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News: Ungewöhnlich anziehend

Eine unbekannte Kraft beschleunigt die Raumsonden Pioneer 10, Pioneer 11 und Ulysses in Richtung der Sonne. Der geheimnisvolle Effekt ist winzig - etwa zehn Milliarden mal kleiner als die Gravitationsbeschleunigung der Erde -, aber sie reicht aus, die Sonden auf ihrem Weg aus dem Sonnensystem heraus merklich abzubremsen, wie amerikanische Wissenschaftler herausfanden.

John Anderson vom NASA Jet Propulsion Laboratory (JPL), Michael Nieto vom Los Alamos National Laboratory des Department of Energy und ihre Kollegen werteten Signale aus, die von Transpondern an Pioneer 10, Pioneer 11 und Ulysses zur Erde zurückgeschickt wurden. Das Deep Space Network der NASA sandte die Radiowellen aus und empfing die Reflexionen. Den dabei auftretenden Doppler-Effekt nutzten die Forscher, um die Geschwindigkeit der Sonden zu ermitteln.

Als Anderson den Geschwindigkeitsverlust im Jahr 1980 zum ersten Mal bemerkte, hielt er seine Beobachtung noch für einen systematischen Fehler. In den folgenden Jahren schlossen die Wissenschaftler allerdings sowohl diese Erklärung als auch immer mehr andere mögliche Gründe für das Abbremsen der Sonden aus: Die Annahme, es handle sich um einen Softwarefehler, eliminierten sie durch eine weitere, unabhängige Datenanalyse mit Hilfe eines zweiten Computerprogrammes, das The Aerospace Corporation entwickelt hatte, und auch die Anziehungskraft der Sonne schied als Verursacherin aus. Ihre Liste überprüfter "normaler" Erklärungen umfaßte auch Punkte wie Störungen durch die Anziehungskräfte der Planeten und kleinerer Körper im Sonnensystem oder den Strahlungsdruck, der entsteht, wenn Photonen auf die Sonden aufschlagen. Auch Interaktionen zwischen Sonnenwind und Sonden, Schwankungen der Erdrotationsachse sowie die Emission von Gasen oder Wärmestrahlung von den Sonden rufen den Effekt nicht hervor.

Danach wandten sich die Wissenschaftler anderen Erklärungen zu: der Dunklen Materie und möglichen Änderungen der Schwerkraft. Die erste Vermutung schlossen die Forscher aus, da eine so große Menge an Dunkler Materie erforderlich wäre, um die festgestellte Bremswirkung zu erzielen, daß sie auch andere Körper im Sonnensystem beeinflussen würde. Ein bisher unbekannter Gravitationseffekt müßte ebenso die Bewegungen von Planeten wie der Erde beeinflussen. Falls also die negative Beschleunigung, die auf die Sonden einwirkt, auf eine Gravitationskraft zurückzuführen ist, wirkt diese nicht universell, folgerten die Wissenschaftler. Sie müßte kleinere Körper von nur etwa 1 000 Kilogramm stärker betreffen als solche von der Größe eines Planeten (Physical Review Letters vom 5. Oktober 1998).

Das Team erhofft sich zusätzliche, qualitativ hochwertige Daten von der geplanten Mission der NASA zum Pluto, um das Rätsel weiter zu untersuchen. Der Sender von Pioneer 10 funktioniert ebenfalls noch und ist damit eine potentielle Informationsquelle. Auch den Schwung, den Ulysses um die Sonne nimmt, verfolgen die Wissenschaftler. Sie erwarten allerdings, daß die Erklärung des Phänomens, wenn sie gefunden ist, mit den bekannten Gesetzen der Physik auskommt – obwohl sie auch darüber nachdenken, was diese anomale Bewegung in Bezug auf neue physikalische Effekte bedeuten könnte.

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