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Covid-19: USA erlauben Behandlung mit Blutplasma

In den USA sollen Covid-19 Patienten künftig häufiger mit Blutplasma von Genesenen behandelt werden. Doch Belege für die Wirksamkeit der Therapie sind noch dünn.
Beutel mit Blutplasma

Die US-Regierung erteilt eine Notfallgenehmigung für die Behandlung von Covid-19-Patienten mit Blutplasma, das Antikörper gegen das Coronavirus enthält. Bei der Immunplasma-Therapie bekommen die Betroffenen Plasma von Menschen, die nach einer Infektion Antikörper gebildet haben. Plasma wird seit über 100 Jahren genutzt und gilt als sicher für Patienten. Bislang noch unklar ist jedoch, wie wirksam die Therapie tatsächlich ist, um die Covid-19-Sterblichkeitsrate zu senken. Der Chef der zuständigen Lebens- und Arzneimittelbehörde (FDA), Stephen Hahn, sprach von begrenzten, aber »viel versprechenden« Daten zur Wirksamkeit.

US-Präsident Donald Trump, der zuletzt öffentlich Druck auf die Behörde gemacht hatte, um schnellere Fortschritte verkünden zu können, bezeichnete die Notfallgenehmigung am Sonntagsabend (Ortszeit) als »sehr historischen Durchbruch«. Da die Behandlungsmethode mit Plasma in den USA allerdings bereits weit verbreitet ist, scheint die Bezeichnung »Durchbruch« eher übertrieben. Im Rahmen einer klinischen Sondergenehmigung haben bereits rund 70 000 Menschen Plasma erhalten, wie die FDA erklärte. Die Notfallgenehmigung entspricht zudem keiner formellen Zulassung, für die wesentlich höhere Hürden gelten. Auch ist das Plasma-Angebot begrenzt, da es nur aus Blutspenden Genesener gewonnen werden kann.

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Der Schritt der FDA mache vor allem den Handel mit Plasma einfacher und dürfte Herstellern helfen, ihre Kosten zu decken, wie der frühere FDA-Chef Scott Gottlieb vorab dem Fernsehsender »ABC« sagte. Es handle sich aber insgesamt nur um einen kleinen Schritt.

Ein überzeugender Wirknachweis fehlt

Mit Blutplasma wollen Forscher die Zeit überbrücken, bis ein Impfstoff zur Verfügung steht. Da bislang keine Vakzine existieren, welche die Bildung von Antikörpern gegen Sars-CoV-2 anregen, verabreicht man den Patienten Antikörper von Menschen, die eine Infektion bereits überstanden haben. Zu dem Verfahren laufen weltweit Studien, auch in Deutschland. Bislang gibt es aber keinen überzeugenden Nachweis, ob und wie sehr Plasma Covid-19-Patienten tatsächlich hilft.

Das hängt auch damit zusammen, dass das Blut von Genesenen oft unterschiedlich hohe Konzentrationen an Antikörpern enthält. Zunächst hatten Forscher keine Möglichkeit, diese zu messen und die Mengen zu standardisieren. Zudem erhalten Patienten die Plasmatherapie derzeit vor allem auf »Compassionate-Use«-Basis: Sie wird nur in Härtefällen eingesetzt bei Patienten, die lebensbedrohlich erkrankt sind und für die keine anderen Behandlungsoptionen mehr zur Verfügung stehen. Unter diesen Bedingungen eine qualitativ gute Studie mit Kontrollgruppe aufzubauen, ist schwierig.

Im Rahmen einer der größten bislang durchgeführten Studien zu dem Thema haben Forscher in den USA die Daten von 35 000 hauptsächlich schwer kranken Covid-19-Patienten ausgewertet, die Blutplasma verabreicht bekommen hatten. Dabei entdeckten sie, dass Probanden, die eine Transfusion bald nach der Diagnose erhielten sowie Plasma mit höheren Mengen an Antikörpern bekamen, eine etwas geringere Sterblichkeit hatten als jene, die später mit Blutplasma behandelt wurden, das auch noch geringere Mengen an Antikörpern enthielt. Die Forscher veröffentlichten die Ergebnisse ihrer Untersuchung vorab auf dem Dokumentenserver medRxiv, eine Überprüfung durch Fachleute steht also noch aus. Zudem gab es bei dieser Studie ebenfalls keine Kontrollgruppe. Die Ergebnisse sind demnach nur sehr begrenzt aussagekräftig. (dpa/dam)

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