. Der in den letzten Jahren erheblich gestiegene Wettbewerbsdruck auf den Absatz- und Kapitalmärkten erhöht auch den Leistungs- und Erfolgsdruck für das Management. Bei wachsenden Unsicherheiten müssen Entscheidungen gefällt werden – unter den kritischen Blicken und Fragen von Aktionären und Aufsichtsräten. Für die Manager werden Zukunftsentscheidungen zu Risiken der eigenen Karriere. In einer solchen Situation braucht man Unternehmensberater nicht nur, weil sie geniale und innovative Vorschläge machen, sondern auch um die eigenen Entscheidungen abzusichern und gegenüber Dritten zu legitimieren. Beratung wird zur Sicherheitsdienstleistung.

Das gilt ähnlich für die Probleme, mit denen Führungskräfte angesichts des ständigen Wechsels und der "Modewellen" neuer Managementkonzepte zu kämpfen haben – macht man nun Gemeinkostenwertanalyse oder besser in Unternehmenskultur, sollte man lean production oder business reeingeneering einführen? Die vielfache Kritik an den "Modewellen" neuer Managementkonzepte führt keineswegs zum Nachfragerückgang bei den Beratern, die sie propagieren. Im Gegenteil, Manager, die sich den neuen Konzepten gegenüber reserviert zeigen, laufen sogar Gefahr nicht "up-to-date" zu sein.

Und einen weiteren Effekt erhofft man sich manchmal durch das Engagement von Beratern: allein das Wissen darum, daß Externe sich Gedanken um die eigene Organisation machen, kann zur Aktivierung der eigenen Kräfte im Unternehmen, der Mitarbeiter führen und dadurch die Selbsterneuerung fördern. Der Unternehmensberater wird bezahlt für den "Placebo-Effekt", als Heilmittel, das zwar eigentlich keine Wirkung hat, aber trotzdem die Organisation aktiviert.

"Nicht zu übersehen ist, daß die Expansion der Branche allerdings auch mit dem Aufkommen neuer inhaltlicher Herausforderungen für die Wirtschaft sowie mit einer Ausweitung des Kundenkreises einherging", so Dr. Josef Hilbert. Mit dem Boom der Branche ist auch die Zahl der anbietenden Unternehmen stark gewachsen. Neben Finanzdienstleistern und Industrieunternehmen, die sich am Markt positionieren, gibt es eine große, unüberschaubare Zahl an Existenzgründungen und Kleinstbetrieben: ehemalige Politiker, Beschäftigte aus der Industrie oder Beratungsgesellschaften, Hochschulabsolventen, die durch Existenzgründungen den Fall in die Arbeitslosigkeit zu vermeiden suchen. Viele Einzelberater und kleinere Beratungsgesellschaften etablieren sich mit neuen Beratungsprodukten oder als "Nischenfüller". Die großen Umsätze werden allerdings nach wie vor von den großen, universell ausgerichteten Beratungsfirmen gemacht. 1997 erzielten die 25 führenden Beratungsunternehmen – weniger als 0,3 Prozent der Branche – rund rund 4,5 Milliarden DM Umsatz und damit 27 Prozent des Gesamtumsatzes.

Beratung in Sachen Informations- und Kommunikationstechnik macht inzwischen rund zwei Drittel der Beratungstätigkeit aus, 1990 waren es noch 34,8 Prozent. Im Bereich der Unternehmensführung, wo Anfang der 90er Jahre noch vorrangig Beratungshilfen für Personalwesen und Betriebswirtschaft nachgefragt wurden, ist mittlerweile das Interesse an strategischen Hilfen und deren Umsetzung in den Vordergrund gerückt. Diese werden immer weniger als einmalige, punktuelle Beratung, sondern zunehmend in langfristigen, stabilen Beratungspartnerschaften durchgeführt. Für weitere Nachfrageschübe sorgen die Internationalisierung der Wirtschaft und neue Anforderungen an das Umwelt- und Qualitätsmanagement.

Zusätzlich kommen neue Kunden auf die Unternehmensberatungen zu. Bei Non-Profit-Organisationen werden die Auswirkungen sozialer und demografischer Veränderungen an öffentlichen Finanzierungsproblemen, sinkender Akzeptanz öffentlicher Leistungen, Kirchenaustritten, Mitgliederschwund bei Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden sowie fehlender Attraktivität von Parteien immer deutlicher erkennbar und zwingen die nichterwerbswirtschaftlich orientierten Organisationen zu Neuorientierungen bezüglich der Ziele.

Wahrscheinlich wird das Wachstum der Beraterbranche auch in den nächsten Jahren noch anhalten. Hierfür spricht zum einen, daß bei den skizzierten sachlichfachlichen und legitimatorischen Ursachen des bisherigen Wachstums kein Ende in Sicht ist. Zum anderen unterstützt der Vergleich mit den USA die Wachstumserwartungen: 1994 kamen dort auf 1 Million Einwohner 240 Unternehmensberater, in Deutschland erst 126.

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