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News: Unterschätzter Nervenkitt

Die so genannten Gliazellen haben ihren Namen von einer speziellen Funktion: Sie halten nämlich Neuronen an ihrem Platz und regeln den intrazellulären Raum. Deshalb hält man sie seit langem lediglich für eine Art Leim, der die Nervenzellen zum Gehirn 'verklebt'. Doch neueren Untersuchungsergebnissen zufolge könnten die Gliazellen auch eine wichtige Rolle bei der Informationsverarbeitung spielen.
"Glia" kommt aus dem Griechischen und heißt Leim oder Kitt. Da man leimähnliche Funktionen bei gewissen Gehirnzellen feststellte, lag es nahe, ihnen diesen Namen zu geben: Gliazellen. Beim Menschen sind diese Zellen gegenüber den Neuronen weit in der Überzahl: Fast 90 Prozent aller Gehirnzellen zählen zu einem der drei Gliatypen – mehr als bei allen Tieren, die bislang untersucht wurden. Insbesondere an den chemischen Synapsen der Nervenzellen scheint der lange unterschätzte Nervenkitt eine wichtige Helferrolle zu spielen. An chemischen Synapsen wird die Information von einer Nervenzelle auf eine andere übertragen. Die Zellen sind jedoch durch einen dünnen Spalt voneinander getrennt, daher können die elektrischen Impulse nicht direkt weitergeleitet werden. Stattdessen schüttet die erste Zelle verschiedene Botenstoffe aus, die in der zweiten Zelle wiederum elektrische Impulse auslösen. Hier kommen die Gliazellen ins Spiel: Sie entfernen bestimmte Botenstoffe aus dem synaptischen Spalt und tragen so dazu bei, dass die zweite Nervenzelle nicht dauerhaft erregt wird.

Wie jetzt eine Arbeitsgruppe um Joachim W. Deitmer von der Universität Kaiserslautern beobachtete, tritt der "Nervenkitt" möglicherweise auch mit den Neuronen in direkten synaptischen Kontakt. Dabei reagieren die Gliazellen schon auf eine geringe neuronale Erregung mit einer Änderung ihres Membranpotentials. Als Reaktion auf Glutamat und andere Neurotransmitter können Gliazellen zudem intrazellulär Calcium freisetzen. Dieser Anstieg der Calciumkonzentration kann sich zumindest in Zellkulturen mit geringer Geschwindigkeit auch auf die benachbarten Gliazellen fortpflanzen und dort für die Freisetzung von Glutamat sorgen, das seinerseits wieder benachbarte Nervenzellen erregen könnte.

Sollte dieses Phänomen auch in Gehirngewebe nachgewiesen werden, so würde dies laut Deitmer "einen Quantensprung in der Neurobiologie" bedeuten. Nicht zuletzt könnten die Ergebnisse das Verständnis der Gehirnfunktion sowie neurologischer Erkrankungen revolutionieren.

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