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News: Ungewöhnliche Verwandte?

Wer gehört zu wem? Eine Frage, die sich biologische Systematiker zum Beruf gemacht haben. Eindeutige Antworten gibt es jedoch selten, und je nach Methode sehen die konstruierten Stammbäume oft sehr unterschiedlich aus. So unterstützen neue molekularbiologische Befunde, dass Elefanten und Seekühe, Rüsselspringer und Tenreks tatsächlich in eine Gruppe gehören - obwohl sie morphologisch gesehen nun wirklich nur wenig gemeinsam haben.
Der Stammbaum des Lebens steht nicht so sicher, wie viele meinen. Neue Ergebnisse über die Verwandschaftsverhältnisse von Organismen lassen hier einen Ast abbrechen und dort einen neuen wachsen. Dabei sind sich die Wissenschaftler oft uneinig, denn die Ergebnisse der "klassischen" Systematiker, die sich vor allem auf morphologische und entwicklungsbiologische Merkmale stützen, widersprechen häufig den Erkenntnissen aus genetischen oder biochemischen Untersuchungen.

Eine der umstrittensten Gruppen ist die Klasse der Säugetiere. Hier haben DNA-Analysen das bisherige System schon häufiger herausgefordert und kräftig durcheinander gewirbelt. Der Anatomie zufolge sind beispielsweise Schweine und Flusspferde recht eng miteinander verwandt – sie gehören beide zu einer Gruppe der Huftiere, den Paarhufern (Artiodactyla). Genetische Befunde stellen die Flusspferde jedoch ganz in die Nähe der Wale, die allerdings von Huftieren abstammen.

Was aber können so verschiedene Tiere wie Elefanten, Seekühe, Erdferkel, Rüsselspringer, Goldmulle und die igelartigen Insektenfresser Tenreks gemeinsam haben? Sie alle sollen molekularbiologischen Analysen zufolge zu der so genannten übergeordneten Gruppe der Afrotheria gehören – so benannt, weil ihr Ursprung in Afrika liegt. Seit 1997 diskutieren Wissenschaftler weltweit diese auf den ersten Blick ungewöhnliche und von morphologischen Daten auch nicht unterstützte Einordnung. Und doch gibt es immer wieder Hinweise, dass die Vermutung richtig ist – so auch die Ergebnisse von Marjon van Dijk und ihren Mitarbeitern vom Department of Biochemistry der University of Nijmegen (Proceedings of the National Academy of Sciences, Early Online Edition vom 12. Dezember 2000, Volltext).

Die Wissenschaftler konzentrierten sich auf die Proteine der einzelnen Angehörigen dieser Gruppe. Dabei entdeckten sie in drei Proteinen Veränderungen in den Aminosäuresequenzen. Da die Kombination der ausgetauschten Bausteine so einzigartig ist, scheint es beinahe unmöglich, dass sie im Laufe der Evolution zufällig unabhängig voneinander mehrmals in verschiedenen Gruppen entstand.

Andere Systematiker sind nicht überzeugt. Obwohl die Untersuchung die Annahme unterstützt, dass die Afrotheria eine zusammenhängende Gruppe sind, sieht William Kilpatrick von der University of Vermont in den Ergebnissen noch nicht die endgültige Antwort. Er weist darauf hin, dass Studien an anderen Säugetieren erst bestätigen müssen, dass die gefundenen spezifischen Aminosäuresequenzen in den Proteinen wirklich nur bei den Afrotheria auftreten.

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