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Training gegen Peinlichkeitsangst: Verhaltenstipp gegen übertriebenes Fremdschämen

Wer peinliche Situationen um jeden Preis vermeiden will, sorgt damit für ein andauerndes, schwer lösbares Problem. Ein Verhaltenstraining soll helfen können.
Peinliche Situation

Manchen Menschen ist nichts peinlich – andere richten dagegen ihr ganzes Leben mühevoll danach aus, jede möglicherweise peinliche Situation gleich von vornherein zu vermeiden, was dann als nahezu aussichtsloses Unterfangen allerdings regelmäßig scheitert. Solche Menschen hoffen Psychologen um Li Jiang von der Carnegie Mellon University unterstützen zu können: Sie stellen im Fachblatt »Motivation and Emotion« ein Verhaltensprogramm vor, mit dem betroffene Personen womöglich lernen können, Peinlichkeiten zumindest weniger zu fürchten als bisher. Ziel der Übung sei dabei, mit Angst vor Peinlichkeiten und aufkommender Scham besser umzugehen, indem man sich zunächst in peinlichen Situationen von Dritten als Beobachter, nicht als Betroffener zu visualisieren versucht, erklären die Forscher.

Jiang und Kollegen hatten zuvor eine Reihe von Beobachtungen mit Testpersonen gesammelt, deren Persönlichkeitsmerkmale vorher kategorisiert worden waren. Die Probanden sollten dann angeblich die Wirksamkeit von Werbespots einschätzen. Allerdings mündeten die vorgeführten Filmchen in der Hälfte der Fälle in Sequenzen, die über die Peinlichkeitsgrenze empathischer Zuschauer hinausgingen: Frauen während einer Yogastunde oder Männer bei einem romantischen Date litten etwa in den unpassendsten Momenten unverhofft unter geräuschvoller Flatulenz.

Die Reaktionen der Testteilnehmer beim Anschauen peinlicher Szenen offenbarten eine auffällige Korrelation: Während alle Teilnehmer einzelne Szenen als objektiv ähnlich peinlich beschrieben, berichteten vor allem Studienteilnehmer mit einem hohen Maß an Selbstaufmerksamkeit von einem hohen Grad an sehr unangenehmen eigenen Gefühlen und Ängsten beim Ansehen der peinlichen Szenen. Diese Personen waren, so die Forscher, weniger gut in der Lage, das Geschehen als nicht mit sich selbst verbunden zu bewerten. Tatsächlich ist der hohe Grad sehr persönlicher Identifikation mit dem Umweltgeschehen mit ein Grund dafür, warum solche Menschen sich auch dann unangenehm berührt fühlen, wenn anderen etwas Peinliches zustößt.

Ebendort können die Gegenmaßnahmen einsetzen, so die Psychologen. Sie trainierten besonders selbstaufmerksame Menschen darauf, sich in peinlichen Situationen explizit als unbeteiligter Zuschauer zu sehen. Dies helfe – bei genügend Übung und wenn Achtsamkeit und kognitive Kapazitäten ausreichen, um das Verhaltensprogramm aufzurufen – tatsächlich gegen übertriebene aufkommende Fremdscham. Insgesamt zeigen die Untersuchungen jedoch ebenso, dass es kein für alle Menschen generell wirksames Anti-Peinlichkeits-Training geben kann – und dass Werbefilmproduzenten, die oft Peinlichkeiten für einen billigen Lacher einsetzen, gelegentlich nicht gut genug einschätzen, was sie bei einem Teil ihrer Zuschauer auslösen.

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