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News: Virus-Umschulung

Noch immer ist unklar, wann und wo HI-Viren einst begannen, für Menschen tödlich zu sein. Wie ihnen der Übergang auf Homo sapiens gelungen sein könnte, wird indes deutlicher.
HIV
Am Ende gewinnt den Kampf fast immer das HI-Virus. Dabei sind seine Gegner – attackierte Immunzellen, die vom Virus zur eigenen Vervielfältigung missbraucht werden sollen – gegen den Eindringling eigentlich zunächst alles andere als waffenlos. Allerdings nur zunächst: Das tödliche Virus fand Wege, den Zellen ihre Verteidigungswaffen gezielt aus der Hand zu schlagen. Waffen wie das Protein APOBEC3G etwa – eine so genannte Deaminase, die sich in der zellularen Verteidigung gegen manch feindlichen viralen Übernahmeversuch bewährt.

Eiweiße der APOBEC-Familie finden sich in den Zellen von Menschen, Affen und anderen Säugetieren. Ihre genaue Funktionsweise ist noch nicht detailliert geklärt. Sicher ist, dass die Verteidigungs-Proteine im Ernstfall den zelleigenen Mechanismen der Eiweißsynthese einen Knüppel zwischen die Beine werfen können: Bestimmte APOBEC-Eiweiße etwa verändern gezielt die beim Ablesen der DNA produzierte Boten-RNA unerwünschter Proteine, sodass diese dann nicht mehr als sinnvolle Bauanleitung fungieren kann. Im Erfolgsfall wird damit eine feindliche Werkstattnutzung in der Zelle verhindert – etwa die Produktion von Viren-Bausteinen, die in einer gekaperten und infizierten Zelle sonst massenhaft entstehen würden.

Speziell das APOBEC3G des Menschen verhindert, ebenfalls durch Manipulation der kopierten Virus-Erbinformation, bei bestimmten HIV-Varianten eine Ausbreitung der Eindringlinge: Unter dem Einfluss des Proteins entstehen Viren, die zwar andere Zellen noch angreifen können, sich darin aber nicht mehr vermehren.

Nur, im Augenblick hat HIV beim Wettrüsten leider die Nase immer noch vorn: Die allermeisten HI-Virus-Varianten kontern die zelluläre Verteidigung mit einem Eiweiß namens Vif, welches wiederum APOBEC3G unwirksam macht – und die Virusverbreitung kann trotz alarmierter Zellverteidigung ungestört ablaufen. Mit diesem ungleichen Schlagabtausch zwischen Vif und dem chancenlos gemachten APOBEC3G beschäftigten sich nun Bärbel Schröfelbauer und ihre Kollegen vom Salk Institute intensiver.

Dabei veränderten die Forscher zunächst gezielt den Aufbau von APOBEC3G, indem sie einen einzigen Aminosäure-Baustein des Proteins – eine Asparaginsäure – gegen eine andere Aminosäure – ein Lysin – austauschten. Ein subtil scheinender Eingriff, der aber das HIV-eigene Protein Vif als ziemlich wählerisch entlarvte: Das veränderte APOBEC3G wurde von Vif nicht mehr erkannt, und also auch nicht länger an seiner heilsamen Tätigkeit gehindert. Noch erfreulicher: Das nun vor dem HIV-Zugriff geschützte, zelleigene Eiweiß erfüllte, trotz Veränderung, offenbar fehlerfrei seinen Dienst als antiviraler Abräumer. Vielleicht ergibt sich daraus irgendwann einmal ein Ansatzpunkt für zukünftige Bekämpfungsstrategien gegen das Virus – auch wenn es natürlich noch eindeutig Sciencefiction bleibt, beispielsweise an einen gezielten, gentherapeutischen Austausch von Aminosäuren in Proteinen erkrankter Menschen zu denken.

So weit, so gut immerhin – nun aber liefern die Forscher mit ihrem neu gestalteten Protein noch eine unerwartete Zugabe. Denn das durch Lysineinbau veränderte menschliche APOBEC3G konnte nun plötzlich durch ein Vif-Protein gehemmt werden, welches die Affenvariante des HI-Virus, das SIV, produziert. Oder anders ausgedrückt: Die Zellen mit verändertem APOBEC3G waren nun zwar resistent gegen HIV, aber anfällig gegen SIV – wie die Zellen von Affen. Eine sehr ungewöhnliche Beobachtung, denn die HI-Virenverwandtschaft gilt als extrem artspezifisch.

Das rief nach einer Gegenprobe. Also tauschten die Wissenschaftler nun beim APOBEC3G-Analogon aus Zellen afrikanischer Affen ein Original-Lysin gegen eine Asparaginsäure aus – und prompt konnte dieses zelluläre Affen-Schutzprotein durch Vif des menschenspezifischen HIV gehemmt werden, nicht länger jedoch durch das "SIV-Vif".

Damit, so die Forscher, sei ganz unerwartet einer der Gründe entlarvt, warum SIV und HIV, trotz aller Ähnlichkeiten, so artspezifisch sind: Ihre Anti-Zellabwehr-Mechanismen sind nur maßgeschneidert auf die Verteidigungs-Proteine der jeweiligen Wirtsart. Das lässt Rückschlüsse darauf zu, wie sich ein vermuteter affenspezifischer-Vorläufer des HIV wohl entwickelt haben könnte. Offenbar war dazu notwendig, von der Blockade des Affen- auf die Blockade des Menschen-APOBEC-Proteins umzuschulen. Und dabei erwies sich das Virus scheinbar als ausgesprochen lernfähig.

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