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Verhütung: Die Pille ist in Verruf geraten – zu Recht?

Immer mehr Frauen lehnen die hormonelle Verhütung ab. Sie erhöhe das Risiko für gefährliche Thrombosen und Depressionen, heißt es. Wie das Mittel wirkt und welche Sorgen berechtigt sind, lesen sie in unseren FAQ.
Frau entnimmt Antibabypille aus Blister

Bis heute ist die Pille in Deutschland das Verhütungsmittel Nummer eins, dicht gefolgt von Kondomen. Es macht sich jedoch ein Umdenken bemerkbar: Griffen 2011 gut 53 Prozent der sexuell aktiven Frauen zwischen 18 und 49 Jahren zur Pille, waren es 2018 nur noch 47 Prozent. Das zeigen zwei repräsentative Befragungen der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA). Besonders ausgeprägt ist der Trend bei den 18- bis 29-Jährigen. Ein Grund für die Abneigung: Die Verhütung mit Hormonen habe »negative Auswirkungen auf Körper und Seele«. Mehr als die Hälfte der Befragten bezweifelt, dass man die Pille über Jahre hinweg unbedenklich einnehmen könne. Und auf Instagram wird unter Hashtags wie #pilleabsetzen vor umfassenden Nebenwirkungen gewarnt.

Welche Folgen die Antibabypille haben kann, wird seit Jahrzehnten debattiert. Tatsächlich kritisierte bereits die Frauenbewegung der 1970er Jahre das Kontrazeptivum als Eingriff in den weiblichen Körper. Im Jahr 1995 führte die BZgA erstmals eine Befragung durch, um die Einstellung der Frauen gegenüber dem Verhütungsmittel zu ermitteln. Damals kam der Verdacht auf, dass die Einnahme die Wahrscheinlichkeit einer Thrombose erhöht.

Höchste Zeit also, sich die Datenlage näher anzuschauen: Wie wirkt die Pille auf den Körper? Was gibt es für Nebenwirkungen? Und können die Mittel die Psyche tatsächlich negativ beeinflussen? Die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick.

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Wie wirkt die Pille?

Mittlerweile gibt es mehr als 50 verschiedene Präparate mit unterschiedlichen Dosierungen der enthaltenen Hormone. Bei den meisten handelt es sich um Kombinationspräparate. Diese beinhalten zwei Hormone: synthetisches oder natürliches Östrogen sowie Gestagen, auch Gelbkörperhormon genannt. »Das Östrogen sorgt für einen regelmäßigen Zyklus«, sagt Doris Scharrel, Fachärztin für Gynäkologie und Geburtshilfe in Kronshagen bei Kiel. Entscheidend für die Verhütung ist das Gestagen: »Es verändert den Aufbau der Gebärmutterschleimhaut, verhindert die Reifung eines Eibläschens zum Eisprung und wirkt damit empfängnisverhütend«, erklärt sie. Klassischerweise nehmen Frauen die Pille 21 Tage ein. In einer siebentägigen Pause fällt dann der Hormonspiegel ab und es kommt zur Abbruchblutung.

Eine Pille, vier Generationen

Die Antibabypille hat eine steile Karriere hinter sich. 1960 wurde sie in den USA erstmals zugelassen. In Westdeutschland folgte sie im Juni 1961. Die DDR zog vier Jahre später nach. Alice Schwarzer nannte sie einen »Meilenstein in der Geschichte der Emanzipation der Frauen«. Denn mit ihr konnten Frauen endlich Sex haben, ohne Angst haben zu müssen, schwanger zu werden.

Seitdem die erste Pille auf den Markt kam, wurde sie kontinuierlich weiterentwickelt. Die Dosierung des Östrogens sank über die Jahre und es kamen weitere Gestagene mit anderen Eigenschaften hinzu. Je nachdem, zu welchem Zeitpunkt die neue Pillensorte erhältlich war, spricht man von verschiedenen Generationen: Pillen der ersten und zweiten Generation enthalten in der Regel die Gestagene Levonorgestrel oder Norgestimat. Zu den Pillen der dritten Generation werden unter anderem Präparate mit Desogestrel oder Gestoden gezählt, zur vierten Generation gehören die Stoffe Dienogest oder Drospirenon.

Daneben gibt es Monopräparate, die nur Gestagen enthalten, auch als Minipille bekannt. Ihre Wirkung hängt stark von der Dosierung ab. »Die ganz niedrig dosierte Minipille muss jeden Tag zur gleichen Uhrzeit eingenommen werden und erfordert damit etwas mehr Disziplin«, erläutert die Hamburger Frauenärztin Anneliese Schwenkhagen: »Da sie den Eisprung nicht sicher unterbindet, wird sie heute allerdings kaum noch verschrieben.« Höher dosierte Gestagen-Pillen hingegen können den Eisprung verhindern. Weil Östrogen die Milchbildung unterdrücken kann, sind sie besonders für stillende Frauen nützlich oder jene, für die Kombipräparate auf Grund eines Thromboserisikos nicht in Frage kommen.

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Thrombose – wie hoch ist das Risiko?

Im Fall einer venösen Thrombose bilden sich Blutgerinnsel in einer Vene, wodurch das Gefäß verstopfen kann. Am häufigsten passiert dies in den tiefen Bein- oder Beckenvenen. Die Folge können Schwellungen und Schmerzen sein. Gefährlich wird es, wenn sich Teile des Blutgerinnsels lösen und in den Blutstrom gelangen. Wandern sie beispielsweise in die Lunge, können sie dort eine Lungenembolie verursachen. Zu spät erkannt, sind solche Thromboembolien mitunter tödlich.

Die Höhe des Thromboserisikos hängt von der Sorte der Pille ab. Zu dieser Einschätzung gelangt das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), das in Deutschland die Sicherheit von Arzneimitteln bewertet. Ein Blick in die Studienlage zeigt: Normalerweise entwickeln in einem Jahr zwei von 10 000 Frauen eine Venenthrombose. Von 10 000 Frauen, die eine Pille der ersten oder zweiten Generation nehmen, sind es bereits fünf bis sieben Fälle. Bei der Pille der dritten oder vierten Generation steigt die Zahl auf neun bis zwölf betroffene Frauen an.

Aus diesem Grund rät das BfArM Frauenärzten dazu, immer erst die Präparate mit dem geringsten Risiko zu verschreiben, also solche mit den Gestagenen Levonorgestrel, Norgestimat oder Norethisteron. Nur wenn die nicht vertragen werden, sollten andere Pillen zum Einsatz kommen. Zudem sei es wichtig, Nutzerinnen sorgfältig über das Risiko zu informieren und über erste Anzeichen einer Thrombose aufzuklären. Hierfür hat das BfArM auch eine »Patientenkarte« entwickelt, die Zusammenhänge in einfacher Sprache darlegt. Zudem müssen persönliche Risikofaktoren wie Rauchen, Übergewicht, Gerinnungsstörungen oder familiäre Gefäßerkrankungen abgeklärt werden.

Werden diese Vorgaben befolgt, hält Gynäkologin Scharrel das Risiko für absolut vertretbar. Besonders, wenn man bedenke, dass allein die Schwangerschaft das Thromboserisiko um ein Vielfaches erhöht. Studien zeigen außerdem, dass das Risiko im ersten Jahr der Einnahme am höchsten ist und danach immer weiter sinkt. Scharrel rät Frauen deshalb, die Pille nicht je nach Bedarf abzusetzen und dann wieder damit anzufangen, da mit jedem Mal auch erneut das Thromboserisiko steigt. Frauen, die trotz Risikofaktoren mit der Pille verhüten möchten, empfiehlt sie die Monopräparate. Denn der größte Teil der Thrombosegefahr ergebe sich durch das Östrogen, welches in Monopillen nicht enthalten ist.

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Depressionen – ist die Warnung berechtigt?

2019 veröffentlichte das BfArM eine Warnung, hormonelle Verhütungsmittel verursachten womöglich depressive Verstimmungen und erhöhten die Suizidgefahr. Grundlage hierfür sind zwei dänische Studien aus den Jahren 2016 und 2017. Für die Untersuchung haben die Wissenschaftler jeweils die Daten von mehr als einer Million Mädchen und Frauen über einen Zeitraum von sechs bis acht Jahren ausgewertet. In der ersten Studie zeigte sich, dass von 1000 Frauen zwischen 15 und 34 Jahren, die nicht mit Hormonen verhüteten, etwa 17 ein Antidepressivum verschrieben bekamen. In der Gruppe, die die Pille einnahm, lag die Zahl bei 22. Am stärksten betroffen waren die 15- bis 19-Jährigen. Mit dem Alter und der Dauer der Anwendung sank das Risiko wieder. Die zweite Studie wies dazu noch auf ein leicht erhöhtes Suizidrisiko hin. Auch hier war die Wahrscheinlichkeit in den ersten Monaten der Pilleneinnahme am höchsten und sank nach einem Jahr wieder ab.

»Ein direkter Zusammenhang kann aus den dänischen Studien tatsächlich nicht gezogen werden«Anneliese Schwenkhagen, Frauenärztin

Die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe kritisiert beide Studien und damit die Warnung des BfArM als methodisch unhaltbar. Das sieht Frauenärztin Schwenkhagen ähnlich: »Ein direkter Zusammenhang kann aus den dänischen Studien nicht gezogen werden.«

Ein Beispiel: Die meisten jungen Frauen, die die Pille nehmen, sind in Beziehungen oder gehen davon aus, bald Sex zu haben. Eine Beziehung, besonders wenn es die erste ist, kann auch Stress bedeuten. Gleiches gilt für den unerfüllten Wunsch nach Intimität und Geschlechtsverkehr. Gebe es daneben noch Druck in der Schule oder in der Familie, könne das Depressionsrisiko steigen. »Ob das leicht erhöhte Depressionsrisiko durch die Lebensumstände oder die Pille verursacht wurde, lässt sich nicht sagen«, betont Schwenkhagen.

Placebokontrollierte Studien zeigen zudem widersprüchliche Ergebnisse: Die einen kommen zu dem Schluss, dass die Pille bei Frauen, bei denen vorher schon eine depressive Verstimmung bestand, die Beschwerden verstärkt. In anderen Fällen schien die hormonelle Verhütung die Symptome sogar zu lindern. Dies gilt insbesondere für Frauen, die unter einem schweren prämenstruellen Syndrom (PMS) leiden.

»Hormone beeinflussen Körper und Psyche«Doris Scharrel, Frauenärztin

Frauenärztin Scharrel hat trotzdem nichts gegen den Warnhinweis des BfArM, der nun auch auf dem Beipackzettel zu lesen ist. Zum einen weise das Institut selbst darauf hin, dass aus den dänischen Daten kein eindeutiger Kausalzusammenhang zu ermitteln sei; zum anderen wüssten die Frauen dadurch, dass die Pille die Stimmung beeinflussen kann. »Frauen, die das beobachten, sollten dies dann mit ihrer Frauenärztin oder ihrem Frauenarzt besprechen«, sagt Scharrel: »Dann können sie gemeinsam eine andere Pille oder eine alternative Verhütungsmethode finden.« Denn fest steht: »Hormone beeinflussen Körper und Psyche«, so die Gynäkologin. »Das betrifft allerdings nicht nur die der Pille, sondern auch die körpereigenen.«

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Verdirbt die Pille die Lust auf Sex?

Nicht wenige Frauen fühlen sich wegen der Einnahme von Hormonen fremdgesteuert und beklagen negative Auswirkungen auf ihre Sexualität. Da das Thema so viele Frauen beschäftigt, haben sich die Autoren und Autorinnen der 2019 aktualisierten AWMF-Leitlinien zur Empfängnisverhütung die Studien zu dem Thema näher angeschaut. (AWMF steht für Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften.) Ihr Fazit: Die Ergebnisse sind widersprüchlich. Einige Arbeiten zeigen eine Steigerung der Libido, andere eine Abnahme oder keinen Effekt. Zu einem ähnlichen Schluss kamen 2020 Forschende in einer Metaanalyse von zwölf Studien mit mehr als 9000 Frauen.

»Frauen sollten daher darauf hingewiesen werden, dass sich die Sexualität unter Anwendung der Pille verändern kann«Anneliese Schwenkhagen

Einige Untersuchungen lassen jedoch tatsächlich negative Effekte auf die Sexualität erkennen. »Warum das so ist, darüber wird viel spekuliert«, sagt Gynäkologin Schwenkhagen. Ein Faktor könnte der Abfall der männlichen Hormone durch die Pille sein. Aber auch Einflüsse auf spezifische Funktionen des Gehirns und seine Botenstoffe werden diskutiert. Wer Probleme bemerkt, sollte mit der betreuenden Frauenärztin sprechen, um nach Ursachen und möglichen Lösungen zu suchen.

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Verändern die Hormone der Pille das Gehirn?

Auch hier ist die Datenlage unklar. Studien deuten etwa darauf hin, dass Frauen, die mit Hormonen verhüten, sich zufällig ausgewählte Wörter besser merken können als solche, die auf hormonelle Verhütung verzichten. Auch auf Gesichter scheinen sie stärker zu reagieren. In MRT-Aufnahmen zeigte sich das unter anderem in einer Vergrößerung des frontalen Kortex sowie des Gyrus fusiformis, einer Hirnregion, die auf das Erkennen von Gesichtern spezialisiert ist.

Es gibt zugleich Besorgnis erregende Befunde: So könnten die Pillenhormone die Strukturen zum Erkennen und Erlernen von Furcht beeinflussen. Deutlich wurde das beispielsweise in der Amygdala, die in engem Zusammenhang mit Angstreaktionen und möglicherweise auch Angsterkrankungen steht. Die meisten dieser Untersuchungen haben jedoch methodische Mängel und lassen sich nur mit Vorsicht interpretieren, warnt die Wissenschaftlerin Marita Kallesten Brønnick mit ihrem Team in einer umfassenden Übersichtsarbeit aus dem Jahr 2019.

Eine weitere Frage ist, ob und wie hormonelle Verhütung die Entwicklung des jugendlichen Gehirns beeinflusst. Gerade in der Pubertät ist dieses äußerst empfindlich. So bilden sich insbesondere im präfrontalen Kortex wichtige neuronale Verschaltungen aus; das gesamte Denkorgan ist im Umbau begriffen. Während der Pubertät reagieren junge Menschen daher auch sehr sensibel auf soziale Signale und Belohnungen. Nach Durchsicht der wissenschaftlichen Literatur fanden Brønnick und ihr Team allerdings nur eine einzige Untersuchung mit Probandinnen in der Adoleszenz – und diese war methodisch mangelhaft. An der Stelle besteht also noch Forschungsbedarf.

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Bringt die Pille den weiblichen Zyklus durcheinander?

Studien zu der Frage sind rar. Auch in den AWMF-Leitlinien gibt es hierzu keine Aussagen. Ein Grund könnte sein, dass über die lange Zeit, die die Pille genommen wird, einfach keine Beschwerden gemeldet werden. Im Internet finden sich allerdings immer wieder Berichte von Frauen, die die Pille über mehrere Jahre nahmen und deren Periode dann bis zu einem Jahr ausblieb oder sehr unregelmäßig auftrat.

Frauenärztin Schwenkhagen kennt solche Fälle, hat hier jedoch wenig Bedenken: »Früher nannte man dies die Post-Pill-Amenorrhö«, erklärt sie. Verursacher sei allerdings in der Regel nicht die Pille, sondern eine anderweitige Störung, die oft schon zuvor bestanden hat und durch die Anwendung der Pille »überdeckt« wurde, beispielsweise eine Hormonstörung durch einen Überschuss männlicher Hormone oder eine Essstörung. »Das heißt, viele Frauen hatten bereits einen unregelmäßigen Zyklus, bevor sie die Pille einnahmen«, sagt Schwenkhagen. Ein Mädchen, das die Pille schon mit 14 Jahren oder früher nimmt, habe seinen Zyklus mitunter auch noch gar nicht richtig kennen gelernt.

Ganz von der Hand weisen lässt sich die Erfahrung so vieler Frauen allerdings nicht. 2006 fand Petra Frank-Herrmann von der Frauenklinik der Universität Heidelberg beispielsweise heraus, dass von 175 Pillenanwenderinnen etwa sechs Prozent nach Absetzen der Pille eine Amenorrhö von drei bis elf Monaten erlebten. Die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen vermuteten hier eine weiterhin verlängerte Follikelreifung. Mit der Zeit normalisierte sich der Zyklus der Frauen jedoch wieder.

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Was hat es mit dem Langzeitzyklus auf sich?

Pharmafirmen haben vor einiger Zeit eine Pille für den Langzeitzyklus auf den Markt gebracht. Statt nach 21 Tagen eine siebentägige Pause für die Abbruchblutung einzulegen, nehmen Frauen die Pille einfach durch. Dafür sind die Hormone niedriger dosiert. Die für einige nervige Blutung bleibt dadurch aus.

Manch eine sorgt sich darüber. Doch: »Die Blutung, die Frauen durch die Pille erleben, ist eine Entzugsblutung und wird durch das Absetzen der künstlichen Hormone hervorgerufen«, erklärt Schwenkhagen. Es gibt keinen einzigen stichhaltigen medizinischen Grund dafür, immer nach 21 Tagen eine Woche Pause zu machen. Die »durchgehende Pilleneinnahme scheint eine vernünftige Vorgehensweise im Bereich oraler Verhütung zu sein«, schlussfolgert auch die unabhängige Cochrane Collaboration in einer Übersichtsarbeit.

Die Pille als Therapeutikum

Für die Verhütung mit Hormonen gibt es tatsächlich auch medizinische Gründe. Wichtig ist die Pille beispielsweise bei Endometriose. Bei dieser Erkrankung siedeln sich Zellen, die denen der Gebärmutterschleimhaut ähneln, außerhalb der Gebärmutter an, etwa in der Bauchhöhle, im Darm oder den Eierstöcken. Blutet die Schleimhaut ab, verursacht das bei vielen Betroffenen starke Schmerzen. Präparate wie die Verhütungspille können die Schmerzen nicht nur lindern, sie haben sogar einen wichtigen therapeutischen Effekt: Die Gebärmutterschleimhaut bildet sich nicht Monat für Monat neu, muss daher nicht abgestoßen werden und kann zudem nicht wuchern. Bei gynäkologischen Erkrankungen wie dem PCOS, bei dem wassergefüllte Bläschen an den Eierstöcken entstehen, Hautproblemen, Zyklusstörungen sowie starkem PMS kann die Pille ebenfalls Beschwerden lindern.

»Die Idee, die Blutung durch das Durchnehmen der Pille auszusetzen, ist zudem keine Idee der Pharmafirmen«, sagt Schwenkhagen. In ihrer Arbeit als Gynäkologin begegnete sie bereits vor 20 Jahren Frauen, die das taten. Dahinter steckte häufig die Idee, die immer wieder in der Pillenpause auftretenden Beschwerden zu lindern, darunter starke Regelschmerzen oder heftige Stimmungsschwankungen. »Tatsächlich sprechen mittlerweile viele medizinische Gründe für den Langzyklus ohne hormonfreies Intervall«, sagt die Ärztin. Besonders hilfreich sei er bei Patientinnen mit psychischen Problemen, insbesondere bei Frauen, die unter der schwersten Form der prämenstruellen dysphorischen Störung PMS leiden. Hierzu hat Schwenkhagen mit Kolleginnen einen Ratgeber geschrieben. »Das durchgehende Einnehmen der Pille könne hier tatsächlich sehr viel Gutes bewirken«, davon ist die Gynäkologin überzeugt.

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Welche Verhütungsmethoden gibt es abseits von Hormonen?

Für Frauen, die nicht mit Hormonen verhüten möchten, gibt es tatsächlich zahlreiche Optionen. Darunter: das Kondom, die Kupferspirale oder Zyklus-Apps. Manche Frauen rechnen ihren Eisprung auch ganz einfach mit dem Kalender aus. »Das Problem ist nur, dass viele dieser Methoden nicht sicher sind«, sagt Schwenkhagen. Auskunft über die Zuverlässigkeit gibt der Pearl-Index. Je niedriger die Zahl, desto sicherer ist die Verhütung. Richtig angewendet, liegt das Kondom mit dem Index bei 2 – die Pille kommt hingegen auf einen Wert zwischen 0,3 und 1. Ein hormonfreies Kontrazeptivum, das dem am nächsten kommt, ist die Kupferspirale. Hier liegt der Index zwischen 0,4 und 1,5. Das zeigt eine Übersicht der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) von 2017.

Konkurrenzfähig scheint auch die symptothermale Methode. Die fruchtbaren und unfruchtbaren Tage werden hier anhand der basalen Körpertemperatur am Morgen sowie der Beschaffenheit des Zervixschleims bestimmt. Diese zeigt an, wann der Eisprung ungefähr stattfindet, die Basaltemperatur hingegen, wann er vorüber ist. Richtig angewandt, können Frauen mit der Methode einen Pearl-Index von 0,4 Prozent erreichen. Die Daten beziehen sich allerdings auf Frauen, die in der Anwendung der Methode sehr gut betreut wurden, gibt die BZgA zu bedenken. Wie der Index unter Alltagsbedingungen ausfällt, gilt es also noch zu untersuchen. In jedem Fall müssten Frauen, die die Methode verwenden, gut geschult sein.

Methoden wie der unterbrochene Geschlechtsverkehr (Coitus Interruptus) und das Messen mit Zyklus-Apps werden nicht aufgeführt, da »sie sehr unsicher und fehleranfällig« sind, fasst der Medizinische Arbeitskreis pro familia NRW die Ergebnisse der BZgA zusammen.

»Wie und ob eine Frau verhütet, ist absolut ihre Entscheidung«, sagt Schwenkhagen. Eine Frage, die sie sich allerdings immer stellen sollte, ist: Wie schlimm ist es, wenn ich doch schwanger werde? Je nachdem, wie die Antwort ausfällt, sollte sie ihr Kontrazeptivum wählen.

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Wie war das noch mit der Pille für den Mann?

Im Jahr 2008 startete eine erste große Studie der Weltgesundheitsorganisation (WHO), um die hormonelle Verhütung für den Mann zu testen. Dabei handelt es sich allerdings nicht um eine Pille, sondern um eine Spritze. Mit dieser injizierten die Probanden sich einige Wochen ein Depot von Testosteron und Gestagen in den Muskel. Von dort werden die Hormone freigesetzt und signalisieren der Hormonachse des Gehirns, dass nun genügend Sexualhormone im Blut sind. Daraufhin wird die Produktion der so genannten LH- und FSH-Hormone gebremst, die die Spermienproduktion in den Hoden in Gang bringen.

Wegen zu hoher Nebenwirkungen brach die WHO die Studie allerdings einige Jahre später ab, was bis heute viele Frauen und Forschende kritisieren. Hauptproblem waren die Nebenwirkungen, die von Akne, gesteigerter Libido, Schmerzen durch die Spritze bis hin zu Stimmungsveränderungen mit Antriebslosigkeit und Aggressivität reichten. Warum nicht weitergeforscht und an der Dosierung und Zusammensetzung gefeilt wurde, bleibt Spekulation.

Die neue Idee ist ein Gel, das Männer sich auf die Schultern auftragen. Es enthält Testosteron und ein Gestagen, das zumindest bislang keine Nebenwirkungen zeigt. Auch hier geht es wieder darum, dass die Hirnanhangdrüse die Ausschüttung der LH- und FSH-Hormone bremst und damit keine Spermien produziert werden. Um das Gel zu testen, startete 2018 eine internationale Studie mit 420 Paaren in sieben Ländern, die immer noch läuft.

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