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Astrobiologie: Verräterische Lebenszeichen

Menschen sind nicht gerne alleine. Und die Menschheit auch nicht. Darum sucht sie auf dem Mars, den Saturnmonden und in den Tiefen des Weltalls nach Anzeichen für Leben. Dabei sollte sie sich nicht nur auf Spuren von Wasser konzentrieren: Andere Substanzen sind ähnlich gute Indikatoren für biochemische Prozesse.
Spirits Blick über die Mars-Steinwüste
Wir sind bescheiden geworden. Erwarteten wir vor rund hundert Jahren noch gigantische Kanäle auf dem Mars, die von überlegenen Zivilisationen zur Bewässerung der trockenen Äquatorregion angelegt worden waren; zitterten wir etwas später am Radio, vor dem Fernseher und im Kino angesichts kriegerischer grüner Männchen; begnügten wir uns im ausgehenden 20. Jahrhundert mit dubiosen fossilen Bakterien in einem Marsmeteoriten – so hoffen wir mittlerweile nur noch auf vertrocknete Wasserläufe. Hauptsache, es ist irgendein Zeichen für Leben außerhalb der Erde. Und so suchen Teleskope und Raumsonden fleißig nach feuchten Spuren auf fernen Welten, buddeln Landeeinheiten jeden Stein an, um Anzeichen früherer Flüsse oder Meere zu entdecken.

Dabei könnten wir womöglich ebenso erfolgreich – oder erfolglos – sein, wenn wir nicht alle Anstrengungen auf das Wasser konzentrierten, sondern auch einmal die restliche Chemie zu ihrem Recht kommen ließen. Ein Team von Wissenschaftlern um Kenneth Nealson von der Universität von Südkalifornien in Los Angeles schlägt vor, lebensverdächtige Kandidaten auf Stickstoff zu untersuchen. Je nach den vorherrschenden Bedingungen auf einem Planeten oder Mond könnte potenzielles Leben sich über dieses Element und seine Verbindungen verraten.

Als ein Beispiel führen sie eine Welt wie unsere Erde an. Hier ist Stickstoff keine Mangelware – die Atmosphäre besteht zu fast achtzig Prozent aus dem Gas. Als Distickstoff haben sich jeweils zwei Atome zu einem reaktionsträgen Molekül verbunden (N2). Dies zu knacken, schaffen fast nur Blitze und Mikroorganismen, die es letztlich zu Ammoniumsalzen (NH4-X) und Nitraten (Y-NO3) umsetzen. Regen wäscht die löslichen Substanzen aus und transportiert sie ins Meer. Dort wird der Stickstoff wiederum zu N2 umgesetzt – und der globale Kreislauf ist geschlossen.

Verräterisch wird der beschriebene Ablauf dadurch, dass der Schritt vom Nitrat zum Distickstoff ohne Hilfe lebendiger Organismen praktisch nicht abläuft. Und Stickstoffspeicher in Mineralen und Gesteinen sind ausgesprochen selten. Mit anderen Worten: Ohne Leben geht einem erdähnlichen Planeten in geologischen Zeiträumen der molekulare Stickstoff in der Atmosphäre aus. Selbst auf der Erde hätten Blitze im Laufe der Jahrmilliarden das Gas ausgedünnt und die Meere mit Stickstoffverbindungen angereichert. N2 in der Luft wäre also ein durchaus passabler Indikator für mögliche Lebensformen.

Diese Schlussfolgerung macht wenig Hoffnungen für den Mars. Nicht mehr als 2,7 Prozent trägt Stickstoff zu der dünnen Atmosphäre bei. Der Isotopenzusammensetzung nach ist ein großer Teil des Elements allmählich dem Planeten verloren gegangen. Hätte es jemals Leben auf dem Roten Planeten gegeben, sollten sich davon Spuren erhalten haben – etwa als organische Ablagerungen, wohingegen lediglich anorganische Nitrate dem Traum von kleinen grünen Männchen einen weiteren Todesstoß versetzen würden.

Nicht ganz so bequem ist die Lage auf den kalten Monden von Jupiter und Saturn, auf denen gelegentlich ebenfalls spekulatives Leben vermutet wird. Hier fehlt die nachbarschaftliche Trennung von Land und Meer – falls es Ozeane geben sollte, wären sie unterirdisch zu suchen. Außerdem ist es unwirtlich kalt auf den Himmelskörpern. Dies alles führt zu einer für irdische Verhältnisse ungewohnten Stickstoff-Chemie, die ganz andere Kreisläufe bedingt.

Dennoch – als flexibles chemisches Element, das in den unterschiedlichsten Oxidationsstufen vorkommen kann und darum an einer Vielzahl von Verbindungen beteiligt sein mag, wäre Stickstoff mit großer Wahrscheinlichkeit an biochemischen Vorgängen beteiligt. Darum achte, wer Leben sucht, stets auch auf den Stickstoff! – raten die Wissenschaftler. Ist er vorhanden, so gilt es zu prüfen, woher er kommt und wohin er geht. Lässt sich das nicht ohne den Faktor Leben klären, sollten die Alarmglocken schrillen. Und das sollte doch den zusätzlichen Einsatz lohnen, oder?

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