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Videocalls: Aus dem Gleichtakt gebracht

Warum ist ein Videocall anstrengender als ein persönlicher Plausch? Womöglich, weil die Hirnaktivitäten der Gesprächspartner bei einer digitalen Unterhaltung weniger synchron sind.
Ein Mann sitzt an einem Tisch vor einem Computer, hat ein Headset auf und fasst sich an die Stirn.
Videocalls empfinden viele Menschen als kräftezehrend (Symbolbild).

Die Hirnaktivitäten von Mutter und Kind laufen in einem Videocall weniger synchron als bei einem Gespräch von Angesicht zu Angesicht. Das berichtet eine Forschungsgruppe um Ruth Feldman von der Reichman University in Israel. Die im Fachmagazin »Neuroimage« veröffentlichten Ergebnisse könnten erklären, warum digitale Gespräche so ermüdend sind.

62 Mutter-Kind-Paare sollten sich über positive Themen wie ihre Urlaubspläne frei unterhalten. An der Kopfhaut angebrachte Elektroden zeichneten währenddessen ihre Hirnaktivität auf. Einmal saßen sich die Teilnehmenden dabei in einem Raum gegenüber, ein anderes Mal liefen die Gespräche als Videokonferenz ab. In einer Kontrollbedingung befanden sich beide zwar im selben Raum, durften einander jedoch weder anschauen noch miteinander reden.

Ergebnis: Sprachen die Paare miteinander – direkt oder via Bildschirm –, so waren ihre Hirnwellen stärker synchronisiert. In der Vis-à-vis-Bedingung konnten die Wissenschaftler neun Hirnregionen mit erhöhter Konnektivität ausmachen. Kommunizierten die Paare per Fernschaltung, bestand nur noch eine dieser Verknüpfungen. Mit dem Gleichtakt der Gehirne gingen außerdem bestimmte soziale Verhaltensweisen einher, allerdings nur, wenn sich die Versuchspersonen direkt ansehen konnten, und dann arbeiteten auch ihre rechten Schläfenlappen im Gleichschritt. Außerdem synchronisierten sich Regionen im Stirnhirn, wenn das Kind Empathie zeigte.

Das Team hatte sich für Mutter-Kind-Paare als Versuchspersonen entschieden, weil sich die Gehirne von miteinander vertrauten Menschen stark koppeln. So sei es bei Müttern und ihren Kindern zu erwarten gewesen, dass sich die Muster auch auf Videokonferenzen übertragen. Möglicherweise führe die fehlende neuronale Gleichschaltung im Videocall zu einer kognitiven Überlastung, weil man sich weniger auf nichtverbale Kommunikation verlassen könne, vermutet die Gruppe. Das könnte zum Phänomen der »Videokonferenz-Erschöpfung« beitragen.

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