Erderwärmung: Viele Krankheitserreger verbreiten sich durch den Klimawandel eher
Der Klimawandel verstärkt die Ausbreitung vieler Krankheitserreger. Ein Forscherteam der University of Hawaii kommt in einer Übersichtsarbeit zu dem Schluss, dass 58 Prozent der von Krankheitserregern ausgelösten Leiden durch den Klimawandel verschlimmert werden können. Das geschehe durch die Erwärmung an sich, aber auch durch extreme Wetterphänomene wie Dürren, Überschwemmungen oder Hitzewellen. Der Studie im Fachjournal »Nature Climate Change« lag eine Liste von 375 Krankheiten weltweit zu Grunde, die von Erregern wie Viren, Bakterien, Pflanzenpollen oder Pilzen ausgelöst werden.
Die Forscher fanden bei ihrer Literaturrecherche mehr als 1000 einzelne Pfade, auf denen jeweils ein Krankheitserreger durch den Klimawandel gefördert wurde. So können Wetterextreme etwa über Stress oder Mangelernährung das menschliche Immunsystem schwächen und die Anfälligkeit für Infektionen erhöhen. Dürren wiederum sorgen dafür, dass Mensch und Tier auf engerem Raum zusammenleben, was die Gefahr von Zoonosen erhöht, um nur einige Beispiele zu nennen.
Besorgt blicken Experten vor allem auf Erreger, die von Vektoren wie Mücken und Zecken übertragen werden. »Wir haben über 100 Krankheiten gefunden, die durch diesen Übertragungsweg verstärkt wurden«, teilte Mitautor Tristan McKenzie von der University of Hawaii auf Anfrage der dpa mit.
Tropenkrankheiten könnten bald auch in anderen Regionen der Welt auftreten
Der Präsident des Robert Koch-Instituts (RKI), Lothar Wieler, hatte zuvor bereits dazu aufgerufen, exotische Krankheiten hier zu Lande in den Blick zu nehmen. »Der Klimawandel führt in Deutschland zu einer Ausdehnung der Lebensräume für Mücken und Zecken«, sagte Wieler den Zeitungen der Funke Mediengruppe. »Viele Mücken- und Zeckenarten können virale, bakterielle und parasitäre Infektionserreger übertragen.« Das könnten etwa Zika- oder Dengue-Viren sein. »Zudem ist eine Rückkehr der Malaria möglich, die durch Plasmodien hervorgerufen wird.« Ein wichtiges Anliegen des RKI sei es daher, die Ärzteschaft für diese Krankheiten zu sensibilisieren.
Renke Lühken, Ökologe beim Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin in Hamburg, sieht die Entwicklung ebenfalls mit Sorge. »Generell steigt durch höhere Temperaturen und veränderte Niederschlagsregime insbesondere das Risiko für durch so genannte Vektoren – also beispielsweise Stechmücken oder Zecken – übertragene Krankheitserreger. Dies ist Besorgnis erregend, da nur für wenige dieser Erreger zugelassene Impfstoffe existieren«, sagt der Experte, der nicht an dem Artikel beteiligt war.
»In Deutschland und in Europa beobachten wir schon jetzt den Einfluss von klimawandelbedingten Ereignissen auf Krankheitserreger. Auch hier spielen durch Vektoren übertragene Krankheitserreger eine große Rolle«, erklärt Lühken. »Exotische Stechmückenarten wie die Asiatische Tigermücke etablieren sich in weiten Teilen Europas. Diese ist insbesondere für Ausbrüche des Chikungunya- und des Dengue-Virus im Mittelmeerraum verantwortlich.«
Das Forschungsteam der University of Hawaii sieht angesichts der drohenden Risiken durch die vom Klimawandel befeuerten Krankheiten die Notwendigkeit für »aggressive Maßnahmen zur Begrenzung der Treibhausgasemissionen«.
Lühken teilt diese Einschätzung. »Die Studie zeigt eindrücklich, dass viele unterschiedliche Übertragungspfade einen Einfluss auf diverse Krankheitserreger haben«, sagt der Experte. »Diese Vielschichtigkeit macht eine gesellschaftliche Anpassung sehr schwierig, so dass die Reduzierung der Treibhausgasemissionen als wichtigste Gegenmaßnahme weiter im Fokus stehen muss.« (dpa/dam)
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