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Kosmologie: Verzwickte Drehungen um Schwarze Löcher

Es ist immer das Gleiche im Weltall: Ein massereiches Objekt rotiert rasend schnell um die eigene Achse und sendet dabei Teilchen und Energie in scharf begrenzten Jets ab. Aber wieso eigentlich so eng gebündelt? Und woher stammt der Antrieb dafür?
Schwarzes Loch
Astronomen sind so einiges gewöhnt von ihren Studienobjekten. Wahnsinnig große Energien, irrwitzige Geschwindigkeiten, schier unendliche Entfernungen – als Forscher nimmt man das alles klaglos staunend hin und verspürt nur den bescheidenen inneren Wunsch, wenigstens in groben Zügen zu verstehen, wie es funktioniert. Da wären zum Beispiel die so genannten "lauten" Quasare. Ganz zu Beginn der Teleskopzeit hielt man sie für so etwas ähnliches wie Sterne, woher der Name "Quasar" gleich "quasistellares Objekt" kommt. Als die Fernrohre mehr hergaben, entpuppten sie sich als ungeheuer weit entfernte Galaxien, von denen einige besonders aktiv sein müssen, denn trotz der Distanz senden sie erstaunlich viel Energie zur Erde, daher der Namenszusatz "laut". Den Motor des Ganzen erkannte man schließlich in Schwarzen Löchern mit gigantischen Massen (rund eine Milliarde Sonnenmassen). Eine Häufung von Superlativen voller Geheimnisse.

Zu den rätselhaftesten Fragen zählt, warum die Quasare ihre Energie und schnellen Teilchen in scharf gebündelten Jets ausstoßen, statt sie gleichmäßig in alle Richtungen abzustrahlen. Das Phänomen ist keineswegs ungewöhnlich, auch Neutronensterne, Gammastrahlenausbrüche und Mikroquasare geben ihre Energie räumlich gesammelt ab. So ganz einfach ist diese Vorliebe allerdings nicht zu erklären. Für die lauten Quasare werden zwei Quellen diskutiert: Entweder ist das jeweilige Schwarze Loch selbst daran schuld oder die umgebende Scheibe aus Staub und Gas. Da kein Teleskop stark genug vergrößert, um kurzerhand nachzusehen, wer oder was da strahlt, bleibt den Astronomen nichts anderes übrig, als Modelle aufzustellen und zu rechnen.

Und an dieser Stelle wird es im wahrsten Sinne des Wortes astronomisch kompliziert. Die Superlative der Schwarzen Löcher bewirken, dass die Physik in ihrer Nähe nicht so abläuft, wie wir es aus dem Alltag gewohnt sind. Fortan gelten die Regeln der Allgemeinen und Speziellen Relativitätstheorie, die Grundlage für Modelle zum Gravitohydromagnetismus sind, mit dem die Prozesse beschrieben werden. Eine besonders verwirrende Eigenschaft dieser theoretischen Überlegungen ist, dass die Raumzeit in der Nähe des Schwarzen Loches verzerrt wird, sodass links und rechts unterschiedliche Zeiten gelten – sofern links und rechts überhaupt auszumachen sind. Kurz: Bei vielen Simulationen gab es dermaßen viele Wechselwirkungen und komplizierte Verknüpfungen, dass niemand mehr die grundlegende Physik der Ereignisse in den Rechnungen wiederfand.

Bild | Die Drehung des Schwarzen Lochs verzerrt die Raumzeit, sodass anfangs gerade magnetische Flussbahnen von außen betrachtet allmählich aufgewickelt werden (A bis C). Für Strahlung und Teilchen gibt es als Fluchtweg nur den engen Bereich des Jets (C).
Darum entschlackten drei Astronomen um Wladimir Semenov von der Universität im russischen St. Petersburg die Formeln, indem sie den magnetischen Fluss als eine Art dünnen, aber extrem dehnbaren Faden auffassten. Mit dieser Vereinfachung konnten sie in ihrer Simulation sehen, wie der Weg und Verlauf der einzelnen Fäden von der Rotation des Schwarzen Loches mitgerissen wird und schließlich einen Jet bildet. Ein geladenes Teilchen würde demnach von der Gravitation auf das Schwarze Loch zu gerissen werden. Bald würde es jedoch das magnetische Feld deutlich spüren, welches es auf spiralige Wege führen will. Der Kampf zwischen Gravitation und elektromagnetischer Kraft sorgt für Dynamik und wickelt den magnetischen Fluss regelrecht um das Schwarze Loch. Es entstehen sogar Regionen mit exotischer negativer Energie. Einen Ausweg für Teilchen und Strahlung bieten nur enge Bereiche um die Rotationsachse – als Jets schießen sie davon ins Weltall.

Kaum zu glauben, dass dies die vereinfachte Version der wahren Vorgänge ist. Von einer brauchbaren Simulation, die alle Parameter berücksichtigt, sind wir nach Meinung anderer Physiker noch weit entfernt. Aber zumindest eine grobe Vorstellung erlaubt uns das Modell. Und ein gewisses Verständnis, dass die Teilchen annähernd mit Lichtgeschwindigkeit durchs Universum schießen – wer mag es ihnen verdenken, bei diesen Spannungen zu Hause?

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