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Asteroiden: Vestas Geschichte in Stein

Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung (MPS) um Andreas Nathues haben begonnen, dem rätselhaften dunklen Material auf dem Asteroiden Vesta seine Geschichte zu entlocken. Mit Hilfe des wissenschaftlichen Kamerasystems an Bord der NASA-Raumsonde Dawn gelang es erstmals, mit Serpentin einen mineralischen Bestandteil nachzuweisen. Die neue Entdeckung setzt einen Schlussstrich unter die Diskussion um den Ursprung des dunklen Materials auf der Vesta-Oberfläche: Einschläge urtümliche, kohlenstoffreicher Asteroiden müssen es auf Vesta verteilt haben.
Gesamtansicht von Vesta, aufgenommen von der US-Raumsonde Dawn

Das so genannte dunkle Material, das sich an verschiedenen Stellen auf der Oberfläche von Vesta findet, ist eines seiner außergewöhnlichsten Merkmale. Seit der Ankunft der NASA-Raumsonde Dawn bei Vesta im Juli 2011 beschäftigt das Material, das ebenso effizient Licht schluckt wie Ruß, die Wissenschaftsgemeinde. Aus welchen Stoffen besteht es? Wie ist es entstanden? Und was verrät es über diesen einzigartigen Himmelskörper, der sich anschickte ein Planet zu werden, aber vor etwa 4,5 Milliarden Jahren in einer frühen Phase seiner Entwicklung steckenblieb? Manche Forscher bezeichnen den Asteroiden Vesta auch als einen "Protoplaneten".

Der Krater Numisia auf Vesta | Der Krater Numisia direkt südlich des Äquators hat einen Durchmesser von 30 Kilometern. Aufnahmen des Kamerasystems an Bord der NASA-Raumsonde Dawn mit dem klaren Filter (links) zeigen dunkles Material sowohl an den Kraterwänden, als auch im Material, das beim Einschlag herausgeschleudert wurde. Mit Hilfe seiner Farbfilter zerlegt das Kamerasystem das reflektierte Licht in einzelne Wellenlängenbereiche, um so weitere Unterschiede in der Oberflächenzusammensetzung sichtbar zu machen (rechts). In solchen Daten fanden die Forscher die charakteristischen spektralen Fingerabdrücke des Minerals Serpentin.

Mit ihrer neuen Arbeit beantworten die Forscher vom MPS einen Teil dieser Fragen. So konnten sie in dem dunklen Material das Silikatmineral Serpentin identifizieren. Bereits vor etwa anderthalb Jahren hatten andere Forscher erkannt, dass das dunkle Material reich an Kohlenstoff ist. Nun gelang es neben einzelnen Elementen und einfachen Verbindungen wie OH-Gruppen, komplexe Mineralien zu identifizieren. Serpentin ist ein hydroxylhaltiges Magnesium-Schichtsilikat und wird in seinen einfachsten Formen als Antigorit oder Chrysotil mit der Formel Mg3Si2O5(OH)4 bezeichnet. An die Stelle von Magnesium können auch Eisen, Aluminium, Nickel und Mangan treten, so dass es eine Vielzahl von verwandten Mineralen gibt. Daher spricht man auch von der Serpentin-Gruppe. Seinen Namen erhielt das Mineral schon im Jahr 1546 vom deutschen Naturforscher Georg Agricola (Georg Bauer, 1494 – 1555) nach dem lateinischen Wort für Schlange = serpens, da ihn die Wuchsformen und die grünlichen Farben des Minerals an Schlangen erinnerten.

Wie jedes Mineral entsteht auch Serpentin nur unter bestimmten Bedingungen: Druck und Temperatur dürfen weder zu hoch, noch zu niedrig sein; begleiten weitere Elemente wie etwa Wasserstoff die Geburtsstunde, bilden sich vorzugsweise andere Verbindungen. Serpentin kann Temperaturen oberhalb von 400 Grad Celsius nicht überstehen: im Serpentin enthaltene Verbindungen aus einem Sauerstoff- und einem Wasserstoffatom verändern sich dann und je nach Umgebungsbedingungen entstehen andere Stoffe. Somit ist das dunkle Material also nicht sehr heiß geworden. Da Vesta – anders als die meisten wesentlich kleineren Asteroiden – in einer frühen Entwicklungsphase heiß und geschmolzen war, kann das dunkle Material somit kein ursprünglicher Bestandteil des Asteroiden sein. Auch ein vulkanischer Ursprung, den manche Wissenschaftler vermuten, ist somit ausgeschlossen.

Als Erklärung übrig bleiben Einschläge von Asteroiden. Manche urtümliche Meteorite enthalten typischerweise Serpentin enthalten und gelten als Bruchstücke kohlenstoffreicher Asteroiden. Solche Einschläge müssen zudem vergleichsweise gemächlich abgelaufen sein, denn auch ein Asteroid, der mit hohen Geschwindigkeiten aufprallt, hätte zu hohe Temperaturen erzeugt. In einer früheren Studie hatten Wissenschaftler des MPS berechnet, wie sich das dunkle Material durch ein solches Ereignis verteilen würde. Die tatsächlichen Fundstellen am Rande eines der beiden großen Einschlagbecken der Südhalbkugel decken sich mit diesen Berechnungen.

Schlüssel zu den aktuellen Ergebnissen war eine genauere Analyse der Bilder, welche das Kamerasystem an Bord der Raumsonde Dawn in der Zeit von Juli 2011 bis September 2012 aus Umlaufbahnen um Vesta aufgenommen hatte. Die sieben Farbfilter des Kamerasystems können bestimmte Wellenlängenbereiche aus dem Licht, das Vesta zurück ins All reflektiert, herausfiltern und so die charakteristischen "Fingerabdrücke" bestimmter Materialien aufspüren. Die Gebiete, in denen das dunkle Material an den steilen Rändern großer Krater zu Tage tritt, sind nicht groß. Manchmal erstreckt es sich in einer Richtung nur über wenige hundert Meter. Erst durch sorgfältiges Rekalibrieren ist es nun gelungen, den Daten die neuen Informationen zu entlocken. Zudem nutzten die Forscher Messdaten des Spektrometers VIR an Bord der Sonde.

Um Serpentin zweifelsfrei in ihren Kameradaten zu identifizieren, untersuchten die Forscher auch serpentinhaltige Mineralmischungen und Meteoriten im Labor. Die Fingerabdrücke, welche diese Proben in reflektiertem Licht hinterlassen, stimmen gut mit den realen Messdaten von Vesta überein.

MPS / Red.

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