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Verwechslung: Verwirrter Vater füttert fremden Nachwuchs

Ein kurioser Zufall bringt einen Vogelvater komplett durcheinander - und Fachleute können ein sehr seltenes und rätselhaftes Verhalten filmen.
Rotkehl-Hüttensänger im Anflug auf einen Nistkasten.

Bei einer Untersuchung über die Auswirkungen von Lärm auf Vögel machten Fachleute eine völlig unerwartete Beobachtung. Ein Männchen des Rotkehl-Hüttensängers (Sialia sialis) fütterte dabei den Nachwuchs von Sumpfschwalben (Tachycineta bicolor) – ein Verhalten, das bisher kaum bekannt ist. Entsprechend rätselhaft sind die Ursachen. Nun entdeckten Danielle P. Williams, Margaret C. Brittingham und Julian D. Avery von der Pennsylvania State University dieses Verhalten aus purem Zufall unter kontrollierten Bedingungen. Sie kommen in ihrer Veröffentlichung im »Wilson Journal of Ornithology« zu dem Schluss, dass der Rotkehl-Hüttensänger schlicht verwirrt war. Das fremde Nest war nur einen Meter von seinem eigenen entfernt – und zusätzlich das, in dem er selbst geschlüpft war.

Bemerkenswert sei aber die Hartnäckigkeit, mit der das Männchen an seinem Irrtum festhielt. Der Nachwuchs der Sumpfschwalben sieht ganz anders aus und hat auch andere Bettelrufe als die Brut der Hüttensänger, was dem falschen Vater jedoch nicht auffiel. Er flog sogar gleichzeitig mit dem Schwalbenweibchen in den Nistkasten hinein und hinaus und saß neben ihm auf dem Dach des Kastens, ohne das Problem zu bemerken. Daraus schließen Williams und ihre Gruppe, dass das Männchen durch den Aufbau ihres Experiments in die Irre geführt wurde.

© Julian Avery, Penn State
Hüttensänger-Papa beim Füttern
Manche Hüttensänger-Väter sind verwirrt genug, um beim Füttern ihren eigenen und fremden Nachwuchs durcheinanderzubringen.

Das Team hatte 80 Nistkästen paarweise an Bäumen aufgehängt, jeweils im Abstand von etwa einem Meter, und beschallte 20 von ihnen mit dem Lärm einer Schiefergasförderanlage. Diese Anordnung in Paaren und ein kurioser Zufall waren wohl Auslöser des seltenen Verhaltens. Die Hüttensänger nisteten in Kasten A eines Baums, waren aber selbst beide nur wenige Wochen zuvor in Kasten B zur Welt gekommen – in dem nun ein Sumpfschwalbenpaar nistete. Anscheinend orientiere sich das Männchen nicht nur an den Rufen der Jungen, sondern erkenne auch den Ort des Nestes wieder. Wenn es sein Nest gefunden hat, so die Schlussfolgerung, sei der Drang, den Nachwuchs zu versorgen, stärker als alle Informationen, die es womöglich davon abbringen könnten.

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