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News: Viel los auf Io

Eigentlich ist Io für seine Vulkane bekannt. Aber auch sonst passiert auf der Oberfläche des Jupitermondes eine ganze Menge. Darum haben sich Astronomen den Trabanten in den letzten Jahren mit der Raumsonde Galileo und dem Hubble Space Telescope sehr genau angeschaut. Die Ergebnisse haben den Forschern einige Überraschungen beschert: Wandernde Eruptionswolken über Prometheus, in großen Schritten auseinanderweichende Gebirgszüge und eine mögliche Erklärung für die reizvollen Farbspiele der Schwefelverbindungen auf Ios Oberfläche. Und alles in Ausmaßen, über die wir auf der Erde nun wirklich nur staunen können.
Io kann sich wahrhaftig nicht über mangelnde Abwechslung beklagen – weder die junge Dame der griechischen Mythologie, noch der gleichnamige Mond, der Jupiter umrundet. Bilder seiner von Vulkanen und Gebirgen überzogenen Oberfläche zeugen von einem farbenprächtigen Schauspiel voller Überraschungen (Science vom 19. Mai 2000).

Da wären zum Beispiel die wanderfreudigen Eruptionswolken von Prometheus. Obwohl sich die Hauptöffnung des Vulkans zumindest in den Jahren 1979 bis 1996 nicht vom Fleck gerührt hat, ist die darüberstehende, 80 Kilometer hohe Wolke aus Gas und Partikeln seitdem um 85 Kilometer nach Westen abgezogen. Dabei hat sie ihre Größe und Form unverändert beibehalten. "Ein derartiges Verhalten wurde auf der Erde noch nie beobachtet", erklärt Susan Kieffer von Kieffer Science Consulting, Inc. in Ontario. Als die Raumsonde Galileo den Vulkan etwas genauer unter die Lupe nahm, hatten die Wissenschaftler festgestellt, dass es sich dabei um ein vulkanisches Feld ähnlich den Hawaii-Hot Spots handelt, das jedoch sehr viel aktiver und größer ist. Die von dem Vulkan ausgestoßene Wolke bricht am Ende der Lavaströme hervor, vergleichbar den Verhältnissen beim Eintritt der hawaiianischen Lavaströme in den Ozean. Kieffer und ihre Kollegen vermuten nun, dass die Eruptionswolke durch "Schneefelder" aus Schwefeldioxid oder elementarem Schwefel gespeist wird, die unter den Lavaströmen verdampfen.

Auch das schillernde Farbenspiel auf Ios Oberfläche hat Astronomen seit den ersten Bildern fasziniert. Aus der inzwischen bestehenden Galerie von Aufnahmen zum einen vom Hubble Space Telescope und zum anderen von Galileo konnten sie einiges über die Rolle des Schwefels auf dem Trabanten ableiten. So hatten Wissenschaftler zum Beispiel angenommen, dass die leuchtend roten Felder von instabilen Schwefelformen stammen, die aus Schwefelgas kondensieren. Hubbles Ultraviolett-Spektroskop entdeckte nun eine Überraschung: Der Vulkan Pele spuckt in seiner Plume eine 350 Kilometer hohe Wolke gasförmigen Schwefels aus. Der Schwefel liegt dabei als Dimer vor, was noch nie zuvor auf Io beobachtet wurde. Diese Moleküle sind nur bei sehr hohen Temperaturen beständig, so dass sie, wenn sie auf die mit minus 160 Grad Celsius recht frostige Oberfläche Ios treffen, sich zu größeren Verbindungen mit drei oder vier Atomen zusammenlagern. Diese Schwefelverbindungen sind intensiv rot, was den im Durchmesser 1200 Kilometer großen Schuttring um Pele erklären würde. Galileo hat noch weitere, allerdings kleinere rote Flecken in der Nähe von Ios aktiven Vulkanen aufgespürt, die womöglich auf denselben Prozess zurückgehen. Die Ablagerungen dort finden sich vor allem in der Nähe von Calderen und Schildvulkanen.

Doch Io hat nicht nur Rot zu bieten. Einen schönen Gegensatz dazu bildet hellgrüne Materie, über deren Zusammensetzung die Forscher ebenfalls rätselten. An manchen Stellen schien sich roter Schutt, der sich auf frischen Lavaströmen insbesondere am Boden von Calderen ablagerte, in grüne Materie zu verwandeln. Womöglich sind diese Stellen immer noch warm, was die Transformation der roten Schwefelformen und die Sublimation von Schwefeldioxid beschleunigt. Letztendlich nehmen alle Ablagerungen irgendwann eine blassgelbe Farbe an, als Zeichen für den normalen gelben Schwefel, der aus acht ringförmig angeordneten Atomen aufgebaut ist.

Ios Oberfläche besteht aber nicht nur aus Vulkanen, obwohl sie seinen Ruf bestimmen. Die Gebirgsketten, die mit 16 Kilometern Höhe doppelt so hoch sind wie der Mount Everest, sind nicht vulkanischen Ursprungs, sondern anscheinend riesige geschmolzene Blöcke der Kruste. Bei den ausgedehnten Vertiefungen könnte es sich um Calderen eingestürzter Magmakammern handeln. Anders als auf der Erde besitzen die Calderen auf Io steile Wände, scharfe Kanten, und liegen in der Nähe von Bergen. Auf einem neuen Bild von der Hi'iaka Patera-Vertiefung und den angrenzenden Bergen entsteht der Eindruck, als ob zwei Gebirgsblöcke zerbrochen und 145 Kilometer auseinander geglitten sind. Dadurch hat sich zwischen ihnen ein Grabenbruch entwickelt, vergleichbar dem Tal des Oberrheingrabens oder dem Tal des Todes in Kalifornien. Auf der Erde sind dafür plattentektonische Prozesse verantwortlich, aber auf Io gibt es bisher keine Hinweise auf ähnliche Vorgänge. Alfred McEwen von der University of Arizona in Tucson vermutet: "Wir halten es für möglich, dass Seitwärtsbewegungen durch tiefe Mantel-Plumes von aufsteigenden heißen Gesteinsmassen im Innern von Io verursacht werden." Bis sich die Wissenschaftler einigermaßen sicher sind, werden sie aber wohl noch einige Bilder auswerten müssen. Aber Hubble und Galileo haben die Augen ja weit aufgemacht und gut hingeschaut.

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