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News: Verdammt lang her

Ein gesundes Korallenriff im ursprünglichen Zustand lässt sich nur noch per Zeitmaschine besuchen – und das schon seit Langem: Bereits vor mehr als hundert Jahren hatte das langsame Zerstörungswerk der Riffe begonnen.
Koralle klein
Gelblich bis tief rosa leuchten die Korallenbäumchen durch das glasklare Wasser. Zwischen ihren Armen – mal wulstig, mal sehr zierlich ragen sie vom Meeresboden auf – suchen Schwärme kleiner Fische Schutz vor Verfolgern, Seeigel verstecken sich in Nischen, und in dunklen Winkeln verbergen sich Muränen, um nachts auf Jagd zu gehen. Ein paradiesisch anmutendes Schauspiel präsentiert sich dem Taucher in Korallenriffen, doch der Schein trügt: Kein einziges Riff auf der Welt ist in seinem ursprünglichen Zustand.

Für die allmähliche Zerstörung dieses traumhaft schönen Lebensraumes sind moderne Probleme infolge der touristischen Erschließung wie die Einleitung von Abwässern, der Eintrag von Sedimenten, Krankheiten oder klimatische Veränderungen nur zum Teil verantwortlich. Tatsächlich begann das Zerstörungswerk bereits vor hunderten von Jahren. Dabei folgte es weltweit einem einheitlichen Schema, wie ein internationales Wissenschaftlerteam um John Pandolfi vom National Museum of Natural History jetzt herausfand.

Um die Entwicklung des sensiblen Ökosystems besser zu verstehen, hatten die Forscher die Geschichte der Korallenriffe rekonstruiert – etwa so, wie ein guter Arzt für seine Diagnose auch die Krankheitsgeschichte seines Patienten analysiert. Die Wissenschaftler untersuchten dazu historische und archäologische Zeugnisse von weltweit 14 Riffen, beginnend vor dem Auftreten des Menschen bis heute.

Dabei beobachteten sie, dass in jedem Winkel der Erde das Gleiche passierte: Zunächst bejagte und dezimierte der Mensch große Fleischfresser wie Haie oder Seehunde sowie große Pflanzenfresser wie Seeschildkröten. Ausgerechnet diese Populationen erholen sich aber nur sehr langsam. Die Verminderung dieser großen Tiere löste dann den allmählichen Niedergang aller Korallenriffe aus. Als nächstes verschwanden kleinere Fische, und als letztes gingen Meerespflanzen und die Architekten der Riffe, die Korallen, zugrunde.

Zwar ist der Ablauf überall gleich, doch sind die Riffe vor Jamaika und Panama ihrem endgültigen Verschwinden am nächsten: Hier begann die Ausbeutung des Meeres früher als in anderen Regionen der Welt. Am Besten ist es noch um das Great Barrier Reef vor Australien bestellt – doch auch dieses hat schon ein Drittel des Weges vom ursprünglichen Zustand bis zur Ausrottung zurückgelegt.

Die Zustandsbewertung unter erdgeschichtlichen Aspekten ermöglicht nun eine Abschätzung, wie stark bedroht die einzelnen Riffe sind. Die Forscher hoffen, dass dadurch die Bemühungen zum Erhalt dieses einzigartigen Biotops unterstützt werden, denn noch ist es nicht zu spät: Die meisten Riffbewohner wurden zwar dezimiert, aber nicht ausgerottet. Maßnahmen entsprechend den lokalen Erfordernissen können das Unterwasserparadies vielleicht noch retten.

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