Wasserstoffspeicher: Kathedralen für das kleinste Molekül

Wo der Berliner Speckgürtel im Osten allmählich endet und das ländliche Brandenburg beginnt, erhebt sich inmitten von Feldern und Spazierwegen ein Labyrinth aus mattgrauen Rohrsystemen. Hohe Zäune schützen die technischen Gebäude. Und während der Begehung zeigt sich erst bei genauerem Hinsehen: Alle Steckdosen sind funkengesichert, und an jeder Decke hängen Detektoren, bereit, Alarm zu schlagen, sobald irgendwo Gas entweicht. Drücke, Temperaturen und Gasmengen in dem Gewirr an Rohrleitungen werden pausenlos vom Kontrollraum aus überwacht, jede Anomalie registriert.
Hier, im brandenburgischen Rüdersdorf, betreibt der Energiekonzern EWE seit vielen Jahrzehnten einen Erdgasspeicher. Das Unternehmen komprimiert angeliefertes Gas und presst es in riesige Hohlräume, die etwa einen Kilometer tief unter der Erde in ausgesoltem Salzgestein liegen. Es ist ein Geschäft mit zeitlich begrenzter Zukunft. Der fossile Brennstoff, der heute Heizungen, Fabriken und Kraftwerke wärmt und antreibt, wird künftig in Teilen durch Wasserstoff ersetzt. Und auch der will gelagert werden – zum Beispiel in ehemaligen Erdgasspeichern.
Weltweit existieren bislang kaum Anlagen zur großtechnischen Speicherung von Wasserstoff, und die wenigen, die es gibt – zum Beispiel in Großbritannien und in den USA – entsprechen entweder nicht den deutschen Standards, oder es liegen keine technischen Daten vor. Doch das Speichern des Gases in Kavernen ist hierzulande politisch gewollt. Umgewandelte Erdgas- oder Erdölspeicher könnten bis 2040 einen großen Teil der deutschen Wasserstoffspeicher stellen – einige Analysen rechnen mit der Hälfte des Bedarfs. Der Rest müsste neu gebaut werden.
Dabei stellen sich allerdings zwei Fragen: Ist das Speichern von Wasserstoff in unterirdischen Salzkavernen sicher? Und ist er nach der Einlagerung in ehemaligen Erdgasspeichern noch rein genug, sodass man beispielsweise Wasserstofffahrzeuge bedenkenlos damit betanken kann?
Themenwoche »Energiespeicher«
Ausbau der Erneuerbaren: läuft. Bau neuer Stromtrassen: geht voran. Doch erst Speicher machen die Energiewende komplett. In dieser Themenwoche nehmen wir kleine und große Batterien, Wasserstoffspeicher und Biogas in den Blick. Sie stabilisieren das Stromnetz in Millisekunden oder überbrücken tagelange Dunkelflauten. Doch Energie ist nicht nur Strom. Den Großteil unserer Energie nutzen wir in Form von Wärme. Und auch die lässt sich im großen Maßstab speichern – über Jahreszeiten hinweg.
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Aufschluss sollten Tests liefern, die EWE zusammen mit Forschungsinstituten in den letzten Jahren unter dem Rüdersdorfer Boden durchgeführt hat. An einem vergleichsweise kleinen 500-Kubikmeter-Hohlraum haben EWE-Techniker erprobt, wie Bau und Betrieb einer dichten Wasserstoffkaverne grundsätzlich gelingen können. Zugleich untersuchten Energieforscher des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR), welche Qualität der Wasserstoff nach dem Speichern hat. Denn gerade die für die Zukunftsmobilität begehrten Brennstoffzellen erfordern eine Reinheit von zumindest 99,97 Prozent. Zwischen eine Million Wasserstoffmoleküle dürfen sich also höchstens 300 verunreinigende Fremdmoleküle mogeln, sonst kann die Brennstoffzelle schneller altern oder an Leistung verlieren. Verursacher solcher Verunreinigungen können auch Mikroorganismen sein, die den Wasserstoff in den Kavernen in Fremdmoleküle umwandeln. Ob das bei der Versuchskaverne der Fall war, untersuchte die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR).
Das erfreuliche Ergebnis des langjährigen Forschungsprojekts lautet zusammengefasst: Ja, es klappt – sogar besser als gedacht. Doch es gibt einiges zu beachten. Denn das entnommene Gas soll nicht nur rein sein – es darf auch nirgendwo unkontrolliert austreten.
Schwachstelle Zement
Wer sich über das Rüdersdorfer EWE-Gelände bewegt, nimmt weder störende Gerüche noch Geräusche wahr. Einige extrem laute technische Anlagen, etwa der lastwagengroße Kolbenverdichter, befinden sich in schallgeschützten Gebäuden. Er komprimiert das Gas auf bis zu 160 Bar, bevor es in der Tiefe eingelagert wird. »Das ist quasi der Motor, der die ganze Geschichte antreibt«, sagt der Maschinentechniker Dennis Buikis.
Mit Helm, Sicherheitsschuhen und Flammschutz-Arbeitskleidung führt er über die Anlage. Hier gilt: rennen verboten, immer auf dem Weg bleiben oder dem Techniker ordentlich folgen und stets den Weisungen von Mitarbeitern nachkommen. »Auf einem Gasspeicher haben wir erhöhte Explosionsgefahr«, erklärt Buikis. Elektronische Geräte wie ein Aufzeichnungsgerät und ein Smartphone dürfen nur deswegen mitgeführt werden, weil der Maschinentechniker den »Schnüffler« dabei hat – das mobile Gaswarngerät meldet selbst allerkleinste Mengen von Erdgas oder Wasserstoff.
»Der neuralgische Punkt sind dabei die Bohrlöcher, nicht die Kaverne selbst«Hayo Seeba, Verfahrensingenieur
Denn sehen oder gar riechen kann man eine Leckage nicht. Der typische Gasgeruch, den man von Kochherden kennt, entsteht durch die CH4-Odorierung. Der markante Duft wird dem Erdgas erst im Gasverteilnetz und nicht schon am Speicher beigemischt, damit das sonst geruchlose Gas für den Endverbraucher wahrnehmbar wird.
Die Frage, ob eine reine Wasserstoffspeicheranlage anders aussähe als ein Erdgasspeicher, verneint Buikis lächelnd. Als Laie würde man oberflächlich keinen Unterschied erkennen, da die Rohrleitungen und die meisten Maschinen identisch sind. Eine Wasserstoffanlage erfordert allerdings zum Beispiel spezielle Flansche und Verbindungsstücke zwischen den Rohren, denn gegen Wasserstoff, das kleinste aller Moleküle, müssen sie besser abgedichtet werden als gegen Erdgas, damit es nicht entfleucht.
Undichte Stellen zu vermeiden, das ist auch die große Herausforderung beim Kavernenbau. »Der neuralgische Punkt sind dabei die Bohrlöcher, nicht die Kaverne selbst«, verrät Verfahrensingenieur Hayo Seeba. Als Leiter des Forschungsprojekts bei EWE plante und koordinierte er die vielen Tests, bei denen Gas unter verschiedenen Drücken zunächst eingespeichert und anschließend gemessen wird, ob es ungewollt an einer undichten Stelle wieder austritt.
Die Zuleitung zur Kaverne, also die Bohrung durch das Erdgestein, ist mit Stahlrohren ausgekleidet. Ganz oben, am »Kopf«, lässt sie sich dann zwar dicht verschließen, aber zwischen der Außenwand der Stahlrohre und dem Gestein verbleibt ein Freiraum. Dieser wurde mit Spezialzement verfüllt. Das Rohr im Bohrloch besteht genau genommen aus mehreren ineinander verschachtelten, konzentrischen Rohren mit Durchmessern zwischen knapp 8 und 33 Zentimetern, deren Übergänge ebenfalls abgedichtet werden.
Bevor allerdings Gas durch die ineinander verbauten Rohre fließt, dienen sie der gezielten Aussolung einer Kaverne: Durch eines der Rohre wird kontinuierlich Frischwasser in den Untergrund gepresst, um dort Salz herauszulösen. Das so entstehende Salzwasser, die Sole, fließt anschließend durch einen Ringspalt an die Oberfläche. Von dort wird es dann durch eine Soleleitung direkt in poröse untertägige Salzgesteinsschichten befördert.
»Durch das Versetzen der Rohre zueinander in der Teufe, also der Höhe, steuern wir beim Speicherbau, wie die Kavernen ausgehöhlt werden«, erklärt Seeba. So entstehen in vielen Hundert Metern Tiefe Hohlräume, die beispielsweise einer stehenden Zigarre gleichen. »In unsere 500 Kubikmeter große Testkaverne passt vom Volumen her ein Einfamilienhaus. Die Aussolung dauerte nur 80 Tage.« Der Bau eines Hohlraums von bis zu einer Million Kubikmetern, so wie es für den kommerziellen Betrieb einer solchen Kaverne nötig wäre, bräuchte deutlich länger. Als letzter Schritt beim Bau wird dann die Sole mit dem einzulagernden Wasserstoff unter Hochdruck herausgepresst. Ein kleiner Rest bleibt jedoch immer am Boden zurück.
Eine zementierte Bohrung gab es in Rüdersdorf bereits seit mehr als zehn Jahren. Sie war in den 2000ern eigentlich für den Bau einer weiteren Erdgaskaverne vorgesehen, die aus wirtschaftlichen Gründen aber nie ausgesolt wurde. Für das Wasserstoffprojekt erwies sich das als Glücksfall, denn das sparte nicht nur Zeit, sondern auch millionenteure Bohrkosten. Als die EWE-Techniker die Kavernenbohrung aber für den Betrieb mit Wasserstoff umrüsten wollten, kam es zu Problemen: Der Druck im Speicher nahm stetig ab. Das Gas trat aus, Wasserstoff entfleuchte. »Ein herber Rückschlag«, erinnert sich Seeba. Die geplante Experimentserie drohte zu scheitern.
Doch der Einsatz von noch mehr Technik, Sensoren und Gasanalytik lieferte die Ursache. In das bestehende Rohr war ein zusätzliches, neues Rohr eingebaut worden, das gegenüber dem vorherigen durch Zement abgedichtet wurde. Es stellte sich heraus: Während die ältere, äußerste Zementation zur Gesteinswand hin komplett dicht war, galt das nicht für die neue Zementschicht. Das Problem ließ sich dann einfach lösen, indem die Techniker den Kavernenkopf vollständig wie mit einem Korken verschlossen.
Für den Beginn der wissenschaftlichen Tests gab es schließlich grünes Licht. Dennoch sieht Seeba weiteren Forschungsbedarf für die Zusammensetzung des Zements. Und künftigen Kavernenbauern empfiehlt er: »Jedes Mal im Einzelnen prüfen, ob das neu Verbaute auch gegenüber Wasserstoff wirklich dicht ist.«
Eingang zur Unterwelt
Vor einem Platz mit drei von Baugerüsten umschlossenen Türmen bleiben Seeba und Buikis stehen. Jeder der Türme ist ein Zugang – ein Kopf – zu drei tiefen Gaskavernen in der Nähe. Heute sind hier am Feldrand nur Krähen zu hören und es ist menschenleer. An anderen Tagen tummeln sich an diesem Ort behelmte Forschende mit persönlicher Schutzkleidung. Am Kavernenkopf hängt das Ventil, der »Hahn«, aus dem sie regelmäßig mit Spezialflaschen ihre Wasserstoffproben abzapfen.
Einer von ihnen ist der Physikingenieur Michael Kröner, der das Teilprojekt zur Spurenanalytik am DLR-Institut für Vernetzte Energiesysteme in Oldenburg leitete. Sein Auftrag war es, die genaue prozentuale Zusammensetzung des Kavernengases zu bestimmen – möglichst auf fünf Nachkommastellen genau. Und das ist bereits grob, denn gewisse Stoffe würden Brennstoffzellen sogar schon in viel geringeren Konzentrationen schädigen: »Von schwefelhaltigen Molekülen dürfen wir laut DIN-Norm nur vier Teile pro Milliarde im Wasserstoff haben«, erklärt Kröner, »und das muss die Gasanalytik erst mal nachweisen können«.
»Von schwefelhaltigen Molekülen dürfen wir nur vier Teile pro Milliarde im Wasserstoff haben«Michael Kröner, Physikingenieur
Und das tut sie auch: In Oldenburg steht zur hochempfindlichen Gasanalyse ein Gerät mit dem sperrigen Namen Ionen-Molekül-Reaktions-Massenspektrometer. Davon gibt es in Deutschland für diesen Zweck nur eine Handvoll, und weltweit gibt es kaum noch weitere. Dieses Spezialinstrument musste aber erst angepasst werden, um sogar allerkleinste Konzentrationen von Molekülen mit ähnlichen Massen unterscheiden zu können. Als das nach Monaten gemeistert war, befüllte Kröners Team spezielle Hochdruckflaschen mit »superreinem« Wasserstoff (99,9 999 999 Prozent). »Wir wollten ja sicher sein, dass wir nicht etwas messen, das vielleicht vorher schon im Behälter drin war.«
Fortan pendelten die DLR-Energieforschenden regelmäßig zwischen Oldenburg und dem fast 500 Kilometer entfernten Rüdersdorf – nicht selten mit dem institutseigenen Brennstoffzellenfahrzeug – , um die vorbereiteten Flascheninhalte mit dem zu analysierenden Kavernengas auszuspülen. Das entnahmen sie bei den Dichtigkeitstests mit den verschiedenen Gasdrücken. Im Oldenburger Labor analysierten sie im Anschluss ihre Vorher-nachher-Proben.
Mikroorganismen auf der Spur
Komplizierter gestaltete sich die Probennahme für die Mikrobiologin Anja Dohrmann von der BGR. Sie hatte sich aus gutem Grund über das beheizte Zelt um den Kavernenkopf gefreut. Denn wenn sie von der damals noch solegefüllten Kaverne die 60 Grad warme Sole abzapfte, musste sie sich bei winterlichen Außentemperaturen besonders sputen. Bei der Kälte fallen Salze in einem Zeitfenster von weniger als 15 Minuten aus und erschweren die Filtration der Mikroorganismen, denen sie auf der Spur ist.
»Die Kaverne ist kein unbelebter Raum«Martin Krüger, Mikrobiologe
»Die Kaverne ist nämlich kein unbelebter Raum«, erklärt ihr Kollege Martin Krüger. Gerade beim Solen gelangen Mikroorganismen in die Kaverne, die einen Mikrokosmos mit unerwünschten Nebenwirkungen bilden könnten. Von Erdöl- und Erdgaskavernen sind Mikroben bekannt, die in den Resten der Sole am Kavernenboden leben. Dohrmann untersuchte deswegen die Mikroorganismen in dem Teichwasser, das die EWE zum Solen nutzte – einmal vor dem Einbringen und noch einmal, nachdem es mit Salz gesättigt wieder herausgefördert wurde. Sie wollte wissen, ob die Mikroorganismen aus dem Teich in der Kaverne überleben können, obwohl sich ihre neue Umgebung im Vergleich zum Teich gravierend veränderte. Salzgehalt und Temperatur sind in der Tiefe deutlich höher, ebenso der Druck – um das Hundertfache.
Viele Mikroorganismen können ihren Stoffwechsel auf Wasserstoff umstellen, wodurch sie wiederum Gase produzieren, die den Wasserstoff verunreinigen. Um herauszufinden, ob solche auch unter den Rüdersdorfer Bedingungen aktiv werden, filterte Dohrmann die abgezapften Soleproben und füllte sie in die sterilen, mit Stickstoff oder Argon vorbefüllten Flaschen. Noch am selben Abend eilte sie mit ihnen ins BGR-Labor nach Hannover, wo alles für die DNA-Analytik und weitere Langzeitexperimente bereitstand. In Infusionsflaschen und in Hochdruckreaktoren – das sind quasi Dampfdrucktöpfe mit einem komplizierten Deckel – sollten die Kavernenbedingungen nachgestellt und die Mikrobenaktivitäten unter kontrollierten Temperatur-, Salz- und Druckverhältnissen untersucht werden. Ein Jahr lang erfassten Chromatografen in regelmäßigen Abständen die Gaszusammensetzungen.
Einiges, das bei den vorangegangenen Gasanalysen am DLR rätselhaft erschien, konnten die BGR-Experimente im Hochdruckreaktor schließlich erklären, etwa, warum die Kohlendioxidkonzentration im Rüdersdorfer Gas während der Tests geringfügig anstieg. Als Verursacher identifizierte Dohrmann hier bestimmte Mikroorganismen, die zwar keinen Wasserstoff umsetzen, dafür aber fermentierten und infolgedessen Kohlendioxid bildeten.
Jede Kaverne ein Individuum
Dohrmann freut sich über das wichtigste Ergebnis ihrer Untersuchung: »Es wurden zwar tatsächlich wasserstoffverwertende Mikroorganismen in diese Kaverne eingebracht, aber diese scheinen den Umgebungswechsel nicht überlebt zu haben.« Obwohl sich deren DNA nach einigen Monaten noch nachweisen ließ, setzten sie ein Jahr später weder Wasserstoff um noch produzierten sie andere typische Stoffwechselprodukte. »Das Ganze ist also vielversprechend. Hier sieht es gut aus.« Doch diese Resultate sind nicht allgemeingültig. »Man muss wirklich in jeden Einzelfall hineingucken. Es gibt beispielsweise Berichte über Sulfatreduzenten in anderen Salzkavernen, die mit Meer- statt mit Teichwasser gesolt wurden. Da wären unsere Studienergebnisse nicht direkt übertragbar.«
Für die Wasserstoffmobilität und die dafür nötigen großtechnischen Speicher macht der Abschlussbericht aber Hoffnung. Die DLR-Spurenanalytik wies in mehrfachen Versuchen bei allen Rüdersdorfer Bedingungen eine Reinheit von über 99,95 Prozent nach. »Diese Reinheit hat uns alle überrascht«, sagt Kröner. »Wir hatten größere Verunreinigungen erwartet.« Zum Beispiel rechneten die Fachleute mit höheren Wassergehalten im Wasserstoff wegen des Restwassers, das ja immer in der Kaverne verbleibt. »Es ist also ein sehr, sehr positives Ergebnis im Sinne der Wasserstoffnutzung in Kavernen.«
Doch was wird aus der Reinheit, wenn die Kaverne gar nicht frisch ausgesolt, sondern von einem Erdgasspeicher umgewidmet wird? Selbst wenn eine Kaverne mit Wasser gründlich ausgespült wird, können Gasreste in kleinen Gesteinsporen und -rissen verbleiben. Es muss sich noch zeigen, inwieweit dieses übrig gebliebene Erdgas die Reinheit beeinträchtigt. »Auch bei der Umwidmung von Erdölkavernen wird es wichtig werden, zu wissen, welche Reststoffe im Gas verbleiben, die dann ja gegebenenfalls aufgereinigt werden müssen«, betont Kröner.
Seeba ist da optimistisch, denn nur der Wasserstoff für die Mobilität erfordert eine 99,97-prozentige Reinheit. Für viele andere Anwendungen genügten 98 Prozent. Speziell für die Mobilität eignen sich also neu gesolte Speicher, die ohnehin gebaut werden müssen. Erste Spatenstiche sind getan. Auch EWE baut nach den erfolgreichen Rüdersdorfer Experimenten einen großtechnischen Wasserstoffspeicher im norddeutschen Huntorf im Landkreis Wesermarsch. Die Anlage – eine von der Erdgas- auf die Wasserstoffspeicherung umgerüstete Kaverne – soll in wenigen Jahren fertiggestellt sein und in Kombination mit Erzeugungsanlagen und Pipelineinfrastruktur die Region zu einem Zentrum der Wasserstoffwirtschaft avancieren lassen.
Aber warum ausgerechnet dort? Mehrere Kriterien machen einen Standort, Seeba zufolge, attraktiv für den Bau einer neuen Kaverne. Zunächst muss es im Untergrund mächtige Schichten von Steinsalz in ausreichender Qualität geben, denn es ist gegenüber Gasen dicht. Obgleich auch andere Wirtsgesteine denkbar sind, hat sich Salzgestein generell für Kavernen bewährt. Bereits in der DDR gab es reichlich positive Erfahrungen mit Salzkavernen – für die Speicherung von sogenanntem Stadtgas, einem Gemisch aus verschiedenen Gasen inklusive Wasserstoff. Geologisch gesehen eignet sich Norddeutschland generell für große Speicher, denn als das Zechsteinmeer vor 250 Millionen Jahren austrocknete, entstanden dort mächtige Salzschichten im Untergrund.
Doch nur eine mächtige Schicht aus Salzgestein genügt nicht für den Bau einer Kaverne. Es muss auch Möglichkeiten geben, die Sole zu verwerten oder zu entsorgen, und es braucht obertägig ausreichend Platz für die Technik. Darüber hinaus sollte ein Standort vermarktungstechnisch Sinn machen und daher am sogenannten Wasserstoff-Kernnetz liegen, also in der Nähe einer der großen wasserstoffführenden Pipelines, die sich künftig über Deutschland spannen sollen.
»Es wäre spannend zu verfolgen, ob andere Mikroorganismen irgendwann doch Wasserstoff zu verwerten beginnen«Anja Dohrmann, Mikrobiologin
Für den Ausbau der Wasserstoffinfrastruktur drängt Seeba auf klare politische Vorgaben, etwa darauf, mit welcher Qualität der Wasserstoff speicherseitig ins Netz gespeist werden soll. Geringere Reinheiten von 98 Prozent würden den Speicherbetrieb vergünstigen, dann müsste der Wasserstoff aber, wo nötig, durch den Abnehmer nachträglich gereinigt werden. Obwohl sich viel von der Erdgasinfrastruktur übernehmen lässt, sind Wasserstoffspeicher noch kaum verbreitet.
Zudem fehlt es an Langzeiterfahrungen mit dem Betrieb der Anlagen. Dabei plädiert die BGR-Forscherin Dohrmann dafür, stets an die Mikrobiologie zu denken. »Es wäre beispielsweise spannend zu verfolgen, ob sich die fermentierenden Mikroorganismen über die Jahre halten. Oder ob andere Mikroorganismen irgendwann doch Wasserstoff zu verwerten beginnen.« Solche offenen Fragen sollten der Kavernenspeicherung aber nicht im Wege stehen. Vielleicht sollte die Devise also heißen: machen und lernen.
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