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News: Unser Vetter Homo troglodytes

Nur ein Bruchteil des Erbguts unterscheidet den Menschen von seinen nächsten tierischen Verwandten. Konsequenterweise, so fordern jetzt Genetiker, sollten daher Schimpansen zur Gattung Homo gestellt werden.
Affe und Mensch
Als Carl von Linné 1766 die 12. Auflage seiner Systema naturae veröffentlichte, reihte er erstmalig auch den Menschen in das Tierreich ein. Ohne die Einzigartigkeit der "Krone der Schöpfung" anzweifeln zu wollen, gab er ihm den Namen Homo sapiens, den "weisen Menschen", und setzte ihn zusammen mit dem Schimpansen und dem Orang-Utan in die Säugetierordnung der Herrentiere oder Primates. Und da befindet sich der Mensch immer noch – auch wenn seine "Einzigartigkeit" mittlerweile etwas angezweifelt wird.

Denn die Ähnlichkeiten zwischen Mensch und Affe – nicht nur genetisch, sondern auch im Verhalten – sind so frappierend, dass das System immer wieder umgebaut werden musste. Inzwischen sind die Schimpansen, von denen es die beiden Arten Pan troglodytes und Pan paniscus gibt, in die Familie der Hominidae, der Menschenartigen, aufgenommen worden; manche Systematiker gehen sogar noch weiter und stellen Mensch, Schimpanse und Gorilla in die gleiche Unterfamilie der Homininae. Die systematische Stellung des Menschen und seiner nächsten tierischen Verwandten bleibt also umstritten, doch als Konsens gilt nach wie vor: Von der Gattung Mensch existiert heute nur eine einzige Art – Homo sapiens.

Doch Derek Wildman und seine Kollegen von der Wayne State University zweifeln auch diese Einzigartigkeit des Menschen an. Schließlich gibt das Humangenomprojekt genug Material her, um genetische Vergleiche anstellen zu können. Insgesamt 97 menschliche Gene untersuchten die Forscher und verglichen sie mit den entsprechenden Genen bei den beiden Schimpansenarten, beim Gorilla (Gorilla gorilla), beim Orang-Utan (Pongo pygmaeus) und, als Kontrolle, bei der Maus (Mus musculus).

Die Vergleiche bestätigten die enge Verwandtschaft zwischen Mensch und Tier: 99,4 Prozent des untersuchten Erbguts teilen wir mit den Schimpansen. Die Genetiker schlagen nun vor, alle Menschenaffen – einschließlich des Menschen – in die gleiche Familie Hominidae zu stellen; Gorillas, Schimpansen und Menschen fassen sie zur systematischen Gruppe Hominina zusammen.

Und diese Gruppe umfasst nach Ansicht der Forscher nur zwei Gattungen: Gorilla, der seit sechs bis sieben Millionen Jahre eigene Wege geht, und Homo. Die Gattung Pan wird überflüssig. Die beiden Schimpansenarten, die sich erst vor fünf bis sechs Millionen Jahre von den Menschen trennten, gehören demnach zur Gattung Mensch und sollten daher die Namen Homo troglodytes und Homo paniscus tragen.

Konsequenterweise müssten dann auch die fossilen Vorfahren des Menschen, die bisher noch unter eigenen Gattungsnamen wie Ardipithecus, Australopithecus oder Paranthropus firmieren, mit aufgenommen werden, und wir sollten uns neben den vertrauten Namen wie Homo erectus auch an Bezeichnungen wie Homo ramidus, Homo afarensis oder Homo robustus gewöhnen. Doch da haben wahrscheinlich noch Paläoanthropologen ein Wörtchen mitzureden.

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