Urlaub und Klima: »Wohnmobile sind problematisch«

Herr Gössling, wie kann man im Urlaub am besten CO2 einsparen?
Weit mehr als die Hälfte der Klimawirkung des Tourismus stammt aus dem Flugverkehr. Wer vermeiden kann zu fliegen, der tut dem Klima einen großen Gefallen, besonders da es kaum Möglichkeiten gibt, Flugbenzin nachhaltig herzustellen. Europa importiert heute schon alte Speiseöle aus Asien, weil diese bei uns nicht mehr in hinreichender Menge zur Produktion von Biotreibstoffen zur Verfügung stehen. Echte technische Lösungen wie zum Beispiel die Verwendung von Wasserstoff oder synthetischen Treibstoffen, E-Fuels genannt, sind nur theoretisch möglich. Es gibt nicht einmal funktionierende Pilotanlagen oder geeignete Flugzeuge.
Nun wollen nicht alle Urlaub in Deutschland oder gar in Balkonien machen – wie viel klimaschonender ist die Bahn als Transportmittel?
Im Vergleich zum Fliegen entsteht bei einer Bahnfahrt nur ein Zehntel der Klimawirkung. In Europa kann man sehr viele Ziele mit dem Zug erreichen. In etlichen Ländern funktioniert die Bahn viel besser als in Deutschland. Ob in der Schweiz, Frankreich, Spanien oder Italien: Meist gibt es Hochgeschwindigkeitszüge, die sehr effizient weite Distanzen überbrücken.
Man verliert dabei allerdings oftmals komplette Tage, verglichen mit dem Flugzeug, wenn man so weit mit dem Zug reist.
Man sollte die Reise bereits als Teil des Urlaubs begreifen. Es ist doch spannend, auf dem Hinweg noch eine unbekannte Stadt als Zwischenziel zu erkunden. Und es gibt einige Nachtzugverbindungen, so dass man einen Teil der Fahrt im Schlaf absolvieren kann.
Für Familien ist es oft ein bisschen schwieriger mit dem Zug zu reisen – ist es aus Sicht des Klimaschutzes vertretbar, mit dem Auto in den Urlaub zu fahren?
Das Auto ist immer noch dreimal besser in der Klimabilanz als das Flugzeug, wenn man dessen Höheneffekte durch Kondensstreifen berücksichtigt. Gerade wenn das Auto voll besetzt ist, man also mit vier Personen fährt, ist das vertretbar. Mit E-Autos wird die Klimabilanz noch besser, insbesondere wenn diese mit grünem Strom fahren. Das wird vermutlich sowieso immer mehr zum Standard, wenn 1000 Kilometer Reichweite möglich sind. Wer will dann noch mit Verbrennungsmotor unterwegs sein?
Kann der Individualverkehr so klimafreundlich werden wie die Bahn?
Die Herstellung von Batterien muss man im Lebenszyklus berücksichtigen. Das sind schon enorme Mengen CO2, die da frei werden, mehr als 20 Tonnen CO2 für ein Auto mittlerer Größe. Den Zug wird das E-Auto deshalb in der Klimabilanz nie schlagen. Problematisch ist allerdings, dass die Autos immer größer werden. Unabhängig von der Größe wird ein Auto fast immer vollgeladen. Wer hier nicht noch das Schlauchboot oder Stehpaddel-Set einlädt und Gewicht einspart, tut außerdem etwas fürs Klima.
Camper müssen viel Ausrüstung mitnehmen – wie bewerten sie diese Urlaubsform aus Sicht des Klimaschutzes?
Die Tendenz in Richtung Vans und Wohnmobile ist problematisch, nicht nur wegen der Klimabilanz. Zum einen gibt es dort noch kaum elektrische Antriebe. Und zum anderen wird es in Sachen Klimaschutz immer ein Problem bleiben, per Wohnmobil quasi das Haus mit in Urlaub zu nehmen, im Vergleich zur lokalen Beherbergung. Vans werden auch gern in Städten gefahren, wo sie kaum auf die vorhandenen Parkplätze passen und Verkehrsrisiken erzeugen, weil sie die Sicht dramatisch einschränken.
Aber der Campingplatz ist schon klimafreundlicher als das Hotel?
Ja, vor Ort ist er von der Energiebilanz her kaum zu schlagen. Man hat Waschräume, ansonsten muss der Rasen gemäht werden und dann war's das schon fast.
Wie ist es mit dem Camping im Winter? Da stelle ich mir vor, dass diese Campingwagen so schlecht isoliert sind, dass der Energieverbrauch sehr hoch ist.
Dauercamper, die dann auch im Winter Strom brauchen, können sehr viel Energie verbrauchen. Da ist immer die Frage, wo der Strom herkommt beziehungsweise ob eine Standheizung genutzt wird.
»Die Tendenz in Richtung Vans und Wohnmobile ist problematisch, nicht nur wegen der Klimabilanz«
Das Zelt ist also der klimabewusste Königsweg – vielen aber zu unbequem. Was ist die Behausung, die am wenigsten CO2-Emissionen verursacht?
Am klimaeffizientesten sind häufig 3-Sterne-Hotels. Mit jedem Stern nach oben oder nach unten nimmt der Energieverbrauch zu. Bei Ein- oder Zwei-Sterne-Häusern liegt das vermutlich daran, dass die Belegung geringer ist, die Gebäude älter sind – und damit die Effizienz sinkt. Auf der anderen Seite gilt: je mehr Luxus, desto höher der Energieverbrauch. Besonders bedenklich sind Luxushotels in armen Ländern. Diese nutzen oft Generatoren, um Strom zu produzieren, den sie oft in großer Menge für die Klimaanlage brauchen. Da werden zum Teil Unmengen an CO2freigesetzt.
Sind Ferienwohnungen generell klimafreundlicher als Hotels?
Natürlich gibt es kleine Ferienwohnungen, die tendenziell klimafreundlich sind. Ich sehe allerdings auch einen Trend zu immer größeren und luxuriöseren Ferienwohnungen. Ich habe schon welche gesehen, da steht dann sogar noch ein Jacuzzi auf der Terrasse, im Winter auf 40 Grad Celsius geheizt. Deshalb kann das Hotel deutlich effizienter sein. Die besten Ferienwohnungen sind von der Grundidee Privatwohnungen, die während des Urlaubs zwischenvermietet werden. Das war die ursprüngliche Idee von AirBnB, die jetzt allerdings in einen Trend zu Multihosts umgeschlagen ist, also Privatpersonen oder Firmen, die eine Wohnung nach der nächsten übernehmen, renovieren und dann für das Fünf- bis Zehnfache der ortsüblichen Miete Touristen anbieten. Das ist ein Konzept, das Wohnfläche verbraucht, Mieten hochtreibt und Übertourismus verursacht.
Was ist von Ökosiegeln zu halten?
Bei den Siegeln haben wir das grundsätzliche Problem, dass sie meistens relativ sind – da kann also ein Fünf-Sterne-Hotel sehr gut bewertet werden, weil es im Vergleich zu anderen zertifizierten Hotels in der Fünf-Sterne-Kategorie wenig Energie verbraucht. Tatsächlich verbraucht ein nicht zertifiziertes Drei-Sterne-Hotel vermutlich viel weniger Energie. Grundsätzlich gilt aber: Wer durch den aufwändigen Prozess der Zertifizierung läuft, der will alles richtig machen. Man darf den Ökosiegeln also schon vertrauen.
Wie erkenne ich ohne Siegel, wo auf Umweltstandards geachtet oder wo einfach Greenwashing betrieben wird?
Man sieht es eigentlich überall im Haus. Sind Solarzellen auf dem Dach? Gibt es eine Badewanne – nicht klimafreundlich – oder eine unnötige Minibar? Gibt es die Möglichkeit, elektrisch zu tanken? Ist das Menü fleischlastig, oder wird gar Rind aus Argentinien angeboten? Weist die Speisekarte auf regionale Betriebe hin, von denen eingekauft wird? Gibt es Bioeier zum Frühstück? Wer mal genau hinschaut, der wird sofort sehen, ob das ein bewusster und engagierter Betrieb ist oder nicht.
Auf was kann man beim Essen achten?
Buffets sind immer ein Problem, weil Gäste ihre Teller überladen, aber auch, weil ein erheblicher Teil des Buffets übrig bleibt und entsorgt werden muss. Da ist ein Frühstück à la carte unter Umständen besser. Vegetarische und vegane Alternativen sind heute ein Standard, einfach weil das eine Erwartung geworden ist. Leider gibt es immer noch viele Restaurants, wo man nur zwischen Fleischgerichten wählen kann. Wo das möglich ist, würde ich mal die vegetarische Variante versuchen, selbst wenn mich Schnitzel mit Pommes anlachen. Häufig ist man überrascht, was die Köche sich haben einfallen lassen.
Kommt es bei der Menge an weltweiten Emissionen überhaupt darauf an, ob wir als Verbraucher nachhaltig reisen?
Uns Verbrauchern ist lange erzählt worden, dass wir kaum etwas gegen die Erderwärmung machen können, weil das System das Problem sei. Bislang war der Ansatz: Die Industrie soll die Gesamtemissionen immer weiter reduzieren und es uns damit möglich machen, unbegrenzt zu konsumieren. Das ist auch der Ansatz der EU – die dazu nötige Produktion durch Regulierung, also das Emissionshandelssystem, immer klimafreundlicher zu machen. Ich kenne genug Vielflieger, die ihre hohen Emissionen damit rechtfertigen, dass der Flugverkehr ja Teil des EU-Emissionshandels ist – und die Emissionen insgesamt abnehmen.
»Man darf den Ökosiegeln schon vertrauen«
Warum funktioniert diese Logik nicht?
Nur zwei bis vier Prozent der Weltbevölkerung fliegen innerhalb eines Jahres international – bei uns ist es etwa ein Drittel der Bevölkerung. Im globalen – und auch im deutschen – Vergleich sind also Deutsche, die fliegen, Privilegierte. Ohne die Berücksichtigung solcher Zusammenhänge wird es uns nicht gelingen, die Gesamtemissionen weiter in Linie mit den Pariser Klimazielen zu reduzieren. Das heißt, wir brauchen jetzt einen Paradigmenwechsel vom System zum Individuum. Wir müssen alle lernen, nachhaltig zu leben, insbesondere der Teil der Bevölkerung, der sehr viel emittiert.
Dennoch nehmen die CO2-Emissionen ab. Geht der Trend nicht in die richtige Richtung?
Wer genau hinschaut, der sieht, dass wir in vielen Ländern stagnieren; die Schweden, gerade noch Vorreiter im Klimaschutz, verbuchen wieder steigende Emissionen. Auch in Deutschland werden wir vermutlich den Trend nicht fortschreiben, denn bislang war es noch vergleichsweise einfach und kostengünstig, CO2 einzusparen. Wohlgemerkt ist im Flugverkehr wenig passiert, andere Branchen haben die dort wachsenden Emissionen sozusagen mitkompensiert. Doch jetzt kommt das Gesamtsystem an seine Grenzen, auch weil der Energieverbrauch weitersteigt. Wir schaffen es nicht, so schnell Emissionen reduzieren, wie sie entstehen. Unsere Forschung macht dafür Menschen mit hohen Einkommen verantwortlich, hier ist der Emissionszuwachs besonders groß.
Ab wann sprechen Sie von einem hohem Einkommen?
Statistisch sind das alle Menschen mit Vermögen von einer Million Euro oder mehr, das sind global nur 0,7 Prozent der Weltbevölkerung. Je mehr Geld man besitzt, desto grösser wird der Energieverbrauch, Stichwort Privatjets.
Es gab Berichte über Superreiche, die ihren Hund mit dem Privatjet in den Urlaubsort nachbringen lassen. Müsste man solche Auswüchsen mit Verboten begegnen?
Eigentlich ja. Zumindest sollte man stärker mit Marktmechanismen arbeiten, um Emissionen zu vermeiden. Im Prinzip würde das auf eine Verteuerung hinauslaufen. Aber diese dürfte nicht proportional zu den Emissionen sein, sondern sollte gezielt die größten Emittenten adressieren.
Wie viel CO2 ließe sich über solche Preismechanismen einsparen?
Das hängt ganz von den Maßnahmen ab. Eine Landegebühr von mehreren tausend Euro für Privatflugzeuge – die ich gerechtfertigt fände, weil viel leer geflogen wird – hätte sicherlich sofort einen Effekt.
Ganz normale Touristen ohne eigenen Privatjet hatten vielleicht einfach eine stressige Zeit und wollen ausspannen, genießen und sämtliche Probleme hinter sich lassen. Das ist wichtig für unser seelisches Wohlbefinden. Doch wie soll das gelingen, wenn man immer an den eigenen der CO2-Fußabdruck denkt?
Ganz sicher will ich niemandem den Urlaub schlecht machen. Wer einfach Ausspannen will, der kann mit zwei oder drei planerischen Tricks schon alles richtig machen. Also entweder gleich die Reise da kaufen, wo die Umwelt schon mitgedacht wird, so wie bei vielen kleinen Reiseveranstaltern, die sich auf nachhaltiges Reisen spezialisiert haben. Bei Flugreisen gilt: je weiter, desto länger sollte man bleiben. Und innerhalb Europas kann ich aus eigener Erfahrung sagen: Bahnreisen bieten auch unglaublich viele positive Erlebnisse und neue Eindrücke. Man kommt mit Leuten ins Gespräch, sieht etwas vom Land – eine ganz andere Sache, als im Flieger eingequetscht zu hoffen, dass man bald da ist.
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