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Asexuelle Fortpflanzung: Verzicht auf Sex und Männer muss nicht schaden

Eine nur aus Weibchen bestehende Art kleiner Süßwasserfische zeigt: Schon ein vielfältiger individueller Genpool kann Sex verzichtbar und die rein vaterlose Fortpflanzung auf Dauer erfolgreich machen.
Schwarzer und weißer Molly

Die Amazonaskärpflinge oder Mollys (Poecilia formosa) schreiben eine männerlose Erfolgsgeschichte: Die ausschließlich als Weibchen lebenden Fische verzichten auf alle vermeintlichenVorteile von Sex und gedeihen als Spezies trotzdem ungemein erfolgreich. Das widerspricht eigentlich evolutionsgenetischen Vorhersagen wie der "Mullerschen Ratsche": Wie gelingt es den asexuellen Mollys, über viele Generationen zu vermeiden, dass ihr Genpool allmählich durch angesammelte schädliche Mutationen degeneriert und sie dann zum Beispiel zur leichten Beute von Krankheitserregern werden? Dem Rätsel gingen nun Forscher um Manfred Schartl von der Universität Würzburg und Kollegen mit einer Genanalyse in "Nature Ecology & Evolution" nach.

Die Analysen enthüllten dabei zunächst Erstaunliches. Irgendwie schaffen es die seit wohl rund 100 000 Jahren sexabstinenten Mollys, ein in jeder Hinsicht gesundes Genrepertoire zu erhalten. Das betrifft zudem alle Bereiche des Erbguts: Nicht nur die für die Körperabwehr zuständigen Gene tragen bemerkenswert wenige schädliche Mutationen, deren Zahl der Lehrmeinung zufolge eigentlich vor allem durch sexuelle Rekombination minimiert werden muss. Nein – selbst völlig nutzlos gewordene Erbgutabschnitte, die etwa die Produktion von Spermien steuern, sind nicht auffällig degeneriert und bleiben prinzipiell voll funktionsfähig.

Als Ursache für das stabile Genom vermuten die Wissenschaftler eine seit Beginn der Artbildung hohe Heterozygotie – also ein besonders vielfältiges Gemisch von Allelen und Genvarianten im Chromosomensatz der Amazonaskärpflinge. Das betrifft vor allem auch die Immungene und sorgte so wohl dafür, dass die Körperabwehr, anders als bei anderen asexuellen Arten, stets flexibel genug blieb, um auf verschiedene Attacken von allerlei Erregern immer neue Antworten finden zu können. Den Mollys gelingt es offenbar, die Nachteile des Sexverzichts zu vermeiden, ohne auf die Vorteile verzichten zu müssen. So leidet die Art zum Beispiel nicht unter der insgesamt deutlich höheren Mutationsanfälligkeit männlicher Genome – eine Folge der hochtourigen und fehleranfälligen Spermienproduktion im männlichen Geschlecht anderer Spezies.

Am Ende fragt sich, warum eigentlich nicht mehr Arten höherer Organismen asexuell agieren. Immerhin scheint den Untersuchungen nach nicht zwangsläufig zu gelten, dass man sich mutationsbedingte Nachteile einhandelt, wenn man sich die Mühsal von Sex spart – sich zum Beispiel also zwei Geschlechter und einen komplizierten, fehleranfälligen Paarungsakt nicht leisten zu müssen. Dennoch finden sich asexuelle Ausnahmen neben den Mollys nur noch bei Fadenwürmern. Dies könnte an einer evolutionären Pfadabhängigkeit liegen, vermuten Schartl und Co: In den Evolutionslinien der komplexeren Vielzeller ist Sex bereits als Replikationsmechanismus der Wahl angelegt, und nur eine recht komplexe Umprogrammierung unter günstigen Umständen erlaubt, diesen einmal vorgegebenen Weg wieder ohne große Nachteile zu verlassen. Tatsächlich ist auch die Fortpflanzung der Mollys alles andere als eine einfache Geschichte: Auch bei der asexuellen Merospermie der Mollys paaren sich die rein weiblichen Fische stets mit einem beliebigen interessierten Männchen einer nahe verwandten Art und benutzen die dabei empfangenen Spermien als Trigger für die Entwicklung ihrer Eizellen. Die Fremdspermien müssen dort eindringen, um die ersten Zellteilungen der Oozyten auszulösen. Der männliche Chromosomensatz wird anschließend aber in Gänze verworfen.

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