Direkt zum Inhalt

Nachruf: Vater des Ursuppen-Experiments ist tot

Sein Name findet sich in Schulbüchern und Standardwerken, seit seinem grundlegenden Experiment galt er als der Vater der biologisch-chemischen Evolutionstheorie des Lebens. In dieser Woche starb Stanley Lloyd Miller im Alter von 77 Jahren.
Schon kurz nach dem Anfang war die Welt nicht wüst und leer, sondern nass und voller chemischer Möglichkeiten – bedeckt von dem, was später als "Ursuppe" bezeichnet werden wird. Wie in diesem Suppentopf aber aus den chemischen Zutaten Biologie entstand, war lange reine theoretische Spekulation und ist bis heute nicht völlig klar. Wie gut, dass ein junger Wissenschaftler namens Stanley Miller in den 1950er Jahren ohne allzuviel Ehrfurcht einfach ausprobierte, wie das Leben auf der frühen Erde denn wirklich entstanden sein könnte. Sein heute berühmter Ursuppen-Versuch machte ihn zum Vater der Studienrichtung, die sich mit der chemischen Evolution des Lebens auseinandersetzt.

Millers Original-Versuchsaufbau | Das Miller-Experiment ist ein in den 1950er Jahren erstmals durchgeführtes Experiment zur Simulation präbiotischer Synthesen in einer künstlichen Uratmosphäre. Dabei werden vermutete Komponenten der Uratmosphäre – Ammoniak, Wasserstoff, Methan und Wasser – elektrischen Funkenentladungen ausgesetzt, die Blitzschläge simulieren. Die in der Kälte kondensierten Gase werden dann in einer Wasserfalle (dem "Urozean") aufgefangen, durch Erhitzen wieder in die Uratmosphäre gebracht und erneut Funkenentladungen ausgesetzt. Wenn das System über eine Woche lang unter den künstlichen Bedingungen der Uratmosphäre gehalten wird, bildet sich in der wässrigen Phase ein komplexes Gemisch organischer Verbindungen, worunter sich auch eine Reihe von einfachen Fettsäuren, Zuckern und Aminosäuren befinden.
Im "Miller-Urey"-Experiment – veröffentlicht am 15. Mai 1953 in Science – zeigte der Forscher aus der Arbeitsgruppe von Harold Urey an der Universität von Chicago, wie unter den simulierten Bedingungen der frühen Erde aus den vorhandenen chemischen Grundzutaten die Bausteine von Leben und Zellbiologie entstehen können. Millers simulierte Ur-Erde bestand dabei einfach aus einem runden Laborgefäß mit Wasser, Ammoniak, Wasserstoff- und Methangas, den chemischen Grundzutaten der frühen Erdatmosphäre. Diese Ursuppe brachte Miller zum Sieden und ließ elektrische Entladungen durch sie hindurchzucken. Sieben Tage später analysierte er den Inhalt seines Kochtopfes – und fand darin eine aminosäurehaltige Molekül-Suppe.

Millers Versuch zeigte erstmals, dass unter Bedingungen, wie sie für die Frühzeit der Erde angenommen werden, aus einfachen anorganischen Grundzutaten Bausteine des Lebens wie Aminosäuren entstehen konnten. Innerhalb sehr kurzer Zeit machte das Ergebnis nicht nur in der wissenschaftlichen Welt Furore: "Schon drei Jahre später, als eine unabhängige Forschergruppe die Resultate von Miller bestätigte, hatten Vokabeln wie "präbiotische Ursuppe" ihren Weg in die Alltagskultur gefunden und tauchten in Comicbüchern, -filmen und Romanen auf", erinnert sich Jeffrey Bader, ehemals studentischer Mitarbeiter von Miller und heute Marinechemiker an der Scripps Institution für Ozeanografie.

Über vier weitere Jahrzehnte perfektionierte Miller seinen Versuch und feilte an Theorien zur präbiotisch-chemischen Evolution und dem Ursprung des Lebens. Den größten Teil seiner Karriere verlebte er dabei an der Universität von Kalifornien in San Diego. Neben seinem Hauptinteresse interessierte sich Miller für natürliche Vorkommen von Clathraten, die grundlegenden Wirkmechanismen von Anästhetika und die Thermodynamik bioorganischer Verbindungen.

Mit zunehmenden gesundheitlichen Problemen kämpfend, lebte der Biochemiker in den letzten Jahren seines Lebens in einer Betreuungseinrichtung in National City, südlich von San Diego. Am Dienstag starb er im örtlichen Paradise-Krankenhaus. Stanley Miller hinterlässt einen Bruder und seine Schwägerin mit ihren Kindern – und der wissenschaftlichen Welt die ersten ernsthaften Forschungsarbeiten über den chemischen Ursprung von uns allen. (jo)

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.