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News: Viren gestrandet

Beim Spaziergang am Strand findet man manchmal die absonderlichsten Dinge als Treibgut angespült. Neulich erst stolperten ein paar Wissenschaftler über das Influenza B-Virus. Zu ihrer großen Überraschung, denn bislang wurde Influenza B noch nie woanders nachgewiesen, als im menschlichen Blut oder in Zellkulturen. Jetzt fanden die Forscher es aber in gestrandeten Robben, die sie routinemäßig untersuchten.
Influenza A-Viren, die Auslöser der "echten" Grippe, befallen nicht nur Menschen, sondern auch Vögel, Schweine, Pferde, Seehunde und Wale. Damit verfolgt das Virus seine Überlebensstrategie: In Vögeln bilden sich immer wieder neue Varianten aus, die bald auch den Menschen befallen können. Deshalb ist auch kein endgültiges Kraut gegen den Erreger gewachsen, denn er wandelt von Jahr zu Jahr seine Erscheinung und trickst so unser Immunsystem aus. Neben der A-Variante gibt es noch die Typen B und C. Der B-Typ, der bislang ausschließlich beim Menschen gefunden wurde, verursacht ebenfalls Krankheiten, ist aber nicht ganz so raffiniert wie Influenza A. Die C-Variante ruft beim Menschen keine ernsthaften Erkrankungen hervor.

Der Befund von Albert Osterhaus und seinen Kollegen von der Erasmus University in Rotterdam widerspricht der gängigen Lehrmeinung, dass Influenza B ausschließlich im Menschen zu finden ist. Sie entdeckten diese Variante in gestrandeten Robbenkörpern, denen sie routinemäßig Blutproben abnahmen. Sie fanden sogar Antikörper gegen das Virus im Robbenblut. Allerdings konnten die Forscher nicht feststellen, ob die Tiere in Folge der Virus-Erkrankung starben, denn sie waren außerdem von Lungenwürmern befallen.

Die Variante aus dem Robbenblut entspricht derjenigen, die 1995 unter Menschen kursierte. Die Forscher gehen davon aus, dass die Übertragung in diesem Jahr stattfand und die Robben das Virus dementsprechend gut fünf Jahren lang trugen. Um das zu überprüfen, analysierte Osterhaus' Gruppe über 900 Blutproben von Robben, die in den letzten Jahren an der niederländischen Küste strandeten.

Keine der vor 1995 genommen Proben zeigte Virusspuren oder Antiköper. Bei acht von 391 jüngeren Blutproben wiesen die Forscher jedoch Antikörper gegen dieselbe Variante nach. Aufgrund dieser sehr niedrigen Zahlen gehen Osterhaus und seine Kollegen davon aus, dass sich dieser Virus-Typ nur sehr langsam unter Robben verbreitet – viel langsamer als beim Menschen.

"Der Befund ist sehr interessant", kommentiert der Influenzaexperte Robert Webster vom St. Jude Children's Research Hospital in Memphis. Aber das sei wahrscheinlich relevanter für Robben, als für die menschliche Gesundheit. Denn obwohl die Tiere praktisch ein Viren-Reservoir darstellen, von dem aus die Erreger auch den Menschen infizieren könnten, ist nicht klar, wie groß diese Gefahr wirklich ist. Webster hält es für wahrscheinlich, dass die Robben durch Kontakt mit Menschen infiziert wurden und rät daher zu Abstand, damit nicht noch mehr Krankheiten von uns auf die Tiere übertragen werden.

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