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Klimawandel: Versorgungsorakel

Hunger und Durst der Menschheit zu stillen, ist schon heute an zu vielen Orten ein ungelöstes Problem. Der Klimawandel mit seinen unkalkulierbaren Folgen macht diese Aufgabe noch schwieriger. Höchste Zeit, neu darüber nachzudenken, wie sich Risikogebiete sicher vorhersagen und entsprechende Hilfsmaßnahmen planen lassen.
Weizenanbau in Zentralspanien
Der Blick in die Zukunft ist vor allem eines: unsicher. Klar ist nur, uns erwarten mehr Dürren und Überschwemmungen, Hitzewellen und Stürme – wir werden uns dank des selbst verursachten Klimawandels an Extreme gewöhnen müssen. Doch wann und wo genau Mutter Natur ihre Macht demonstriert, wird letztendlich trotz neuester Technologien immer ein Orakeln bleiben.

Planer allerdings, die sich mit dem Haushalten natürlicher Ressourcen und dem Verteilen finanzieller Mittel beschäftigen, brauchen Sicherheiten – oder zumindest Hinweise, wie sich die nächsten Jahre wohl gestalten werden, um an den wichtigsten Stellen eingreifen zu können. Zu ihren größten Sorgen im Rahmen des Klimawandels gehören die Ernährung der Weltbevölkerung und die Wasserversorgung: Beides wird gerade in den ärmsten Ländern der Erde noch schwieriger werden, wie aktuelle Studien wieder einmal verdeutlichen.

Wo droht Hunger?

Reisanbau in Java | Der Klimawandel könnte auf Java zu Ernteeinbußen von zehn Prozent in den nächsten zwei Jahrzehnten führen.
David Lobell von der Universität Stanford und seine Kollegen wagen eine Prognose zum Hunger in der Welt im Jahr 2030. Sie betrachteten zwölf Regionen, die bereits jetzt als unsicher hinsichtlich der Nahrungsversorgung gelten – wie Südasien, den Sahel oder auch das Hochland der Anden. Um die Zukunftsaussichten regional abzuschätzen, betrachteten sie einzelne Nahrungspflanzen, die vor Ort von Bedeutung sind. Um außerdem eine solide Basis zu schaffen, errechneten sie ihre Vorhersagen nicht nur mit einem Klimamodell, sondern gleich mit zwanzig verschiedenen [1].

Das südliche Afrika und Südasien entpuppten sich danach vor allen anderen als zukünftige Hunger-Hotspots. "Wir waren überrascht, wie stark und wie schnell diese Regionen leiden werden, wenn keine Anpassung erfolgt", erklärt Koautor Marshall Burke. Im südlichen Schwarzen Kontinent, so die Resultate, könnten beim Hauptnahrungsmittel Mais in den nächsten zwei Jahrzehnten Ernteeinbußen von dreißig Prozent auftreten, in Südasien belaufen sich die geschätzten Rückgänge auf zehn Prozent bei Mais, Reis und Hirse.
"Wir waren überrascht, wie stark und wie schnell diese Regionen leiden werden, wenn keine Anpassung erfolgt"
(Marshall Burke)
Für andere Regionen jedoch, wie den Sahel oder Westafrika, bleibt das Bild unklar – hier vermeldet eine Hälfte der Klimamodelle eine feuchtere Zukunft, die andere Hälfte eine trockenere.

Doch nicht nur in der Landwirtschaft, auch in der Wasserwirtschaft bricht ein neues Zeitalter an, mahnen daher Christopher Milly vom US Geological Survey und seine Kollegen. Bislang laufen wasserwirtschaftliche Planungen auf der Basis vergangener Ereignisse, denn früheres Abflussgeschehen und Niederschlagsregime bieten den Rahmen für das Erwartete. Doch das ist vorbei [2].

Umdenken in der Wasserwirtschaft

Denn: "Die zu erwartenden Veränderungen des Wasserhaushaltes werden deutlich über die Grenzen bislang beobachteter Schwankungen hinausgehen", gibt Koautor Zbigniew Kundzwicz vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung zu bedenken. Die steigenden Lufttemperaturen ermöglichen einen verstärkten Wassertransport in der Atmosphäre mit entsprechenden Folgen für Niederschlagsmuster und dem Risiko von Überschwemmungen.
"Die zu erwartenden Veränderungen des Wasserhaushaltes werden deutlich über die Grenzen bislang beobachteter Schwankungen hinausgehen"
(Zbigniew Kundzwicz)
Abschmelzende Gletscher und schrumpfende Schneeflächen verringern die Vorräte an gefrorenem Süßwasser – für Hochgebirgsregionen teilweise die entscheidenden Wasserlieferanten. An den Küsten gefährden steigende Meeresspiegel durch eindringendes Salzwasser die Grundwasservorkommen.

Prognose zur Wasserversorgung | Die von Modellen projizierten Änderungen des durchschnittlichen jährlichen Wasserabflusses von eisfreiem Land (2041 bis 2060 gegenüber 1900 bis 1970) in Prozent. Zu Grunde liegen die Bedingungen des Szenarios SRES A1B des IPCC.
Milly und Kollegen bestätigen in ihrer Arbeit frühere Voraussagen, wonach in den nördlichen Breiten und einigen tropischen Regionen die Wasserverfügbarkeit zunehmen wird, während das kostbare Nass im Mittelmeerraum, Südafrika und dem südwestlichen Nordamerika zum knappen Gut wird, und die Gefahr von Dürren steigt. Um der Anforderung gerecht zu werden, mit der Ressource Wasser auch in Zukunft richtig zu haushalten, müssten die Prognoseinstrumente neu definiert und der Informationsfluss zwischen Klimaforschung und Wassermanagement dringend verbessert werden, fordern die Wissenschaftler.

Menschengemacht Probleme – wie heißt die Lösung?

Klimawandel im Westen der USA | Im Westen der USA beobachten Forscher eine verringerte Schneedecke, früher im Jahr auftretende Hochwasser und steigende Frühjahrstemperaturen. Dies geht auf den menschgemachten Klimawandel, nicht natürliche Schwankungen zurück, wie Simulationen zeigen.
Wie stark der Mensch in den regionalen Wasserkreislauf eingreift, belegen Tim Barnett von der Universität von Kalifornien in San Diego und seine Mitarbeiter. Als sie die Geschehnisse der vergangenen fünfzig Jahre mit verschiedenen Klimamodellen und Parametern nachzuzeichnen versuchten, kristallisierte sich die menschgemachte globale Erwärmung klar aus Hauptfaktor heraus [3]. Natürliche Schwankungen reichten bei Weitem nicht aus, um die Beobachtungen zu erklären.

Schon jetzt fällt weniger Schnee, statt dessen mehr Regen, und die Schneebedeckung schmilzt früher – auf Grund steigender Temperaturen. Im Jahr 2040 dürften etliche Gebiete der Sierras und Rocky Mountains zum 1. April schneefrei sein.
"Für jemanden wie mich, der sieben Enkel hat, ist das der blanke Horror"
(Tim Barnett)
Diese zeitliche Verlagerung führt zu stärkeren Überschwemmungen im Frühjahr, gefolgt von größerer Trockenheit in den Frühsommer- und Sommermonaten. "Für jemanden wie mich, der sieben Enkel hat, ist das der blanke Horror", beschreibt Barnett die Aussichten.

Was tun, werden sich Verantwortliche fragen. Wonach sollen sie sich bei der Mittelvergabe richten? Worin investieren? Molly Brown vom Goddard Space Flight Center und Christopher Funk von der Universität von Kalifornien in Santa Barbara heben in einem begleitenden Kommentar auf technologischen Fortschritt ab: verbesserte Bewässerungssysteme, Düngemitteleinsatz, moderne Züchtungen, eventuell auch schlicht Wechsel der Sorten – beispielsweise von Mais zu Sorghum, das trockenheitsresistenter ist [4].

Für Bauern in den Industrieländern mag das ein gangbarer Weg sein. Für die Millionen Kleinbauern aber, die bei mageren Ernten nicht nur mit weniger eigenen Vorräten, sondern auch Einkommenseinbußen rechnen müssen, weil ihnen für den Verkauf auf dem lokalen Markt nichts mehr übrig bleibt, ist das wohl mehr als zweifelhaft. Für sie ist die Zukunft nicht nur unsicher – sie wird noch lebensbedrohlicher, als die Gegenwart schon ist.

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