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News: Viele Mäuler - kleine Portionen

Es ist leichter, eine Schildkröte zu fangen als einen Hasen. Diese Weisheit lernten die Menschen der Frühen Steinzeit, die in der Mittelmeerregion lebten, sehr schnell. Wahrscheinlich begriffen sie gleichfalls, daß mit zunehmender Bevölkerung die Anzahl langsam wachsender bzw. sich langsam fortbewegender Nahrungsquellen rapide abnahm. Unter diesen Umständen blieb den Menschen kaum etwas anderes übrig, als sich zunehmend auf Hasen und andere, schnelle Beutetiere zu verlassen.
Die Anthropologin Mary C. Stiner von der University of Arizona in Tucson und ihre Kollegen aus Israel und Italien fanden heraus, daß die Bevölkerungsdichte der Menschen sich während des späten Mittleren Paläolithikums und dann wieder im Oberen sowie im Epipaläolithikum in plötzlichen Wellen erhöhte (Science vom 8. Januar 1999). Sie folgern dies aus der Größenabnahme bei den langsam wachsenden Beutetierarten wie Rebhuhn und Hase. Die beiden Wildtiere waren zwar schwer zu jagen, aber auch häufiger und fruchtbarer als die leicht zu fangenden Schildkröten und Meerestiere.

Den Ergebnissen der Studie zufolge war die menschliche Bevölkerung während der Mittleren Steinzeit zahlenmäßig außergewöhnlich gering und ziemlich verstreut anzutreffen. Mit wachsender Bevölkerungszahl nahm die Verfügbarkeit von leicht zu fangenden Arten wie Schildkröten sowohl in Zahl als auch Größe ab, wie Müllberge aus dieser Periode belegen. Um das Defizit auszugleichen, jagten die Menschen zunehmend kleine Säugetiere und Vögel.

Zwar erlegten die Jäger sowohl kleine als auch große Tiere, doch deuten die Daten nach Stiners Ansicht darauf hin, daß die Räuber-Beute-Beziehung zwischen Menschen und Kleintieren wie Hasen und Rebhühnern die empfindlicheren Indikatoren für die variable vorgeschichtliche Bevölkerungsdichte des Menschen darstellt.

Wahrscheinlich gab es während des Frühen Paläolithikums derart wenig Menschen, daß man immer wenn die bevorzugten Nahrungsquellen zur Neige ging, meist einfach das Lager aufbrach und weiterzog.

Zu Zeiten einer steigenden Bevölkerungszahl verringerte sich die relative Anzahl und Körpergröße der Schildkröten, welche den Menschen als Nahrung dienten und deren Überbleibsel in archäologischen Müllbergen erhalten geblieben sind. Die Abnahme der Zahl und Größe der Schildkröten korreliert dagegen nicht mit Klimaveränderungen im Pleistozän. Folglich wurden wohl besonders die großen Exemplare verstärkt vom Menschen gefangen und verzehrt, so daß schließlich auch mittlere Schildkröten als Jagdbeute gefangen wurden.

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