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News: Unterwasserdünen

Bei Dünen denkt man in der Regel an Sand, Sonne und trockene Wüste. Da erscheint es schon kurios, dass Physiker ausgerechnet in Wasser die Entstehung und Wanderung von Dünen untersuchen.
Sicheldüne
Das klassische Bild einer Wüste ist von Sanddünen geprägt, die sich im steten Auf und Ab bis zum Horizont erstrecken. Wind bläst über die Kämme, zieht eine Sandwolke hinter sich her und sorgt über lang oder kurz dafür, dass sich die Haufen bewegen.

Besonders häufig ist neben einigen anderen Formen die Sicheldüne oder auch Barchan. Diese Düne ist auf der Wind zugewandten Seite flach ansteigend, bricht aber am höchsten Punkt steil zur Leeseite hin ab, wobei die Spitzen der Sichel außerdem in Windrichtung weisen. Ein bis zehn Meter Höhe erreichen diese Sandansammlungen, und in Windrichtung können sie sich bis zu hundert Meter erstrecken. Sicheldünen von weniger als zehn Meter Länge ließen sich jedoch bislang nicht beobachten. Doch warum?

Die gängige Theorie lautet wie folgt: Luft kann nur eine begrenzte Masse an Sand mit sich tragen. Streicht der Wind über eine Erhebung, etwa einen Sandhaufen, dann nimmt seine Geschwindigkeit ein wenig zu, wodurch er gleichzeitig auch mehr Sand mit sich führen kann. Körner werden also mitgerissen, und da es einen Moment dauert, bis der Wind wieder seine Sättigungsmenge an Sand erreicht hat, ist das Massegleichgewicht zwischen Wind und Düne zu Beginn der Anhäufung nicht ausgeglichen – im Gegenteil, hier verschwindet mehr Sand als hinzu kommt.

Bei einer großen Düne ist jene Sättigungsmasse des Windes erreicht, bevor der Windstoß am Ende des Sandhügels angelangt ist. Das heißt, Sand wird im gleichen Maße mitgerissen wie fallen gelassen. Eine kurze Düne hingegen wird durch diesen Prozess langsam aufgelöst und kann langfristig nicht existieren. Dünen, die also kürzer sind als eine bestimmte Länge – die so genannte Sättigungslänge –, sind nicht stabil und werden erodiert.

Der Nachweis einer solchen Theorie im Experiment ist selbstredend schwierig. Denn die wenigsten Labore bieten genug Platz für eine ausgewachsene Wanderdüne. Für Pascal Hersen, Stéphane Douady und Bruno Andreotti war es also klar, ein kleineres und besser handhabbares System muss her. Die Physiker der École Normale Supérieure in Paris verwendeten deshalb 150 Mikrometer große Glasperlen anstelle von Sand und ließen anstatt Luft Wasser über die Perlen streichen. Von der Flüssigkeit versprachen sich die Forscher einen reduzierenden Effekt auf die Sättigungslänge, sodass das Experiment bequem in ein Wasserbecken im Labor passte.

Hersen und seine Kollegen häuften die Glaskügelchen auf einer Unterlage, die ihrerseits auf einer Art Förderband lag. Mit dieser Vorrichtung konnten sie das Tablett mit den Perlen schnell nach vorne schieben und langsam, sodass die Perlen ihren Platz behielten, wieder zurückziehen – simulierte kurze, periodische Windböen also.

Und tatsächlich, im Strom des Wassers bildeten sich ein bis zehn Zentimeter lange und ein bis zehn Millimeter hohe Sicheldünen. Die Perlenhäufchen ähnelten in Form und Proportion genau den Sanddünen in der Wüste – nur eben im Maßstab 1 zu 1000. Auch die Sättigungslänge und die Bewegung der Düne entsprachen maßstabsgetreu dem großen Vorbild. Ist also ein ideales Laborsystem zur Dünenforschung gefunden?

Hans Herrmann von der Universität Stuttgart mahnt zur Vorsicht, denn die Körner der Unterwasserdünne verhalten sich anders als der Luft getragene Sand in der Wüste. Der Physiker konnte bereits am Computer das Verhalten von Sanddünen und deren Bewegung simulieren. So hüpfen die echten Sandkörner eher etappenweise zu ihrem neuen Liegeort, wohingegen die Perlen im Experiment direkt vom Sog der viskosen Flüssigkeit mitgerissen wurden.

Indes ist erstaunlich, wie gut die Dünen von Hersen und seinen Kollegen den natürlichen Vorbildern entsprechen. So ist vielleicht die genaue Bewegung der Körner gar nicht mal entscheidend für die fertige Form.

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