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News: Virus im System

Das Bornavirus, ein gefährlicher Krankheitserreger bei Haustieren, steht seit einigen Jahren im Verdacht, beim Menschen Depressionen zu verursachen. Jetzt verdichten sich die Hinweise.
Bornavirus
Kennen Sie Borna? Vermutlich haben nur die wenigsten von der knapp 20 000 Einwohner großen Stadt 30 Kilometer südlich von Leipzig gehört. Und dennoch ist das Städtchen in die Geschichte eingegangen – und zwar in die Medizingeschichte. Denn gegen Ende des 19. Jahrhunderts trat hier bei Pferden eine rätselhafte Epidemie auf: Die Tiere bekamen Fieber, wurden apathisch und depressiv, verweigerten die Nahrung und litten unter Bewegungsstörungen. Nach ein bis zwei Wochen nahm das Leiden meist ein tödliches Ende. Auch andere Tiere, wie Schafe, Rinder und Katzen, wurden von der Borna-Krankheit befallen.

Erst 1924 gelang dem Virologen Wilhelm Zwick der Nachweis, dass die Krankheit durch ein Virus ausgelöst wird. Heute ist bekannt, dass das Bornavirus sich im Gehirn, genauer im limbischen System, von Säugetieren festsetzt. Aufsehen erregte dann schließlich 1995 die Entdeckung der Molekularbiologin Liv Bode, damals an der Freien Universität Berlin tätig, die Spuren des Virus im Blut dreier manisch depressiver Patienten gefunden hatte. Überträgt sich das Bornavirus tatsächlich auch auf den Menschen? Und kann es psychische Störungen auslösen? Und wenn ja, wie?

All diese Fragen sind bisher nicht eindeutig beantwortet. Die Forscher um Wataru Kamitani von der japanischen Osaka University versuchten jetzt den Nachweis, dass ein bestimmtes Protein des Virus tatsächlich Psychosen auslösen kann – und zwar bei Mäusen.

Den Forschern gelang es, das Gen für das virale Protein in das Erbgut von Mausembryonen einzuschleusen. Die Tiere entwickelten sich völlig normal und zeigten auch als Erwachsene keine äußerlichen Krankheitssymptome.

Doch Verhaltensexperimente brachten es an den Tag: Die genetisch veränderten Mäuse zeigten sich deutlich aggressiver als ihre normalen Artgenossen. Sie griffen fremde Eindringlinge in ihrem Käfig fast sofort an und waren beim Zubeißen nicht gerade zimperlich. Labyrinthexperimente offenbarten zusätzlich ein deutlich vermindertes räumliches Erinnerungsvermögen.

Mit anschließenden histologischen Untersuchungen konnten die Forscher das virale Protein im Gehirn der Tiere nachweisen. Es trat jedoch nicht in den Nervenzellen selbst, sondern in den Gliazellen auf. Diese Stützzellen, welche die Zahl der Neuronen um das Zehn- bis Fünfzigfache übertreffen, sind für die Struktur und die Nährstoffversorgung des Nervensystems unentbehrlich. Offensichtlich, so schließen die Forscher, beeinträchtigt das Virusprotein die normale Entwicklung des Glias und löst somit die Verhaltensstörungen aus.

Ein Zusammenhang zwischen bestimmten Psychosen wie Schizophrenie und geschädigten Gliazellen wird schon lange vermutet. Die Forscher sehen daher in ihren Ergebnissen einen wichtigen Hinweis, dass das Bornavirus tatsächlich auch beim Menschen psychische Störungen verursachen könnte.

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