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News: Viele Kulturen, aber keine Rassen

Die Rasse spielt keine Rolle. Genaugenommen existiert so etwas wie verschiedene Rassen bei Menschen gar nicht. Was für manchen vielleicht wie träumerischer Idealismus klingt, ist in Wirklichkeit eine wissenschaftliche Tatsache, die sich auf umfassende molekularbiologische Untersuchungen stützt. Natürlich gibt es Unterschiede zwischen den Menschen. Doch diese sind auf individueller Ebene viel ausgeprägter als zwischen den Völkern.
"Die Einteilung in Rassen ist ein reales kulturelles, politisches und ökonomisches Konzept in der Gesellschaft, aber es ist kein biologisches Konzept. Doch unglücklicherweise nehmen die Leute fälschlich an, dies sei die Grundlage verschiedener menschlicher Rassen: genetische Unterschiede", sagt Alan R. Templeton von der Washington University in St. Louis. Um das Thema objektiv zu beleuchten, hat er anhand von DNA-Analysen die Evolutionsgeschichte des Menschen in der letzten Million von Jahren zurückverfolgt. Er stellte fest, daß der größte Teil der genetischen Variabilität der Menschen zwischen einzelnen Individuen zu finden ist. Unterschiede zwischen Populationen existieren zwar, sind aber entweder zu gering oder zu unbedeutend, um von biologischen Rassen sprechen zu können (American Anthropologist, Herbstausgabe 1998).

Templeton ging bei seiner Studie so vor, wie Wissenschaftler bei der Konstruktion von Tierstammbäumen arbeiten. Er berücksichtigte also nicht die kulturellen Besonderheiten der Menschheit, sondern konzentrierte sich einzig auf den biologischen Rassebegriff. Dieser sollte unabhängig von der Art gelten, die überprüft wird.

Er analysierte drei verschiedene DNA-Typen: mitochondrielle DNA, die nur von der Mutter weitergegeben wird, Y-chromosomale DNA, die nur Söhne ausschließlich vom Vater erhalten und Kern-DNA, welche beide Eltern an ihre Kinder weiterreichen. Von den Variationen, die er fand, waren 85 Prozent auf der Ebene des Individuums angesiedelt. Lediglich 15 Prozent der Unterschiede bestanden zwischen großen Populationen. "Diese 15 Prozent sind weit unter der Grenze, ab der wir bei anderen Arten von Rassen sprechen würden", meint Templeton. Er fügt hinzu, daß bei vielen Säugetierspezies doppelt oder dreimal so viele Unterschiede bestehen, bevor die Linien als Rassen erkennbar sind. "Die Menschen sind eine der genetisch homogensten Arten, die wir kennen."

Wie sehr äußerliche Merkmale, auf die Vertreter der Rassenlehre sich meist stützten, zu falschen Schlüssen verleiten können, demonstriert Templeton an einem Beispiel: Er verglich unter anderem Europäer, Afrikaner, die südlich der Sahara beheimatet waren und Melanesier, welche Inseln nodöstlich von Australien bewohnen. Obwohl die Afrikaner und Melanesier beide dunkelhäutig sind sowie vergleichbare Haarstrukturen und Gesichtszüge aufweisen, ähneln sie genetisch mehr den Europäern als einander.

Nach Templetons Ergebnissen hat es zu allen Zeiten regen Austausch von Erbmaterial gegeben. Die gesamte Menschheit entwickelte sich darum in einer einzigen stammesgeschichtlichen Linie. Nach der heutigen Auffassung liegt die Wiege unserer Art in Afrika, von wo aus die Menschen den ganzen Globus überzogen. Dabei standen sie infolge ihrer Wanderungen mit den anderen Gruppen immer wieder in Kontakt, so daß sich keine isolierten Zweige im Stammbaum entwickeln konnten – und damit keine Arten.

Das Völkerkonzept der Rassen, sagt Robert W. Sussman von der Washington University, wird dermaßen verbissen als ein Modell mit biologischer Grundlage angesehen, daß es schwierig ist, die Leute eines besseren zu belehren. "Wir leben nach der Ein-Tropfen-Rassentrennung: Sobald Sie einen Tropfen schwarzen oder Indianderbluts in sich haben, werden Sie als ein Schwarzer oder ein Indianer betrachtet ... Templetons Artikel zeigt, daß wir in arge Schwierigkeiten kämen, wenn wir die Völker nach biologischen Merkmalen in Gruppen aufteilen müßten. Da einfache Einteilungen wissenschaftlich so gut wie unmöglich sind, haben wir einfache Wege entwickelt, Menschen sozial einzuordnen."

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