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News: Verschränkte Billionen

Die "spukhafte Fernwirkung" des einen Quantenpartikels auf ein anderes ist seit ein paar Jahren bewiesen. Bislang gelang es Forschern aber gerade einmal die Zustände von höchsten vier Teilchen zu verschränken. Jetzt zeigt ein Experiment, dass es auch mit einigen Billionen Atomen geht.
"Ich kann aber deshalb nicht ernsthaft daran glauben, weil die Theorie mit dem Grundsatz unvereinbar ist, dass die Physik eine Wirklichkeit in Zeit und Raum darstellen soll, ohne spukhafte Fernwirkungen"; mit diesen Worten an den Kollegen Max Born äußerte Albert Einstein 1947 sein Unbehagen über die Folgen quantenmechanischer Vorstellungen. Zu recht, schließlich musste er sich mit der Vorstellung vertraut machen, dass es in der Welt von Photonen, Elektronen und Quarks zeitlose Reisen geben muss.

Dreh- und Angelpunkt der Quantenmechanik und wesentliche Grundlage zukünftiger Anwendungen vom Quantencomputer bis hin zur Teleportation, ist die Existenz verschränkter Teilchen, beispielsweise Atome oder Photonen. Um sich diesem abstrakten Phänomen zu nähern, wird die Verschränkung immer wieder mithilfe einer Münze beschrieben, deren beide Seiten jeweils einen bestimmten Quantenzustand repräsentieren. Wirft man zwei Münzen, so landet jede auf einer willkürlichen Seite. Die Lage der einen Münze ist vollkommen unabhängig von jener der anderen. Nicht so bei Quantenpartikeln, bei denen es eine Abhängigkeit zwischen den Zuständen gibt. Sind zwei Photonen verschränkt, dann bilden sie ein System, in dem sie sich in einer Eigenschaft - der Polarisationsrichtung etwa - unterscheiden. Entfernen sich die Teilchen voneinander, bleiben die unterschiedlichen Zustände bestehen. Ändert sich die Polarisationsrichtung des einen Photons, muss sich infolgedessen auch die des anderen ändern - egal, wie weit die beiden voneinander entfernt sind.

In den vergangenen Jahren haben zahlreiche Experimente nachgewiesen, dass es diese verschränkten Zustände tatsächlich gibt. Die Übertragung - oder Teleportation - der Quantenzustände von bis zu vier Atomen ist schon mehrmals gelungen. "Beam me up, Scottie" bekommt mit einem Mal sozusagen praktische Aspekte.

Jetzt haben Forscher der University of Arhus eine weitere wichtige Hürde auf dem Weg genommen, der einst - wer weiß das schon - auch zur Teleportation von Raumschiff-Kommandanten führen könnte. Brian Julsgaard und seinen Mitarbeitern gelang die Verschränkung zweier Proben, die aus jeweils einigen Billionen Atomen bestanden.

Dazu verzichteten die Forscher auf eine vollständige Verschränkung aller Atome eines Cäsium-Gases, sondern generierten mithilfe von Laserlicht zwei Gaswolken, in denen jeweils etwas mehr als die Hälfte aller Atome jeweils denselben Spin hatten. Die Verschränkung der Atome beider Gaswolken erfolgte also nicht auf der Ebene einzelner Atome, sondern in ihrer Gesamtheit.

Diese lose Verschränkung vieler Atome ist gegenüber äußerlichen Einflüssen - wie der anschließenden Messung der Spins - viel weniger anfällig, denn Wechselwirkungen von außen verändern unter diesen Umständen nur die Spins verhältnismäßig weniger Atome.

Jeweils 1012 Cäsium-Atome konnten die Forscher für eine halbe Millisekunde lang verschränken - eine halbe Ewigkeit, bedenkt man, dass eine vollständige Verschränkung aller Atome höchstens für den millionstel Teil einer milliardstel Sekunde aufrecht zu erhalten wäre. Sollte den Forschern in Bälde auch die Verschränkung in fester Materie gelingen, rückte der Quantencomputer wohl in greifbare Nähe. Bis Captain Kirks 1028 Atome allerdings auf die zeitlose Reise gehen, wird wohl noch eine kleine Ewigkeit vergehen.

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