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Paläoklimatologie: Verrieselt in Zeitlupe

Sand, Staub, Geröll, Hitze und Wassermangel - die Sahara ist Natur im Extremformat, der nur angepasste Lebewesen trotzen. Wüst war sie aber nicht immer, sondern auch schon feuchter und grüner. Wie lange dauerte es, bis sie zu dem wurde, was sie heute ist?
See im Sand
Es sind Bilder aus besseren Zeiten: Schwimmende Menschen, Elefanten, Strauße, Büffel, Großwildjagden und sogar Viehmärkte prangen an den verschiedensten Höhlenwänden im Gilf Kebir, dem Tibesti-, Hoggar- oder Tassili-Gebirge – mitten in der Sahara, der größten tropischen Wüste der Welt. Wo sich heute ein Meer aus Sand, Schutt und Geröll erstreckt, wogten einst tatsächlich üppige Grasländer und fruchtbare Savannen. Sie boten einer artenreichen Tierwelt und steinzeitlichen Jagdgesellschaften eine lebenswerte Heimstatt, die in den 7000 Jahre alten Höhlenmalereien für die Nachwelt festgehalten wurde.

Yoa-See in der Sahara | Der Yoa-See im nördlichen Tschad ist eines der letzten Relikte der feuchten Vergangenheit der Sahara – und überlebt nur dank des Grundwassers.
Seit dieser glorreichen Zeit haben sich nur winzige feuchte Enklaven gehalten. Grundwasser speist dort ein paar Seen und Oasen, in denen die letzten Krokodile der Sahara hausen wie in Mauretanien oder an denen die Tuareg-Völker Malis und des Nigers ihr Vieh tränken. Und auch im Tschad überdauerte eines dieser mittlerweile exotischen Gewässer die lange Trockenheit. Für Stefan Kröpelin von der Universität zu Köln und seine Kollegen erhellen die darin abgelagerten Sedimente nun ein wenig die Geschichte der Sahara und wann sie so lebensfeindlich wurde wie heute.

Bislang galt ein abrupter Wechsel der klimatischen Verhältnisse in Nordafrika als ausgemacht: Während des so genannten holozänen Klimaoptimums vor 8000 bis 6000 Jahren war die Erdachse stärker geneigt als heute und der sonnennächste Stand der Erde, das Perihel, fiel in den September und nicht in den Januar. Im Winter erhielt die nördliche Hälfte unseres Planeten weniger Energie, im Sommer dafür umso mehr, was die Monsunaktivität über Asien und Afrika antrieb. Zusätzlich führten die Luftströmungen aus dem aufgeheizten Atlantik mehr Luftfeuchtigkeit heran, die sich über der Sahara abregnete.

Idylle am Yoa-See | Jedes Jahr verdampfen eine Wassersäule von sechs Metern aus dem Yoa, die von unten her wieder aufgefüllt wird. Der See selbst ist sehr salzig und nicht für Bewässerung oder Fischerei tauglich.
Die Niederschläge ließen die Region ergrünen, die Pflanzen verdunsteten einen Teil davon wieder und verbesserten damit das Klima für sich und die Sahara weiter, bis eine dicht bewachsene Savanne entstanden war. Als sich die Erdparameter vor rund 5500 Jahren wieder umstellten und der Monsun schwächer wurde, brach innerhalb eines geologisch kurzen Augenblicks von wenigen hundert Jahren dieses Ökosystem zusammen.

Doch diese Kollaps-Theorie ist möglicherweise falsch, meint nun Kröpelins Team mit Blick auf einen rund neun Meter langen Sedimentbohrkern aus dem Yoa-See im nördlichen Tschad zwischen den Gebirgsstöcken von Tibesti und Ennedi. Auch er dokumentiert den drastischen Wandel der Umwelt – abgespielt hat er sich allerdings über einen Zeitraum von mehreren tausend Jahren. So dauerte es wohl mehr als 16 Jahrhunderte, bis 3900 Jahre vor heute aus dem stabilen Süß- der brackige Salzwassersee wurde, in dem mittlerweile nur noch eine spezialisierte Flora und Fauna haust.

Probennahme | Forscher bei der Probennahme
Während der ganzen Zeit agierte das Gewässer als Sediment- und Pollenfalle, mit der die Geowissenschaftler die Natur der Umgebung rekonstruieren können. Zu Beginn des Wandels dominierten noch Süßgräser die Vegetation, die von einzelnen Akazien und anderen Bäumen durchsetzt war – eine Savannenlandschaft, die feuchteren Regionen des heutigen Sahels 300 Kilometer weiter südlich glich. Den wärmeren und feuchteren Charakter der damaligen Natur unterstreichen zudem die Pollen typischer Tropenpflanzen und der Baumheide (Erica arborea), von der in der Sahara nur noch Restbestände in den Hochlagen des Tibesti ausharren.

Als das Gebiet austrocknete, verschwanden zuerst die tropischen Baumarten, die zunächst noch niedrigere Bäumen und Büschen ersetzten. Sie gaben allerdings nur ein kurzes Gastspiel, das nach einem weiteren halben Jahrtausend faktisch schon wieder endete. Zur gleichen Zeit lösten sich auch die Grasländer auf, denn der Einflug von entsprechenden Pollen fiel stark ab, während der Wind zugleich immer mehr Feinstaub und Sand in den See eintrug. Vor 2700 Jahren war dann die Desertifikation abgeschlossen, und es machte sich die typisch schüttere Wüstenvegetation breit.

Probennahme | Die Forscher zogen einen neun Meter langen Bohrkern aus den Seesedimenten, der ihnen die Klima- und Vegetationsgeschichte der Region enthüllte.
Erstaunlicherweise steigt ab diesem Zeitpunkt jedoch die Zahl der Graspollen neuerlich markant an, und selbst die Pollen von Eichen und anderen typischen Pflanzen des Mittelmeerraums finden sich nun in den Ablagerungen – obwohl in der Umgebung nach den Klimadaten eigentlich bloßer Sand und Geröll die Oberfläche bedecken sollten. Ein Widerspruch? Ganz im Gegenteil, meinen die Wissenschaftler: Die floralen Relikte belegten vielmehr, dass sich das heutige Passatwind-System etabliert hatte, das stetig aus Nordost weht und von dort das Pflanzenmaterial mit sich führt. Nach rund 3000 Jahren war der Prozess der Wüstenbildung vollendet.

Libyscher Truck nach Wüstenquerung | Dieser libysche Truck – vollbeladen mit Kanistern und dreißig Passagieren – kreuzte am Untersuchungsort der Forscher nach einer Odyssee durch die Sahara auf. Er hatte sich verfahren und wurde durch eine Suchexpedition wiederentdeckt.
Die Ausbreitung der Sahara ist seit damals allerdings noch nicht zum Stillstand gekommen: "Natürliche Ressourcen wie Wasser, Weiden und Holz werden immer knapper angesichts des starken Bevölkerungswachstums südlich der Sahara", erläutert Kröpelin. Dies schränke den Lebensraum von Mensch und Tier ein, die diesem Druck in südlichere Regionen auswichen: "Letztlich verursacht der Mensch dadurch, dass sich die Wüste ausdehnt." Ein gegenläufiger Trend überlagert nun aber zusehends diesen Prozess, so der Kölner: "Am Wüstenrand nehmen die Niederschläge wieder zu, und in den unbewohnten Gebieten sehen wir einen Trend zu einem neuen Ergrünen." Der Auslöser: Die vom Menschen verursachte Erderwärmung wirkt sich zumindest hier segensreich aus und lässt das holozäne Klimaoptimum zurückkehren.

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