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Weiße Weihnachten: »Unter 1000 Metern sieht es dieses Jahr eher mau aus«

Für die Feiertage wird wieder Frühlingswetter statt Schnee erwartet. Doch gab es früher öfter weiße Weihnachten? »Das kann man so nicht sagen«, sagen zwei Meteorologen im Interview.
Schneemann mit Armen aus Pflanzen

Kurz vor Weihnachten fragt sich so mancher, ob statt Regen doch noch Schnee fallen wird. Was braucht es eigentlich, damit es in Deutschland schneit? Gab es früher wirklich öfter weiße Weihnachten? Und ändert der Klimawandel etwas? Antworten haben die Diplommeteorologen Lars Kirchhübel und Marco Manitta vom Deutschen Wetterdienst im Interview.

Spektrum.de: Alle Jahre wieder dieselbe Frage: Wird es in Deutschland weiße Weihnachten geben?

Kirchhübel: Derzeit liegt Deutschland im Zustrom mäßig kalter bis milder Meeresluft, so dass die Temperaturen bei Werten von 6 bis 12 Grad weit entfernt vom winterlichen Niveau liegen. Zudem konnte sich zwischen einer Tiefdruckzone über Nordeuropa und hohem Luftdruck über Südwesteuropa eine Tiefautobahn ausbilden, auf der wiederholt kleinere Randtiefs und deren Ausläufer vom Atlantik bis nach Mitteleuropa wandern. Vor allem der 24. Dezember, also der Heilige Abend, steht dabei voll im Fokus eines Sturmtiefs, welches Deutschland von West nach Ost überquert und das Wetter unbeständig und teils windig bis stürmisch gestaltet.

Lässt sich das noch genauer sagen?

Kirchhübel: Vor allem in der Südhälfte dominiert zunächst weiter milde Meeresluft, so dass Schneeflocken dort nur oberhalb von 1000 Metern zu finden sind. Allerdings können in größeren Höhen dann durchaus beträchtliche Neuschneemengen zusammenkommen. In tiefen Lagen bleibt es im Süden und Teilen der Mitte einfach nur ungemütlich nass. In der Nordhälfte wird auf der Nordseite des Tiefs jedoch schon kühlere Luft angesaugt, so dass im Harz, dem Thüringer Wald und dem Erzgebirge die Niederschläge bis zum ersten Weihnachtstag bis auf 500 bis 600 Meter in Schnee übergehen.

Und dann?

Kirchhübel: Ab dem 25. Dezember kommt Deutschland vorübergehend in eine nordwestliche Strömung, mit der erwärmte Polarluft das Land flutet. Während von Westen her die Niederschläge nachlassen, bleibt es vor allem an den Alpen, im Erzgebirge und dem Bayerischen Wald sowie deren Vorland noch länger unbeständig. Die Schneefallgrenze kann dabei auf 600 bis 800 Meter absinken. Doch schon zum 27. Dezember treibt ein neuerlicher Vorstoß milder Atlantikluft die Schneefallgrenze wieder in ungewollte Höhen von 1000 bis 1300 Meter. Im Tiefland muss dementsprechend für eine weiße Weihnacht mindestens ein weiteres Jahr gewartet werden. Aber selbst in Höhenlagen unter 1000 Meter sieht es dieses Jahr eher mau aus.

Wie verlässlich ist die Vorhersage?

Kirchhübel und Manitta: Alle Modelle basieren auf Gleichungen, die sich nur annähernd lösen lassen. Sie berechnen auf Grund des Ist-Zustands der Atmosphäre die Zukunft. Jeder kleine Fehler kann am Ende zu großen Schwankungen führen. Besonders wegen des diesjährigen Sturmtiefs am 24. Dezember bestehen selbst am 23. Dezember noch gewisse Unsicherheit für die Wetterentwicklung ab dem 25. Dezember. Ein Problem ist, dass die Modelle relativ träge sind. Sie nehmen an, dass eine bestimmte Wetterlage über mehrere Tage oder gar Wochen anhält. In Phasen, wo sich eine großräumige Wetterlage eingependelt hat, sind die Vorhersagen darum relativ sicher. In Übergangszeiten beziehungsweise sich schnell ändernden Luftdruckverhältnissen, die wir auch derzeit beobachten können, ist das Wetter im Detail schwerer vorherzusagen.

Gibt es denn Orte mit Schneegarantie?

Kirchhübel und Manitta: Der Schnee, der jetzt jenseits von 1000 bis 1200 Metern etwa auf der Zugspitze, dem Feldberg oder dem Hohen Arber liegt, wird sicherlich nicht mehr komplett wegtauen. Zudem bestehen zumindest ab der Heiligen Nacht auch in den höheren Lagen der östlichen Mittelgebirge recht gute Chancen für eine Neuschneeauflage.

In welchen Monaten ist es besonders wahrscheinlich, dass es in Deutschland schneit?

Kirchhübel: Grundsätzlich ist die Bewertung dieser Frage abhängig von der Höhe. In tiefen Lagen bestehen im Januar und Februar die besten Chancen für Schneefall, der sich dann auch am Boden sammeln kann. In der Polregion der Nordkalbkugel scheint auf Grund der Erdneigung Ende Dezember kaum oder gar nicht die Sonne, so dass diese Regionen kräftig auskühlen können. Kann sich dort dann ein Kältepool ausbilden, besteht zeitlich versetzt die Möglichkeit, dass die Kaltluft unter bestimmten Voraussetzungen sich ihren Weg bis nach Mitteleuropa bahnt. Wenn die Sonne im Frühjahr immer weiter an Höhe und somit auch an Stärke gewinnt, nimmt die Wahrscheinlichkeit für ein Schneeereignis bis in tiefe Lagen wieder deutlich ab. Aber Ausnahmen gibt es immer. Es sei dabei an den März 2013 erinnert, der als deutlich zu kalter Monat in die Geschichtsbücher einging. In dem besagten Monat hatte die Sonne zwar schon ordentlich Kraft, die Luftdruckverteilung sorgte jedoch dafür, dass beständig frostige Polarluft angesaugt wurde.

Und im Bergland?

Kirchhübel: Im Bergland über 1000 Metern wird die maximale Schneehöhe meist erst in den Monaten März oder April erreicht. Dies liegt daran, dass ab Februar typischerweise wieder mehr Schwung in die Atmosphäre gelangt. Die senkrechte Achse der Sonne wandert zum Frühlingsbeginn über den Äquator hinweg wieder auf die Nordhalbkugel und schiebt damit auch die Polarfront weiter nach Norden. Während im Januar häufig blockierende Hochdruckwetterlagen dominieren, nehmen statistisch gesehen im Verlauf des Februars die unbeständigen Westwetterlagen wieder zu. Die Niederschläge fallen in tiefen und mittleren Lagen wegen der ansteigenden Temperaturen dann meist wieder als Regen, in höheren Lagen jedoch bleibt die Schneephase bestehen und sorgt für weiteren Schneezuwachs.

Was braucht es eigentlich, damit Schnee entsteht und liegen bleibt?

Kirchhübel: Um Schneeflocken zu generieren, müssen die Temperaturen innerhalb einer Wolke im besten Fall unter minus 10 Grad liegen. Bei diesen Temperaturen können sich Eiskristalle bilden, die ebenfalls an Größe zunehmen. Ist das Gewicht der Tropfen oder Schneeflocken größer als die Kraft der Aufwinde, fallen sie aus den Wolken zum Boden. Liegen nun die Temperaturen zwischen Wolke und Boden um den Gefrierpunkt, bleibt der Schnee erhalten. Bei deutlich positiven Werten schmilzt der Schnee und fällt als Regen nieder. Um Schnee oder Regen zu bekommen, muss also Luft aufsteigen. Dafür sorgen in den mittleren Breiten, in denen sich auch Deutschland befindet, überwiegend hochreichende Tiefdruckgebiete. Aber nicht nur die Tiefs allein, sondern auch deren Lage ist für den Schneefall von großer Bedeutung. Perfekt ist es, wenn ein Tief von Osten, also zum Beispiel aus Polen, Tschechien oder Österreich zu uns kommt oder von Norden her über die Mitte oder den Osten von Deutschland hinweg südwärts zieht. In diesen Fällen ist die Niederschlagsentwicklung meist mit den entsprechend kalten Temperaturen gepaart.

Und wann bleibt er nun am Boden liegen?

Kirchhübel: Damit der Schnee am Boden liegen bleiben kann, müssen die Temperaturen im Bodenniveau Werte um oder unter dem Gefrierpunkt aufweisen. Förderlich ist auch eine vorangegangene Frostperiode, so dass der Boden gefroren ist und somit den Schnee zusätzlich von unten kühlt. War es zuvor jedoch sehr mild, kann häufig der umgekehrte Fall beobachtet werden. Dann reichen Temperaturen in Bodennähe um den Gefrierpunkt nicht aus, den Schnee zu halten, weil der Bodenwärmestrom den Schnee aus der Erde beziehungsweise dem Boden heraus taut.

Damit es in ganz Deutschland schneit, müssen also viele Faktoren zusammenkommen …

Kirchhübel und Manitta: Ja. Wenn Sie dann noch bedenken, dass Weihnachten ja nur wenige Tage im Jahr abdeckt, ist es ziemlich nachvollziehbar, warum es in Deutschland zuletzt im Schnitt nur alle 20 Jahre flächendeckend weiße Weihnachten gab. »Weiße Weihnachten« bedeutet für uns übrigens Schnee an Heiligabend, am ersten und am zweiten Feiertag. Zuletzt war das 2010 der Fall. Für Schnee an einem der Weihnachtstage muss man statistisch etwa fünf bis sieben Jahre warten.

»Früher gab es öfter weiße Weihnachten« ist so ein Satz, den man häufiger hört. Ist das wirklich so?

Kirchhübel und Manitta: Das kann man nicht sagen. Meist verhält sich das eher phasenweise. Zum Beispiel war der Dezember nicht nur 2010, sondern auch 2009 recht kalt und schneereich. Die letzten Jahre hingegen war es um Weihnachten herum recht mild, und es gab nur wenig Schnee. Zudem waren auch die Winter der 1990er Jahre geprägt von mildem Westwindwetter und somit wenig Schnee. Anders sah es dagegen teilweise in den 1970er oder 1980er Jahren aus.

Ist das eine Folge des Klimawandels?

Manitta: Aus der Tatsache, dass es ein paar Jahre hintereinander in Deutschland wenig Schnee an Weihnachten gab, kann man nicht sofort Rückschlüsse auf den Klimawandel ziehen. Man muss die großräumige Wetterlage sowie die Veränderungen langfristig beobachten.

Werden unsere Kinder und Enkelkinder nie mehr Schnee an Weihnachten sehen?

Kirchhübel und Manitta: Es könnte durchaus sein, dass es die nächsten Jahre an Weihnachten wieder schneit. Selbst in einem klimatisch veränderten Wetter kann es in Zukunft weiße Weihnachten geben. Lediglich die Wahrscheinlichkeit dafür nimmt ab. Gerade in den mittleren Breiten ist das Wetter sehr variabel mit mehr oder weniger großen Ausschlägen. Als Beispiel für die Variabilität des Wetters sowie das Auftreten wenig wahrscheinlicher Ereignisse kann etwa Sizilien dienen, eine Region, die zumindest abseits des Ätna eigentlich nicht für viel Schnee bekannt ist. Dort fiel sowohl 2014 als auch 2017 bis in die Niederungen Schnee – sogar am Meer. Normalerweise kommt der Niederschlag dort nie an, sondern bleibt an der Alpensüdseite hängen. Die Luft aus dem Norden ist folglich zu trocken. 2014 hat sie aber einen Umweg über Sizilien gemacht, und weil die Temperaturen dort unter dem Gefrierpunkt lagen, ist der Niederschlag sofort in Schnee übergegangen. Das war ein neuer Schneerekord: Davor hatte es dort seit 150 Jahren nicht mehr geschneit.

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