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Unterirdische Speicher: Sommerwärme für den Winter

Kraftwerke, Solaranlagen oder Rechenzentren erzeugen auch im Sommer Wärme – die dann niemand braucht. Tief unter der Erde können Gestein und Grundwasser sie aufnehmen und im Winter ganze Stadtteile damit beheizen.
Stadtansicht von Berlin bei Sonnenuntergang, mit dem Fernsehturm im Vordergrund. Der Himmel ist klar mit vereinzelten Wolken, und die Sonne geht am Horizont unter, was die Gebäude in warmes Licht taucht. Die Stadtlandschaft zeigt eine Mischung aus modernen und historischen Gebäuden.
Im Winter fehlt die Wärme, von der man im Sommer zu viel hat. Unterirdische Speicher werden die Wärme künftig über Jahreszeiten hinweg aufbewahren. An verschiedenen Orten entstehen derartige Anlagen, unter anderem in Berlin.

Während Abgeordnete im Deutschen Bundestag noch über die Energiewende debattieren, wird sie tief unter ihren Füßen bereits vollzogen. Dort, im Erdreich, befindet sich nämlich ein besonderer Speicher. Er nimmt im Sommer überschüssige Wärme auf und wärmt damit in der kalten Jahreszeit Füße, Büros und Sitzungssäle der Abgeordneten. Umgekehrt speichert er aber auch die Kälte des Winters und klimatisiert damit im Sommer die Parlamentsbauten.

Für diesen saisonalen Wärmespeicher bohrten Techniker Ende der 1990er Jahre mehrere Löcher in den Untergrund. Einige führen 300 Meter in die Tiefe, bis hinein in eine Schicht aus Sandstein, dessen Poren mit Wasser gefüllt sind. Es handelt sich um einen sogenannten Aquifer – eine grundwasserführende Gesteinsschicht. Sie ist ein hervorragender Wärmespeicher.

Rohre verbinden dieses Wasserreservoir mit dem nahegelegenen Blockheizkraftwerk, das im Sommer nicht nur Strom, sondern auch eine große Menge an Abwärme produziert. Damit wird das 20 Grad warme Grundwasser auf 60 Grad aufgeheizt und anschließend wieder in den Untergrund gepumpt. Im Winter wird es erneut nach oben gefördert und hilft, den Reichstagsbau und vier anliegende Gebäude zu wärmen. Immerhin 77 Prozent der eingespeicherten Wärme gewinnt die Anlage so zurück.

Noch effizienter funktioniert der zweite Teil dieses Systems: der Kältespeicher. Aus einer anderen Grundwasserschicht in 30 bis 60 Metern Tiefe wird dort im Winter Wasser mit elf Grad gefördert und vor dem Reichstagsgebäude auf sechs Grad heruntergekühlt, bevor es wieder ins Erdreich gelangt. 40 Prozent der nötigen Kälteenergie deckt dieser Speicher im Sommer, und immerhin fünf Prozent der Heizenergie im Winter.

»Der Reichstagsspeicher ist interessant, weil er sehr früh gebaut wurde, und mit Technik, die damals innovativ war«, sagt Ingo Sass. Am GFZ Helmholtz-Zentrum für Geoforschung leitet er die Sektion Geoenergie. »Aber heute würde man einen solchen Speicher mit zwei unterschiedlich tiefen Aquiferen auf keinen Fall mehr errichten.« 

Bohrung vor dem Parlament | 1996 wurden vor dem Reichstagsgebäude die ersten Löcher für den Aquiferspeicher gebohrt.

Anstich zum größten Wärmespeicher Deutschlands

Wie man heute stattdessen vorgeht, zeigt sich in einem Projekt 20 Kilometer südöstlich des Reichstags – allerdings in einer völlig anderen Größenordnung. Auf dem Gelände des Technologieparks Adlershof befindet sich seit September 2024 ein 400 Meter tiefes Loch. Hier soll Deutschlands größter Wärmespeicher einmal 30 Gigawattstunden an Wärme vom Sommer in den Winter retten. Das entspricht einem Fünftel des Wärmebedarfs des südöstlichen Berlins.

Das Holzheizkraftwerk Neukölln, das heute schon 60 Prozent der nötigen Fernwärme für diesen Stadtteil bereitstellt, ist im Winter vollständig ausgelastet und muss durch fossil erzeugte Wärme ergänzt werden. Doch statt das Holzkraftwerk weiter auszubauen, soll es künftig lieber auch im Sommer heizen – und einen Wärmevorrat für den Winter anlegen.

»Für die städtische Fernwärmeversorgung sind solche tiefen Aquiferspeicher besonders attraktiv«Marie-Claire Gering, Expertin für Energiesysteme

Dafür braucht es den unterirdischen Wärmespeicher, den der Berliner Wärmeversorger BTB mit wissenschaftlicher Unterstützung durch das GFZ baut. Ab 2027 soll das Kraftwerk dort das 23 Grad warme Tiefenwasser auf bis zu 95 Grad aufheizen, bevor es – einige Hundert Meter entfernt – in die gleiche Gesteinsschicht zurückgepumpt wird. In der kalten Jahreszeit wandert das Wasser dann vom warmen Teil des Aquifers zurück zum kalten.

Dabei durchströmt es eine Großwärmepumpe. Sie hebt die Temperatur noch etwas weiter an und speist die Wärme ins Fernwärmenetz der Stadt ein. 85 Prozent der eingespeicherten Wärme wollen die Projektpartner so wiedergewinnen. Klappt alles wie geplant, könnte das nahegelegene Steinkohlekraftwerk Schöneweide dann ein Viertel weniger Steinkohle verbrennen als heute.

GeoSpeicherBerlin | Der Aquiferspeicher in Berlin-Adlershof besteht aus einer kalten (blau) und einer warmen Seite (rot). Im Sommer wird der Speicher beladen: Wasser wird von der kalten Seite aus dem Boden gepumpt, mit Wärme aus dem Holzheizkraftwerk aufgeheizt und auf der warmen Seite des Aquifers eingespeichert. Während der Entladung im Winter läuft der Prozess in die andere Richtung. Die Wärme von der warmen Seite geht dann entweder direkt in das Fernwärmenetz über oder die Temperatur wird mit Hilfe einer Wärmepumpe noch weiter angehoben.

Konflikte mit der Berliner Trinkwasserversorgung gibt es hier nicht. Der sogenannte GeoSpeicherBerlin nutzt Grundwasser aus einer 350 bis 400 Meter tiefen Sandsteinschicht, die nach unten und oben hin durch eine wasserundurchlässige Tonschicht abgedichtet ist. Trinkwasser gewinnt die Stadt aus maximal 140 Metern Tiefe. »Für die städtische Fernwärmeversorgung sind solche tiefen Aquiferspeicher besonders attraktiv«, sagt Marie-Claire Gering vom unabhängigen und gemeinnützigen Reiner-Lemoine-Institut. Im Auftrag der Berliner Senatsverwaltung hat die Expertin für Energiesysteme die Wärmespeicherpotenziale für die Stadt untersucht. »Die Aquifere können große Energiemengen bei geringem Flächenbedarf speichern und, wenn sie außerhalb von Schichten zur Trinkwassergewinnung liegen, auch höhere Temperaturen aufnehmen.«

Das ist ein entscheidender Unterschied zu den 2800 bereits bestehenden, oberflächennahen Aquiferspeichern – die meisten davon in den Niederlanden –, die aus Trinkwasserschutzgründen nur um wenige Grad erwärmt werden dürfen und damit bei Weitem nicht so effizient sind. Für die Fernwärmeversorgung braucht es Speicher, die mit deutlich höheren Temperaturen beladen werden dürfen.

Deutschlands unterschätzter Untergrund

Die Bedingungen für den Ausbau dieser Speichertechnik in Deutschland sind gut. Unter mehr als der Hälfte des Territoriums, darunter Großstädte wie Köln, Hamburg, München und Frankfurt, finden sich grundwasserführende Gesteinsschichten, die sich gut oder sehr gut für solche Speicher eignen, und wo darüber hinaus keine Nutzungskonflikte mit der Trinkwasserversorgung zu erwarten sind.

Speichertauglicher Untergrund | Allein für Niedrigtemperatur-Aquiferspeicher eignen sich 54 Prozent der Fläche in Deutschland, wie Fachleute des Karlsruher Instituts für Technologie berechnet haben. Besonders groß ist das Potenzial demzufolge im Norddeutschen Becken, im Oberrheingraben und im Süddeutschen Molassebecken.

Bis der Berliner Speicher in Betrieb geht, wird der Untergrund dort aber noch ausgiebig analysiert. »Im Moment machen wir Hot-Push-Pull-Tests«, sagt Ingo Sass. »Wir injizieren heißes Wasser mit verschiedenen Drücken in die Probebohrung und pumpen es dann sofort wieder heraus.« Über die Temperaturdifferenz von ein- und ausströmendem Wasser erkunden die GFZ-Forscher das thermische und hydrothermale Verhalten des Speichers.

Sass ist optimistisch, auch wenn die Messungen zum Zeitpunkt der Recherche noch nicht ausgewertet waren: »Das Aufladen und Entnehmen von Wärme in dem Speicher funktioniert besser, als wir das zuvor anhand von Berechnungen erwartet haben. Jetzt wollen wir aber auch verstehen, warum das so ist.« Anhand der Ergebnisse wird der Wärmeversorger BTB dann das finale Design des Speichers auslegen, also vorgeben, wie viele Löcher in welchem Abstand gebohrt werden und unter welchen Drücken das System betrieben wird.

»Ich bin überzeugt, dass saisonale Wärmespeicher künftig weiter an Bedeutung gewinnen«, erwartet Marie-Claire Gering. »Die Speicher können überschüssige Wärme aus Solarthermie, Industrie oder Rechenzentren über Monate hinweg nutzbar machen, sodass sie nicht einfach ungenutzt in die Umwelt entweichen muss.« Ingo Sass ergänzt: Für Betreiber von fossilen Kraftwerken würde sich sogar ein zusätzliches Geschäft ergeben, wenn sie die Abwärme verkaufen können, die im Sommer bei der Stromproduktion entsteht.

Alternativen in und über der Erde

Dabei sind Aquiferspeicher bei Weitem nicht die einzige Möglichkeit, Wärme über Jahreszeiten hinweg aufzubewahren. Heute schon findet man Wohnquartiere, die ihre im Sommer erzeugte Wärme aus Solarthermieanlagen über Erdrohre im oberflächennahen Boden speichern. Etwas größer im Maßstab und umso kurioser erscheinen Anlagen wie die neben dem Berliner Bürogebäude Dockyard, die Wärme in Form von Eis speichern. Als Speicher dient hier ein stillgelegter Eisenbahntunnel, der, mit Wasser geflutet, thermische Energie über die Kristallisationswärme freigibt, die beim Gefrieren von Wasser entsteht. Im Ruhrpott soll Wärme in Wasser von stillgelegten Kohlegruben aufgenommen werden.

Geothermische Speicher | Wasser in oberflächennahen Niedertemperatur-Aquiferspeichern wird auf Temperaturen bis zu 30 Grad aufgeheizt. In den typischerweise deutlich tieferen Hochtemperaturspeichern dürfen die Aquifere auf Temperaturen jenseits der 50 Grad aufgeheizt werden, was ihren Einsatz in Fernwärmenetzen interessant macht. Auch Erdwärmesondenspeicher übertragen solche hohen Temperaturen in tiefe Bodenschichten. Bei ihnen bleibt die wärmetragende Flüssigkeit allerdings in einem geschlossenen System – sie zirkuliert also in einem u-förmigen oder konzentrischen Rohr und vermischt sich nicht mit dem Grundwasser.

Die weithin sichtbaren Zeugen der Wärmespeicher-Technologie sind jedoch die riesigen »Thermoskannen«, die in etlichen Städten aus dem Boden wachsen. Die teils mehr als 50 Meter hohen Stahlbehälter dienen als Pufferspeicher für die Fernwärmeversorgung. Sie können überschüssige Energie sehr schnell aufnehmen und wieder abgeben. Doch sie brauchen Platz. Und sie speichern Wärme nur über Stunden, bestenfalls über Tage. »Als saisonale Speicher im großstädtischen Maßstab sind sie voraussichtlich nicht konkurrenzfähig – weder in Bezug auf die Kosten, noch mit Blick auf städtebauliche Einschränkungen«, sagt Marie-Claire Gering. Flächenverfügbarkeit, das jeweilige Genehmigungsrecht und, wo welche Abwärme oder erneuerbare Wärme vorhanden ist, entscheiden Gering zufolge darüber, welcher Speicher sich für einen bestimmten Standort eignet.

»Thermoskanne« | Der 55 Meter hohe stählerne Wärmespeicher in Rostock ist mit Wasser gefüllt, das mit überschüssigem Wind- und Solarstrom aufgeheizt wird.

Für den Stadtrand und für weniger dicht besiedelte Regionen sind etwa auch wassergefüllte Erdbecken attraktiv. Ein Beispiel findet sich im baden-württembergischen Hechingen. Dort wurde in einer ehemaligen Erddeponie eine elf Meter tiefe Grube mit Wasser gefüllt und mit einem Kunststoffdeckel belegt. Im Sommer wird das Wasser über Solarkollektoren auf bis zu 95 Grad erhitzt, bis weit in den Winter hinein wärmt es dann die Wohnungen von rund 1500 Menschen im nahegelegenen Neubaugebiet. 70 Prozent des Wärmebedarfs würden darüber gedeckt, haben die Projektverantwortlichen berechnet.

Erdbeckenspeicher in Hechingen | Wasser in der elf Meter tiefen Grube wird durch Solarenergie aufgeheizt und versorgt im Winter rund 1500 Menschen im nahegelegenen Neubaugebiet mit Wärme. Der Speicher ist heute in Betrieb, das Bild zeigt einen Eindruck aus der Bauphase.

Konkurrenzlos effizient, doch nicht überall möglich

Aller Speichervielfalt zum Trotz: Am effizientesten arbeiten Aquiferspeicher. Allerdings kann man nicht überall Wasser aus dem Untergrund nehmen und thermisch aufladen. Mal spricht die Trinkwasserversorgung dagegen, in anderen Fällen die Geologie vor Ort. »Wenn Sie im Untergrund kein Aquifergestein zur Verfügung haben, dann sind Erdwärmesondenspeicher eine besonders interessante Option«, sagt Ingo Sass.

Ähnlich wie beim Aquiferspeicher leiten auch bei dieser Technologie Rohre aufgeheiztes Wasser Hunderte Meter in den Untergrund, wo es seine Wärme an das Gestein abgibt. Allerdings läuft das Wasser hier in einem geschlossenen Kreislauf. Es strömt beispielsweise durch ein konzentrisches Rohr in die Tiefe, gibt dort seine Wärme an Gestein und Grundwasser ab und strömt dann durch dasselbe Rohr wieder nach oben, ohne dass es sich mit dem Grundwasser vermischt. »Wir haben im Untergrund fast aller Städte in Deutschland Granite und sehr dichte Gesteine. Da können dann nur solche Erdwärmesondenspeicher eine Rolle spielen.«

Themenwoche »Energiespeicher«

Ausbau der Erneuerbaren: läuft. Bau neuer Stromtrassen: geht voran. Doch erst Speicher machen die Energiewende komplett. In dieser Themenwoche nehmen wir kleine und große Batterien, Wasserstoffspeicher und Biogas in den Blick. Sie stabilisieren das Stromnetz in Millisekunden oder überbrücken tagelange Dunkelflauten. Doch Energie ist nicht nur Strom. Den Großteil unserer Energie nutzen wir in Form von Wärme. Und auch die lässt sich im großen Maßstab speichern – über Jahreszeiten hinweg.

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In Crailsheim im nördlichen Baden-Württemberg tun sie das bereits. Auf einem ehemaligen Militärgelände führen hier 80 u-förmige Rohre, die Erdwärmesonden, 55 Meter tief in den Boden – und bleiben damit soeben noch oberhalb der Grundwasserschicht. Das System versorgt Schule, Sporthalle und ein Neubaugebiet mit 260 Wohneinheiten mit Nahwärme, die im Sommer über Solaranlagen gewonnen wird. Die Anlage deckt dort die Hälfte des winterlichen Wärmebedarfs und hat Modellcharakter für weitere Speicher dieser Art.

Mit neuen Techniken Konflikten vorbeugen

Darmstädter Fachleute bohren bei dieser Technologie noch tiefer. An einer unscheinbaren Brachfläche, dort, wo der Campus der Technischen Universität Darmstadt endet und der Wald noch nicht angefangen hat, arbeiten die Geowissenschaftler Markus Schedel und Matthias Krusemark an der Wärmewende. »In oberflächennahen Speichern wie in Crailsheim darf man das Temperaturniveau meist nicht so stark anheben, da es dort häufiger zu Konflikten bei der Nutzung von Grundwasser zur Trinkwassergewinnung kommt«, sagt Schedel.

Die beiden Wissenschaftler stehen vor einem Baucontainer. Er ist über mehrere silberglänzende Rohre mit drei hydrantengleichen blauen Stutzen verbunden, die nebenan aus dem Boden sprießen. Die Stutzen – auch Sondenköpfe genannt – stehen im Dreieck, jeder acht Meter vom nächsten entfernt.

»Wir wollen die Wärme zwischen mehreren, dicht sitzenden Erdwärmesonden in einem heißen Kern halten«Matthias Krusemark, Geowissenschaftler

Viel interessanter ist jedoch, was darunter passiert. Von den Stutzen abwärts führen drei Bohrungen 750 Meter tief in eine Schicht aus kristallinem Granit. Das zu schaffen, war besonders bohrtechnisch herausfordernd. Nicht wegen der Tiefe, sondern weil es darum ging, Löcher zu hinterlassen, die auch Hunderte Meter unter der Erde noch möglichst parallel zueinander verlaufen – und zwar mit der vergleichsweise günstigen Wasserhammer- anstelle der teuren und aufwendigen Richtbohrtechnik. »Wir brauchen mehrere Erdwärmesonden, die sehr dicht aneinander sitzen, sodass wir die Wärme zwischen den Sonden in einem heißen Kern halten können«, erklärt Krusemark.

Erdwärmesonden-Speicher in Darmstadt | Unter den blauen Sondenköpfen leiten konzentrische Rohre Wärme in 750 Meter Tiefe. Im Container wird Wärme übertragen: Beim Beladen kommt die Wärme aus dem nahegelegenen Kraftwerk, beim Entladen wird thermische Energie an das Fernwärmenetz abgegeben.

Mit ihrer Technik umgehen die Wissenschaftler Konflikte mit der Grundwassernutzung. Die Rohre sind nämlich entlang der ersten 180 Meter mit einem thermisch isolierenden Baustoff umfasst. Erst weit unterhalb der Wasser führenden Aquiferschicht gibt das bis zu 90 Grad heiße Wasser im Rohr seine Wärme an den umliegenden Granit ab.

Erhitzt wird es mit überschüssiger Wärme aus dem nahegelegenen Blockheizkraftwerk, das den Campus mit Energie versorgt. »Nach und nach wollen wir auch eine Solarthermieanlage und die Abwärme von einem Hochleistungsrechner sowie vom Müllheizkraftwerk in der Stadtmitte ins System einbeziehen«, sagt Krusemark.

Die Überschusswärme, einmal in den Untergrund gepumpt, erwärmt das eigentlich 30 Grad warme Gestein auf bis zu 75 Grad. Im Winter holen die Wissenschaftler die Wärme über den Wasserkreislauf wieder heraus. Dadurch fällt die Temperatur im Gestein innerhalb von Tagen zunächst auf 45 Grad und dann im Laufe des Winters allmählich auf 33 Grad. Eine Wärmepumpe hebt die Temperatur des vorgewärmten Wassers dann auf 70 Grad und speist sie ins Fernwärmenetz der Universität ein.

Feintuning für größtmögliche Effizienz

Aktuell ist das Projekt im Versuchsstadium. Die Forscher suchen noch die optimalen Parameter für den Betrieb des Speichers. Erst dann können sie abschätzen, wie groß er einmal wird. »Es geht in dem Projekt auch darum, einen funktionierenden Prototypen zu bauen, an dem sich andere dann ein Beispiel nehmen und es vielleicht sogar besser machen können«, sagt Schedel. Krusemark ergänzt: »Über die drei Sonden, die wir heute haben, bekommen wir vielleicht 20 Prozent der eingespeisten Wärme wieder heraus. Effektiv wird der Speicher erst, wenn wir deutlich mehr Sonden in den Boden bringen.«

Würden aus den drei Bohrungen beispielsweise einmal 37, dann ließen sich darüber fast 80 Prozent der eingespeicherten Wärme wieder nutzen. Damit wäre der Speicher annähernd so effizient wie der Aquiferspeicher in Berlin-Adlershof.

Die Bohrindustrie stellt sich mittlerweile auf die Geothermie und Wärmespeicher ein, die im Vergleich zu Gasbohrungen größere Bohrdurchmesser brauchen

Welche Speichertechnologie eignet sich also besser für die Wärmewende? »Wo es geht, sollte man Aquiferspeicher bauen«, sagt Ingo Sass, »es sei denn, man skaliert einen Erdwärmesondenspeicher sehr groß. Dann wird auch der sehr wirtschaftlich. Grundsätzlich gilt: Je größer der Speicher, desto effizienter und günstiger wird er.«

Spannend wird sein, was in den nächsten Jahren in der Bohrtechnik passiert, dem Hauptkostentreiber für alle Vorhaben in der Geothermie. »In nur drei Projekten in den letzten beiden Jahren haben wir die Bohrzeit gegenüber früher um 70 Prozent reduziert. Eine Bohrung kostet allein dadurch weniger als halb so viel wie zuvor.« Und dabei bleibe noch viel Luft nach oben. Je öfter ähnliche Bohrungen in großer Zahl durchgeführt würden, desto günstiger würden sie.

Erdbohrer | Für den Ausbau von saisonalen Wärmespeichern braucht es jährlich Löcher mit einer Gesamtlänge von bis zu 1000 Kilometern.

Die Bohrindustrie stellt sich mittlerweile auf die Geothermie und Wärmespeicher ein, die – anders als beim Anstechen von Gasfeldern – Bohrungen mit größerem Durchmesser brauchen.

Die Kosten sind vielversprechend, die Rechtslage noch nicht

Doch trotz aller Fortschritte in der Nutzung von Geothermie und bei unterirdischen Wärmespeichern: Wird es nicht weiterhin günstiger sein, fossile Energieträger zu verbrennen, statt Wärme im Untergrund zu speichern? Nein, findet Ingo Sass. Für den Darmstädter Speicher habe man Wärmegestehungskosten von neun bis elf Cent pro Kilowattstunde berechnet. Das liegt zwar über den Großhandelspreisen von Erdgas, die im Winter 2024/25 zwischen vier und sechs Cent lagen, aber auch unter den Preisen für Haushalte, die im Jahr 2025 inklusive Steuern und Abgaben etwa 12 Cent je Kilowattstunde zahlen, und die in Folge des CO2-Preises noch weiter steigen dürften. 

Sass verweist zudem auf die Erfolge bei der Nutzung von Geothermie. »Bei allen Energieversorgern, deren Fernwärme einen relevanten Anteil an Geothermie enthält, liegen die Abgabepreise niedriger als an Orten, wo fossile Energieträger dem Fernwärmenetz einheizen.« Die Geothermie sei also heute schon wettbewerbsfähig. »Und Speichersysteme werden das noch stark unterstützen.«

»Wir brauchen eine unterirdische Raumplanung, um den Untergrund je nach Tiefe unterschiedlich nutzen zu können«Ingo Sass, Experte für Geoenergie

Im Weg steht der Technologie vielerorts allerdings bislang die aktuelle Rechtslage. »Wenn Sie ein Bergrecht für die Wasserversorgung an einem Ort haben, dann hat das Gültigkeit von der Oberfläche bis zum Erdmittelpunkt«, erklärt Sass. In der Praxis heißt das: Fördert man Trinkwasser aus einer 50 Meter tiefen Grundwasserschicht, dann darf man darunterliegende Gesteine nicht für geothermische Zwecke nutzen, also auch nicht für Speicher. »Damit wir Wärmespeicher effizient einsetzen können, brauchen wir eine unterirdische Raumplanung, mit der wir den Untergrund je nach Tiefe unterschiedlich nutzen können.« Momenan läuft aber alles noch über Einzelfallgenehmigungen, was aufwendig und teuer ist.

Doch abseits der rechtlichen Fragen lauern auch noch Hürden für die praktische Umsetzung. »Allein für den Ausbau der Geothermie brauchen wir ungefähr Tausend Kilometer Bohrung pro Jahr. Nehmen wir Wärmespeicher dazu, werden es etwa doppelt so viel.« In den 1970er-Jahren hat man solche Bohrleistungen in Deutschland sogar geschafft, aber heute fehlen dafür die Kapazitäten. »Wir brauchen 300 000 Fachleute, um die CO2-Ziele der Bundesregierung zu erreichen – für die Bohranlagen, für die Planung, für die Umsetzung.« Der Engpass werde also nicht die technologische Reife sein, sondern der Mangel an Qualifikation und Personal.

In die Technologie zu investieren, sollte sich aber lohnen, denn saisonale Wärmespeicher sind ein wichtiges Instrument, um das Energiesystem flexibler zu machen. Das findet auch Marie-Claire Gering: »Wir sehen zudem, dass mit jedem neuen Pilotprojekt die Technik greifbarer wird: Stadtplaner, Versorger und Wohnungsunternehmen sammeln Erfahrungen, und das erleichtert den Weg in die breite Anwendung.«

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  • Quellen

Christidis, A. et al., Reiner-Lemoine-Institut gGmbH, Wärmespeicherpotenziale für das Land Berlin, 2025

Stemmle, R. et al., Geothermal Energy 10.1186/s40517–022–00234–2, 2022

Stemmle, R. et al., Grundwasser – Zeitschrift der Fachsektion Hydrogeologie 1007/s00767–025–00590–3, 2025

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