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Viren: Das unbekannt artenreiche Virom in unserem Darm

In unserem Darm tummeln sich zahllose Bakterien und Viren, Letztere sogar in ungekannter Vielfalt. Das deuten menschliche Kotproben an.
Leben und Viren im Darm

Die Zahl der Bakterien in unserem Darm ist Legion, doch irgendwer muss sie in Schach halten. Wenn wir keine Antibiotika schlucken, übernehmen diese Aufgabe vor allem Bakteriophagen: Viren, die Bakterien infizieren und ausschalten. Wie viele es wiederum davon gibt, ist bislang unbekannt. Eine Studie von Mikrobiologinnen und -biologen um Stephen Nayfach in »Nature Microbiology« deutet an, wie vielfältig dieses so genannte Virom in unserem Inneren ist: In menschlichen Stuhlproben wiesen sie 54 118 unterschiedliche Viren nach, von denen 92 Prozent bislang völlig unbekannt waren. Und die überwiegend Mehrheit dieser Viren bildeten die besagten Bakteriophagen.

Das Team wertete dazu metagenomische Daten von knapp 12 000 Kotproben von Menschen aus 24 Ländern aus. Bei Metagenomik-Analysen wird genetisches Material direkt aus Umweltproben extrahiert, sequenziert und analysiert, ohne dass die Mikroorganismen vorher kultiviert werden. Man erhält dadurch schneller einen Überblick, wie viele unterschiedliche Mikroben oder Viren in einer bestimmten Probe sind.

»Sie codieren zusammen mehr als 450 000 verschiedene Proteine – ein riesiges Reservoir funktioneller Leistungsfähigkeit, das für ihre mikrobiellen und damit auch menschlichen Wirte entweder nützlich oder schädlich sein kann«, schreiben die Autoren. Ein Drittel der von den Viren erzeugten Proteine besitzen bislang völlig unbekannte Funktionen. Mehr als 11 000 Gene sind entfernt mit Genen verwandt, die für Beta-Lactamasen codieren. Diese ermöglichen es, Bakterien Resistenzen gegen Antibiotika zu entwickeln. Und die Gruppe entdeckte ebenso starke regionale Unterschiede. Bakteriophagen der Linie crAssphage etwa dominierten in Asien, fehlen aber fast völlig in Europa und Nordamerika.

Im nächsten Schritt versuchten Nayfach und Co die Bakteriophagen mit ihren Wirten in Zusammenhang zu bringen. Wenig überraschend waren gerade die Vertreter zahlreich, die besonders häufige Bakterien befallen. Dabei handelte es sich zumeist um Mitglieder der Stämme Firmicutes und Bacteroidota.

Die Studie bestätigte ein weiteres Mal, wie artenreich unser Darm ist. Erst im Februar 2021 legten Alexandre Almeida vom European Bioinformatics Institute in Hinxton und sein Team eine Arbeit vor, die sogar 140 000 unterschiedliche Viren in unserem Gedärm nachwies, von denen die Hälfte unbekannt war.

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