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Herzkrankheiten: Helfen uns Vitaminpillen und Co?

Immer wieder werden Nahrungsergänzungsmittel als Herzschutz propagiert. Aber sind sie wirklich sinnvoll?
Leckere Pillen

Eigentlich stecken in einer halbwegs ausgewogenen Ernährung alle Nährstoffe, die man braucht, um gesund zu bleiben. Trotzdem schwört jeder dritte Bundesbürger auf zusätzliche Vitamine und Mineralstoffe in Tablettenform. Beliebt sind vor allem Magnesium und Vitamin C, E sowie B-Vitamine. Den Tabletten wird zugesprochen, sportliche Leistungen zu verbessern. Viele Konsumenten nehmen Tabletten aber auch ein, um sich gesund zu erhalten, zum Beispiel um Herzkrankheiten vorzubeugen. Schließlich sind Herzinfarkt, plötzlicher Herztod oder Schlaganfall mit rund 40 Prozent der Sterbefälle die häufigste Todesursache. Und auf zahlreichen Internetseiten werden Vitaminpillen als wahrer Gesundbrunnen für das Herz propagiert. Doch leider ist das Bauernfängerei, wissenschaftliche Fakten stützen diese Versprechen jedenfalls nicht.

Vor rund 20 Jahren wurden gegen Leiden wie die koronare Herzkrankheit so genannte »antioxidative Vitamine« wie Vitamin A, C oder E empfohlen, teilweise auch unterstützt von Wissenschaftlern. Diese könnten freie Radikale im Körper binden, die bei der Entstehung von Herzkrankheiten eine Rolle spielen, so lautete die Theorie.

Zahlreiche Studien, vor allem in den 1990er und 2000er Jahren, konnten jedoch belegen, dass diese Annahme falsch ist. Antioxidanzien in Pillenform verhindern keine Herzleiden, denn der Körper hat seine eigenen Abwehrmechanismen, mit Radikalen umzugehen. Heute wird immer klarer, dass freie Radikale auch Signalmoleküle darstellen, deren künstliche Unterdrückung mehr schadet als nutzt. In manchen Vitaminstudien waren gar erhöhte Krebsraten aufgetreten.

Vitamin C ist zumindest ungefährlich – aber wirkungslos

Mediziner wie Dariush Mozaffarian, Epidemiologe an der Tufts University, raten daher vor allem von der Extraportion fettlöslicher Vitamine wie Vitamin A und E in Tablettenform ab. Das wasserlösliche Vitamin C scheint dagegen zumindest ungefährlich zu sein – aber wirkt eben auch nicht vorbeugend gegen Herzkrankheiten, wie eine Cochrane-Analyse 2017 belegte. Und das, obwohl es mittlerweile acht gut gemachte Interventionsstudien dazu gibt.

Doch heute werden andere Mikronährstoffe als wahre Wundermittel angesehen. So sollen etwa Vitamin D, Vitamin K und Folsäure oder Omega-3-Fettsäuren die Gefäße flexibel und den Cholesterinspiegel niedrig halten. Was ist da dran?

Vitamine | Ist mehr automatisch auch gleich besser? Das denken viele Menschen und versorgen sich zusätzlich mit Vitaminen in Pillenform neben den normalen Obst- und Gemüserationen. Studien unterstützen diese These aber nicht unbedingt.

Vitamin D ist derzeit der Superstar in der Vitaminszene. Schließlich geht ein niedriger Vitamin-D-Spiegel im Blut mit einem höheren Risiko für Herzleiden einher. Mediziner kennen auch den Mechanismus: Denn es finden sich überall im Gefäßsystem verstreut Vitamin-D-Rezeptoren. Bindet das Vitamin etwa an das Antennenmolekül in den weichen Muskelzellen der Gefäße, wird deren Wachstum und Vermehrung unterbunden, was als herzschützend gilt. Zudem wirkt Vitamin D gegen Entzündungen, und entzündlichen Prozessen wird bei der Entstehung von Herzkrankheiten eine entscheidende Rolle zugewiesen.

Vitamin D hilft – vielleicht

Trotzdem ließ sich bei Interventionsstudien, bei denen Probanden Vitamin D als Tablette über einen längeren Zeitraum einnahmen, das Risiko für Herzkrankheiten nicht senken. Es gab laut einer europäischen Studie unter Leitung des Endokrinologen Lars Rejnmark vom Universitätskrankenhaus Århus aus dem Jahr 2017 bereits sieben Metaanalysen zu dem Thema – keine zeigte Wirkung, die Vitamin-D-Einnahme war aber auch nicht schädlich. Allerdings wurde in den Studien bislang nicht zwischen Probanden unterschieden, die niedrige Spiegel hatten, und solchen, die gut versorgt waren. Möglicherweise könnten von Extragaben also Menschen mit einer schlechten Versorgung durchaus profitieren. Vitamin D steckt übrigens kaum in der Nahrung – Ausnahme ist fetter Seefisch –, sondern wird vor allem mit Hilfe von Sonnenstrahlen in der Haut gebildet.

Ein weiterer Hoffnungsträger ist Vitamin K. Auch hier wurden Mediziner darauf aufmerksam, dass niedrige Vitamin-K-Spiegel mit mehr tödlichen Herzkrankheiten in Verbindung standen. Und auch hier gibt es plausible biologische Mechanismen: Vitamin K2, vor allem in der so genannten MK-7-Form, ist ein Mitspieler, wenn es darum geht, ein Eiweiß zu aktivieren, das Gefäße vor Verkalkung schützt.

Allerdings ist die Sache kompliziert, da Vitamin K als Vitamin K1 (Phylloquinon, vor allem in Blattgemüse) und als Vitamin K2 (Menaquinon, vor allem in fermentierten Produkten wie Natto, Sauerkraut und vollfetten Milchprodukten) vorkommt. Doch solch eine Unterscheidung wurde bislang in den meisten Studien bei der Analyse des Speiseplans nicht vorgenommen. Trotzdem gibt es einige Beobachtungsstudien, die einen Zusammenhang zwischen der Vitamin-K2-Aufnahme durch Lebensmittel und dem Risiko für Herzkrankheiten fanden. In der europäischen EPIC-Studie ging eine Erhöhung von je zehn Mikrogramm Vitamin K2 mit einem reduzierten Risiko für die koronare Herzkrankheit um immerhin neun Prozent einher .

Vitamin K kann auch schädlich sein

Einzelne Interventionsstudien mit Vitamin-K2-Tabletten gibt es bereits. Dabei verringerte sich etwa der Verkalkungsgrad der Halsschlagader. Bislang sind die Studien aber nur kurz gewesen oder nur mit wenigen Probanden durchgeführt worden. »Deswegen reicht die Studienlage für Empfehlungen im Sinne einer prophylaktischen Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln nicht aus«, schreibt Alexandra Schek, in der Fachzeitschrift »Ernährungsumschau«. Zudem könnten Vitamin-K2-Tabletten schädlich sein, und zwar, wenn gleichzeitig Vitamin-K-Antagonisten als Blutverdünner eingenommen werden.

Auch das B-Vitamin Folsäure galt bis vor Kurzem als möglicher Schutz vor Herzinfarkt, darum wurden Folsäuretabletten sogar von ärztlicher Seite empfohlen. Denn: Folsäure senkt den Homocysteinspiegel im Blut, und das galt als günstig für das Herz, da hohe Homocysteinspiegel mit einer erhöhten Rate an Herzinfarkt, Schlaganfällen und Durchblutungsstörungen einhergehen. Allerdings konnten auch hier klinische Studien keine Fakten liefern. Folsäurepräparate senken zwar das Homocystein im Blut, feien gesunde Erwachsene jedoch nicht gegen Herzleiden, das hat eine Neuauswertung aller Studien durch Harvard-Wissenschaftler im Jahr 2016 nochmals gezeigt. Folsäuretabletten werden darum laut der Deutschen Herzstiftung nicht mehr empfohlen.

Mittlerweile wird angenommen, dass ein hoher Homocysteinspiegel eher die Folge anderer Herzinfarktrisikofaktoren ist und damit eine Art Warnsignal darstellt. Harald Klepzig von der Deutschen Herzstiftung gibt auch zu bedenken: »Ein Risiko, durch Folsäuretabletten etwa Tumore zu fördern, kann auf Grund bisheriger Studien zumindest nicht mit ausreichender Sicherheit ausgeschlossen werden.«

Omega-3-Fettsäuren kein Favorit mehr

Andere, lange Zeit favorisierte Kandidaten waren etwa die langkettigen Omega-3-Fettsäuren DHA und EPA, die in großen Mengen nur in Fischfett vorkommen. Schließlich waren die Ureinwohner Grönlands, die Inuit, durch ihre extrem niedrigen Raten an Herzkrankheiten aufgefallen. Das wurde ihrer Ernährungsweise zugeschrieben, die vor allem aus Robbenfleisch und fettem Fisch besteht. Tatsächlich senken Fischölkapseln Triglyceridwerte im Blut und auch Entzündungsmarker. Allerdings konnten sie sich bis dato in keiner Interventionsstudie als wirksam gegen Herzkrankheiten erweisen. Das belegt eine Position der Amerikanischen Herzgesellschaft (AHA) aus dem Jahr 2017 sowie eine aktuelle Metastudie der Universität Oxford.

Trotzdem werden Omega-3-Fettsäuren in der so genannten Sekundärprävention zumindest in den USA empfohlen. Denn: Menschen, die bereits einen Herzinfarkt erlitten haben, an koronarer Herzkrankheit oder Angina pectoris leiden, können durch Omega-3-Tabletten ihr Risiko reduzieren, einen tödlichen Vorfall zu haben, davon sind die US-Kardiologen überzeugt. Hier zu Lande wird jedoch die Beweislage anders eingeschätzt. Es gibt seit etwa sechs Jahren keine Empfehlung mehr, Herzpatienten Fischölkapseln zu verschreiben. Hans Hauner, Ernährungsmediziner an der TU München, meint: »Das hat sich in Luft aufgelöst.« Auch die aktuelle britische Studie fand keine Vorteile für bereits Erkrankte. »Die Tabletten schaden aber auch nicht«, so Hauner.

Eine mögliche Gefahr geht dagegen von Nahrungsergänzungsmitteln aus, die gar nicht gegen Herzleiden, sondern gegen Osteoporose eingenommen werden. Die Rede ist von Kalziumtabletten. Sie stehen im Verdacht, das Risiko für Herzkrankheiten sogar zu erhöhen, vor allem wenn die Nahrung bereits viel Kalzium liefert. So hat etwa im Jahr 2013 eine Auswertung der Swedish Mammography Cohort ergeben, dass diejenigen Frauen, die am meisten von dem Knochenmineral mit Nahrung und Tabletten zu sich nahmen, ein doppelt so hohes Risiko hatten, einen tödlichen Herzinfarkt zu erleiden, wie Frauen, die wenig Kalziumhaltiges aßen und auch keine Pillen einnahmen.

Einfach gesund essen

Heute werden gesunden Menschen also keine Vitamin- oder Omega-3-Kapseln oder andere Nahrungsergänzungsmittel wie Resveratrol zur Vorbeugung von Herzkrankheiten empfohlen; das Geld kann man sich getrost sparen. Dagegen kann eine gesunde Ernährung viel für das Herz leisten. Gesund soll etwa eine mediterrane Ernährungsweise mit reichlich Olivenöl, Nüssen, Gemüse, Obst und wenig Fleisch sein, das hat unter anderem die spanische Predimed-Studie mit rund 7450 Teilnehmern im Jahr 2013 belegt. Eine fettreiche Mittelmeerkost entweder mit Olivenöl oder Nüssen führte zu einer Risikoreduktion für schwere Herz-Kreislauf-Ereignisse wie Schlaganfall oder Herzinfarkt um jeweils 30 Prozent im Vergleich zur Kontrollgruppe. Eine spätere Auswertung der Studie zeigte auch, dass eine fettreiche mediterrane Diät gegen die arterielle Verschlusskrankheit feit.

Zudem empfiehlt die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE), mindestens einmal pro Woche fetten Seefisch zu essen. Denn dies schütze ebenfalls das Herz. So hat auch kürzlich eine italienische Studie nochmals gezeigt, dass Fischfans im Vergleich zu Fischverächtern ein um 40 Prozent reduziertes Risiko für eine koronare Herzkrankheit oder einen Schlaganfall haben. Wer keinen Fisch mag, muss aber nicht zu Fischölkapseln greifen, wie das oft suggeriert wird. Denn auch die ovolaktovegetarische Ernährungsweise, mit Milchprodukten und Eiern senkt das Risiko etwa für die koronare Herzkrankheit um 30 Prozent, wie ein aktueller Übersichtsartikel zeigt.

Eine besonders verführerische Variante scheint der Verzehr von Bitterschokolade zu sein: Studien wie die EPIC-Studie hatten bei Schokoladenessern eine bis zu 40-prozentige Risikominderung für Herzinfarkt und Schlaganfall berechnet. Der Hintergrund: Vor allem Bitterschokolade enthält herzschützende Flavonoide. Bei der Deutschen Herzstiftung rät man auch nicht gänzlich vom Schokoladengenuss ab: »Sie sollte aber nur in Maßen gegessen werden, da Schokolade fettreich ist, und das erhöht bei einem hohen Verzehr das Risiko für Übergewicht«, so Helmut Gohlke von der Deutschen Herzstiftung. Und Übergewicht ist einer der größten Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen.

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