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News: Virale Siedlungstaktik

Obwohl sie nur aus Protein umhüllter Erbinformation bestehen, scheinen HI-Viren bei der Integration in unser Genom eine besondere Taktik zu verfolgen.
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Sobald das HI-Virus unser Immunsystem für sich eingenommen hat, verhält sich der Erreger wie ein Diktator: Befallene Zellen müssen sich den egoistischen Anweisungen beugen – eine Herrschaft, die für die Betroffenen immer tödlich endet.

Der Schlüssel für die Machtübernahme durch das Virus liegt vor allem in seiner Vermehrungsstrategie, wofür HIV stets sein Erbgut in das der befallenen Immunzellen – üblicherweise T-Zellen – einschleusen muss. Danach lässt der Erreger die Zellen ausschließlich für seine Zwecke arbeiten: Ununterbrochen produzieren diese virale Nachkommen – und überschwemmen damit nach und nach das komplette Abwehrsystem unseres Körpers.

Lange Zeit blieb die Frage ungeklärt, ob das Virus sein Erbmaterial gezielt an bestimmten Stellen unseres Erbguts integriert oder dies dem Zufall überlässt. Dass der Ort des Einbaus für eine erfolgreiche Vermehrung eine große Rolle spielt, war durchaus bekannt – der Mechanismus der Zielsuche des Virus lag allerdings bislang im Dunkeln. Astrid Schröder und ihre Kollegen vom Salk Institute im kalifornischen La Jolla scheinen der Lösung dieses Rätsels nun bedeutend näher gekommen zu sein.

Zunächst infizierten die Forscher T-Zellen mit dem HI-Virus und extrahierten anschließend die DNA dieser Abwehrzellen. Damit konnten sie nun die Stellen des Wirtszellengenoms identifizieren, an denen die DNA des Erregers sich bevorzugt eingenistet hatte: Insgesamt 524 Regionen im Erbgut hatte das Virus als genetische Einstiegspforte genutzt. Als dann die Sequenz dieser Abschnitte feststand, erhielten die Forscher einen entscheidenden Hinweis über die Vorliebe des tödlichen Erregers.

Demnach sucht sich das HI-Virus vor allem jene Gene aus, deren Sequenzen zum Zeitpunkt der Infektion fleißig abgelesen werden – womit gleichzeitig auch die an solchen Stellen eingegliederte virale Erbinformation vervielfältigt wird. Zudem scheint die Integration des Virus diesen Vorgang zusätzlich anzukurbeln, so dass der Eindringling effektiv die ganze Arbeitskraft der Zelle nutzt, um seine eigene Vermehrung voranzutreiben.

Für viele HIV-Forscher sind diese Ergebnisse ein bedeutsamer Schritt zum Verständnis der Entwicklung und des Verlaufs der Infektion mit dem zu den Retroviren zählenden Erreger. "Retroviren müssen sich in das Wirtsgenom integrieren, um sich erfolgreich zu vermehren", erklärt John Cuffin von der Tufts University School of Medicine in Boston "aber keiner weiß, warum dem so ist. Wenn Forscher das klären, könnten sie den ungebeten Gast mit einem Tritt hinausbefördern."

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  • Quellen
Cell 110 (4): 521–529 (2002)
Science Now

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