Direkt zum Inhalt

Spektakuläre Ausgrabung: Verscharrte Pestopfer im Irrenhaus-Friedhof (mit 360-Grad-Video)

Tausende Tote in einem unterirdischen Bahnhof? Die spektakulärste Ausgrabung des Jahres läuft derzeit in London - gleich neben dem berühmtesten alten Irrenhaus der Stadt.
Arnold Böcklin: Die Pest (1898) im Kunstmuseum Basel.

Seit einigen Monaten arbeiten Archäologen in London an der vielleicht spektakulärsten Ausgrabung des Jahres – dem mindestens 450 Jahre alten Bedlam-Friedhof, über dem gerade ein Bahnknotenpunkt für Hochgeschwindigkeitszüge tiefergelegt wird. Dabei kamen immer wieder unglaubliche Funde ans Tageslicht, allein in diesem Jahr die Überreste von etwa 3500 Toten. Der letzte Fund ist nun aber nochmals spektakulärer: In der Nähe eines simpel mit "1665" beschrifteten Steinmals entdeckten die Archäologen 30 Tote, die wohl sehr hastig an einem Tag mehr schlecht als recht bestattet wurden – offenbar unter dem Eindruck einer Katastrophe und Zeitdruck. Es sei gut denkbar, dass es sich bei den Toten um Opfer der Pest handelt, die in jenem Jahr in London grassierte, so die Grabungsleiter: Die Fundlage unterscheide sich drastisch von den sonst vor Ort vorgefundenen Bestattungen. Näheres über das Schicksal der Toten im Massengrab sollen nun Knochenanalysen liefern.

Massengrab im U-Bahnhof
Auf dem Bedlam-Friedhof sind über 450 Jahre lang vielleicht 30 000 Londoner bestattet worden. In einem Massengrab finden sich Opfer der Pest von 1665, glauben Archäologen.

Insgesamt 60 Archäologen sind seit Monaten beschäftigt, die Funde des alten Gottesackers zu dokumentieren. Er diente zwischen 1569 und mindestens 1738 wohl insgesamt bis zu 30 000 Londonern als letzte Ruhestätte. Der auch als "New Churchyard" bekannte Bedlam-Friedhof hat seinen Namen vom in unmittelbarer Nähe liegenden Bethlehem Hospital (ebenfalls "Bedlam"), einem berühmt-berüchtigten und in die angelsächsische Sprache und Folklore eingegangenen Irrenhaus. Wahrscheinlich sind aber lediglich wenige ehemalige Insassen der Anstalt auf dem gleichnamigen Friedhof bestattet, vermuten Historiker. Allerdings sind ohnehin nur wenige Tote identifizierbar: Zwar finden sich ab und an Grabepigramme; die sind aber oft bis zur Unlesbarkeit korrodiert. Im 18. Jahrhundert wurde der Friedhof dann nicht mehr benutzt. Nachdem er lange außerhalb der Stadtmauern gelegen hatte, wuchs die sich ausdehnende Kapitale rasch über ihn hinweg, und viele Grabsteine wurden als Baumaterial recycelt.

Die Ausgrabungen werden weiter fortgesetzt. Unter den mittelalterlichen Schichten freuen sich die Archäologen auch auf Funde aus der Römerzeit. Im Zuge des Bahnprojekts waren andernorts etwa die Reste von römischen Hufeisen gefunden worden sowie eine Art von frühmittelalterlichen Knochenschlittschuhen.

Schreiben Sie uns!

Beitrag schreiben

Wir freuen uns über Ihre Beiträge zu unseren Artikeln und wünschen Ihnen viel Spaß beim Gedankenaustausch auf unseren Seiten! Bitte beachten Sie dabei unsere Kommentarrichtlinien.

Tragen Sie bitte nur Relevantes zum Thema des jeweiligen Artikels vor, und wahren Sie einen respektvollen Umgangston. Die Redaktion behält sich vor, Zuschriften nicht zu veröffentlichen und Ihre Kommentare redaktionell zu bearbeiten. Die Zuschriften können daher leider nicht immer sofort veröffentlicht werden. Bitte geben Sie einen Namen an und Ihren Zuschriften stets eine aussagekräftige Überschrift, damit bei Onlinediskussionen andere Teilnehmende sich leichter auf Ihre Beiträge beziehen können. Ausgewählte Zuschriften können ohne separate Rücksprache auch in unseren gedruckten und digitalen Magazinen veröffentlicht werden. Vielen Dank!

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.