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News: Viel Wirbel um den anthropogenen Treibhauseffekt

Der anthropogene Treibhauseffekt - bedingt durch einen Anstieg bestimmter Spurengase in der Atmosphäre - wird in den Medien sehr kontrovers und zum Teil sehr emotional diskutiert. Die Voraussagen für das Klima der Zukunft reichen von neuen Eiszeiten bis hin zu Weihnachten unter Palmen in Mitteleuropa. In manchen Veröffentlichungen wird sogar der Prozeß an sich angezweifelt. Doch das globale Klima ist ein äußerst komplexes System, und es ist schwierig, alle relevanten Faktoren in Berechnungen zu berücksichtigen. Als Beitrag zur allgemeinen Diskussion hat die Deutsche Meteorologische Gesellschaft eine Stellungnahme zur Basis des anthropogenen Treibhauseffektes verfaßt, in der die Autoren auch auf verschiedene Argumente von Klimakritikern eingehen.
Der Text dieser Stellungnahme wurde von Herrn Prof. Dr. H. Fischer (Karlsruhe) unter Mitwirkung anderer Strahlungsfachleute (insbesondere Prof. Dr. H. Graßl, Genf; Prof. Dr. H. Quenzel und Dr. P. Köpke, München) der Deutschen Meteorologischen Gesellschaft erarbeitet.

Es ist unstrittig, daß der anthropogene Treibhauseffekt noch nicht unzweifelhaft nachgewiesen werden konnte. Allerdings liegt bereits eine Reihe von Indizien für eine anthropogene Erwärmung vor. Nach wie vor gibt es jedoch Diskussionen über verschiedene Rückkopplungsprozesse im komplexen Klimasystem. Da in letzter Zeit mehrere Publikationen von sogenannten Klimakritikern in Zeitungen und als Bücher erschienen sind, die sogar die Änderungen des Strahlungshaushaltes des Systems Erde/Atmosphäre anzweifeln, wurde die folgende Stellungnahme verfaßt. Es soll erläutert werden, wie sich aufgrund der Konzentrationszunahmen der klimarelevanten Spurengase die Flüsse elektromagnetischer Strahlung in der Atmosphäre verändern und als Folge eine Erwärmung der Troposphäre eintreten muß, wenn vorausgesetzt wird, daß dadurch keine anderweitigen Änderungen bei physikalischen (insbesondere dynamischen) und chemischen Prozessen im System Erde/Atmosphäre verursacht werden. Unter diesen idealisierten Bedingungen ist der anthropogene, zusätzliche Treibhauseffekt unvermeidlich.

Als Ausgangspunkt wird zunächst der Strahlungshaushalt der Erde ohne Atmosphäre beschrieben. In diesem Fall wird die auf die Erdoberfläche ungeschwächt einfallende Sonnenstrahlung teilweise absorbiert und teilweise reflektiert. Der absorbierte Anteil wird in Wärme umgewandelt und muß im Gleichgewichtszustand im infraroten Spektralbereich wieder abgestrahlt werden. Unter diesen Umständen ergibt sich aus einfachen Modellrechnungen an der Erdoberfläche eine mittlere Temperatur von etwa -18 Grad Celsius. Bei Hinzunahme der Atmosphäre wird die an der Erdoberfläche einfallende solare Strahlung nur wenig geschwächt, da die Atmosphäre im sichtbaren Spektralbereich weitgehend durchlässig ist. Im infraroten Spektralbereich dagegen wird die vom Boden emittierte Strahlung nun zu einem großen Teil von der Atmosphäre (insbesondere von Gasen wie H2O, CO2, O3) absorbiert und von dieser – allerdings entsprechend ihrer Temperatur – wieder in alle Richtungen abgestrahlt. Nur in sogenannten Fensterbereichen (insbesondere im großen atmosphärischen Fenster im Wellenlängenbereich von 8 bis 13 Mikrometern) kann die Infrarotstrahlung vom Boden teilweise direkt in den Weltraum entweichen. Die von der Atmosphäre nach unten emittierte Infrarotstrahlung (die sogenannte Gegenstrahlung) erhöht die Energiezufuhr der Erdoberfläche. Ein Gleichgewichtszustand kann sich nur einstellen, wenn die Bodentemperatur sich erhöht und damit durch das Plancksche Gesetz eine erhöhte Abstrahlung möglich wird. Dieser unbestrittene natürliche Treibhauseffekt führt zu einer mittleren Erdoberflächentemperatur von +15 Grad Celsius.

Auf dieser Basis läßt sich auch der anthropogene zusätzliche Treibhauseffekt erklären. Durch die vom Menschen verursachte Konzentrationszunahme der klimarelevanten Spurengase (CO2, O3 (Trop.), CH4, N2O, FCKW) erniedrigt sich die Durchlässigkeit der Erdatmosphäre. Das große atmosphärische Fenster wird durch die zusätzliche Absorption in den Flügeln der 15 Mikrometer CO2-Bande und der 7,63 Mikrometer CH4- bzw. 7,78 Mikrometer N2O-Bande enger. Seine Durchlässigkeit nimmt ab, wenn die Absorption in den Banden des Ozons, der FCKW und des CO2 (10,4 Mikrometer-Bande) innerhalb des Fensters anwächst. Als Folge kann die Erdoberfläche weniger Energie an den Weltraum abgeben (siehe natürlicher Treibhauseffekt) und muß sich, um ein neues Energiegleichgewicht zu erreichen, erwärmen.

Außerhalb der atmosphärischen Fenster emittiert die Atmosphäre selbst infrarote Strahlung. Diese Strahlung kann nur dann direkt in den Weltraum entweichen, wenn zwischen dieser emittierenden Atmosphärenschicht und der Exosphäre nur noch eine gewisse Anzahl der im betrachteten Spektralbereich absorbierenden Moleküle vorhanden ist. Die Menge dieser Moleküle und damit die Höhe der hauptsächlich emittierenden Atmosphärenschicht hängt von der Stärke des Absorptionskoeffizienten im betrachteten Spektralbereich ab. Bei einer Konzentrationszunahme der absorbierenden Gase und damit einer stärkeren Absorption verschiebt sich dieses Emissionsniveau in der Atmosphäre nach oben. In der Troposphäre (etwa null bis zehn Kilometer Höhe) bedeutet dies wegen der Temperaturabnahme mit der Höhe, daß in dem entsprechenden Spektralbereich zunächst weniger Infrarotstrahlung an den Weltraum abgegeben werden kann und ein Gleichgewichtszustand eine höhere Temperatur der zugehörigen Atmosphärenschicht erfordert; das heißt nicht nur die Erdoberfläche, sondern auch die Troposphäre erwärmt sich.

In Spektralbereichen mit besonders starker Absorption der Atmosphäre (zum Beispiel im Zentrum der 15 Mikrometer CO2-Bande) befindet sich dieses Emissionsniveau bereits in der unteren Stratosphäre. Da in diesem Höhenbereich die Temperatur mit der Höhe wieder zunimmt, kehrt sich die Argumentation um. Wird das Emissionsniveau in eine größere Höhe verschoben, so strahlt die Stratosphäre in diesem Spektralbereich wegen der höheren Temperatur mehr Energie ab und muß sich zwangsläufig abkühlen. Dieser Effekt, der durch Messungen nachgewiesen wurde, ist ein experimenteller Beweis für das richtige Verständnis der Strahlungsprozesse in der Atmosphäre.

Die obigen Aussagen sind durch genaue Berechnungen mit der Strahlungsübertragungsgleichung von verschiedenen Wissenschaftlergruppen im internationalen Rahmen bestätigt worden. Die zugrunde liegende Strahlungsübertragungstheorie ist physikalisches Gemeingut und ist unter allen Fachleuten unumstritten. Die Genauigkeit der Ergebnisse bei der Anwendung der Strahlungsübertragung auf die Atmosphäre hängt heute in erster Linie von der Genauigkeit der Eingabeparameter (zum Beispiel spektroskopische Daten) ab.

Insbesondere die Absorptionsbanden von CO2 sind in den letzten Jahren im Detail durch Labormessungen untersucht worden, so daß deren spektroskopische Daten uns sehr gut bekannt sind. Aus diesem Grund können die Änderungen der Strahlungsflüsse bei einer Änderung des CO2-Gehalts der Atmosphäre mit hoher Genauigkeit (im Prozentbereich) berechnet werden. Für die anderen klimarelevanten Spurengase ist die Unsicherheit bei den spektroskopischen Daten zwar größer, aber trotzdem ist die Ungenauigkeit durchweg kleiner als zehn Prozent.

Die Änderung des infraroten Strahlungsflusses ist durch die Konzentrationsänderungen der klimarelevanten Spurengase bei einer äquivalenten CO2-Verdopplung ca. 4 W/m2. "Äquivalente CO2-Verdopplung" bedeutet, daß der Effekt auf den Strahlungsfluß bei Zunahme verschiedener Spurengase einer Verdoppelung der CO2-Konzentration entspricht. Die 4 W/m2 sind im Vergleich zum gesamten infraroten Strahlungsfluß in den Weltraum von ca. 240 W/m2 relativ wenig, jedoch reichen sie in einer Atmosphäre ohne Berücksichtigung der Rückkopplungseffekte im Klimasystem für eine Temperaturerhöhung von deutlich mehr als einem Grad aus.

Ein weiteres Argument für die Richtigkeit der obigen Erläuterungen ergibt sich aus der erfolgreichen Nutzung der Fernerkundungsverfahren zur Ableitung atmosphärischer Parameter. Aus Satellitenmessungen im Bereich der CO2-Banden werden heute z. B. vertikale Temperaturprofile abgeleitet. Es läßt sich zeigen, daß Fehler von zehn Prozent in den Strahldichten die Bestimmung von Temperaturprofilen mit der benötigten Qualität (Fehler kleiner als zwei Kelvin) unmöglich machen. Mit der heute vielseitigen Anwendung der Fernerkundung zur Erforschung der Atmosphäre ist deshalb die hohe Qualität der Rechnungen mit der Strahlungsübertragungsgleichung in der Praxis nachgewiesen.

Im folgenden soll nun auf zwei zentrale Behauptungen der sogenannten Klimakritiker eingegangen werden. Viele andere sind bereits durch obige Ausführungen widerlegt. Es wird zum einen behauptet, daß eine Erwärmung der Erdoberfläche durch den anthropogenen zusätzlichen Treibhauseffekt dem Zweiten Hauptsatz der Thermodynamik widerspräche, da "Wärme nicht von einem kälteren (das heißt Atmosphäre) zu einem wärmeren Körper (das heißt Erdoberfläche) fließen könne".

Der anthropogene zusätzliche Treibhauseffekt steht aus folgendem Grund in Einklang mit dem Zweiten Hauptsatz der Thermodynamik: Für die Erwärmung der Erdoberfläche müssen selbstverständlich alle Strahlungsflüsse, also auch die solaren Strahlungsflüsse der heißen Sonne, berücksichtigt werden. Tagsüber wird die Erdoberfläche durch die solare Strahlung und den infraroten Strahlungsfluß aus der Atmosphäre erwärmt. In der Nacht kühlt sich die wärmere Erdoberfläche beim Strahlungsaustausch mit der kälteren Atmosphäre zwar ab, jedoch wird dies bei einer durch zusätzliche Treibhausgase stärker absorbierenden Atmosphäre langsamer vor sich gehen (prinzipiell derselbe Effekt wie im bewölkten Fall).

Die zweite Behauptung lautet: "Die Absorption in der 15 Mikrometer-Bande ist bereits so stark, daß eine Zunahme der CO2-Konzentration die Durchlässigkeit der Atmosphäre nicht mehr verändert und damit kein Einfluß zu erwarten ist. Die Veränderung in den Flügeln der CO2-Bande sei nach Abschätzungen so klein, daß sie keine Rolle spielen könnte".

Die Strahlungsflüsse im Zentrum der CO2-Bande haben zwar keinen Einfluß auf die troposphärische Erwärmung, aber sie führen bei einer CO2-Zunahme zu einer stratosphärischen Abkühlung (siehe oben). Bei der Abschätzung des Effekts der Flügel der 15 Mikrometer-CO2-Banden machen die Klimakritiker gleich mehrere Fehler. Besonders gravierend wirken sich bei der von einem Klimakritiker vorgenommenen Messung die Ungenauigkeit im Flügelbereich der CO2-Bande und die viel zu geringe spektrale Auflösung aus. Außerdem wurde bei der übertragung der Labormessungen auf die Atmosphäre diese einfach als homogen angenommen. Die Absorptionsbanden der klimarelevanten Spurengase weisen – mit Ausnahme der FCKW – unter troposphärischen Bedingungen ein Linienspektrum auf, das heißt es gibt viele Mikrofenster zwischen den Linien. In diesen Mikrofenstern wirkt sich die CO2-Zunahme natürlich auf den infraroten Strahlungsfluß aus.

Die Verengung des atmosphärischen Fensters durch die Zunahme des CO2 kann durch genaue Strahlungsübertragungsrechnungen einfach nachgewiesen werden. Die Abbildung zeigt ein Transmissionsspektrum für einen vertikalen atmosphärischen Weg in mittleren Breiten im Bereich zwischen 10 Mikrometer und 15 Mikrometer. Bei Transmission 1 kann die an der Erdoberfläche emittierte Strahlung ungehindert in den Weltraum entweichen, hat sie jedoch den Wert 0, so wird die gesamte Strahlung dieser Wellenlänge innerhalb der Atmosphäre absorbiert. An der Abszisse sind sowohl die Wellenlänge in Mikrometern als auch die Wellenzahl (1/Wellenlänge) in cm-1 angegeben. Während im Bereich oberhalb 13 m m die starke Absorptionsbande des CO2 erkennbar ist, nimmt die Transmission im Bereich unterhalb 13 Mikrometern Werte zwischen 0,7 und 0,9 an (bedingt durch schwache Absorption verschiedener Spurengase sowie Kontinuumsabsorption). Eine Verdopplung des CO2-Gehalts in der Atmosphäre von 368 ppmv auf 736 ppmv (gestrichelte Kurve) verändert das Spektrum nur in Bereichen von CO2-Absorptionsbanden, in denen die Transmission noch nicht zu kleine Werte angenommen hat. Eine Abnahme der Transmission ist demnach im Bereich der Flanke der CO2-Bande bei 13 Mikrometer und auch im Bereich zwischen 10,1 Mikrometer und 10,8 Mikrometer festzustellen (Nebenbande des CO2). Im unteren Teil der Abbildung ist die Differenz zwischen den beiden Spektren dargestellt.

Es ist demnach wissenschaftlich eindeutig nachgewiesen, daß sich die Strahlungsflüsse im System Erde/Atmosphäre durch die Zunahme der klimarelevanten Spurengase verändern. Ohne Berücksichtigung der Rückkopplung mit dem komplexen Klimasystem würde dies mit Sicherheit zu einer Erwärmung der Erdoberfläche und der Troposphäre führen. Die eigentliche, wissenschaftlich herausfordernde Debatte beschäftigt sich mit der Frage, inwieweit die verschiedenen Rückkopplungsprozesse die strahlungsbedingte Erwärmung verstärken oder dämpfen.

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