Vogelgrippe: Risiko für weitere Ausbrüche hoch

Der Vogelzug ist in vollem Gang. Aktuell sammeln sich mehr als 100 000 Kraniche an verschiedenen Rastplätzen in Deutschland. Mit den ziehenden Vögeln breitet sich auch der Erreger der H5N1-Vogelgrippe in Europa aus. Und so häufen sich hierzulande seit September Ausbrüche in Geflügel- und Wildvogelpopulationen. Mehrere Bundesländer meldeten in den letzten Tagen eine erhöhte Sterblichkeit von Kranichen. Das Friedrich-Loeffler-Institut (FLI) bestätigte den Verdacht einer Infektion mit dem hochpathogenen aviären Influenzavirus des Subtyps H5N1 bei verendeten Tieren aus Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Thüringen. Das Institut setzt in einer aktuellen Einschätzung das Risiko für weitere Ausbrüche bei Zuchtgeflügel und Wildvögeln auf »hoch«. Aufgrund der gegenwärtig starken Zugaktivität müsse mit einer weiteren, möglicherweise großflächigen Ausbreitung des Virus gerechnet werden, so das FLI.
Wie ansteckend und tödlich H5N1 für manche Vögel noch immer ist, zeigt das jüngste Massensterben unter Kranichen. So sind seit Donnerstag vergangener Woche am Stausee Kelbra auf der Landesgrenze zwischen Sachsen-Anhalt (Kreis Mansfeld-Südharz) und Thüringen (Kreis Kyffhäuser) mehr als 100 verendete Kraniche gefunden worden. Das Gebiet rund um den See ist ein wichtiger Binnenrastplatz für Kraniche in Deutschland auf ihrem Weg in den Süden. »Die Dunkelziffer ist aber wahrscheinlich hoch, immerhin gibt es einige Stellen, an die wir nicht rankommen«, sagte Kreissprecherin Michaela John gegenüber der dpa. Als Reaktion auf das Geschehen wurden rund um den Stausee Desinfektionsschleusen eingerichtet, der Zutritt zum Areal ist nur noch Einsatzkräften erlaubt. Der Landkreis Mansfeld-Südharz hat eine Stallpflicht für Geflügel angeordnet.
Und auch in Röbel an der Müritz (Mecklenburg-Vorpommern) hat die Feuerwehr am Sonntag weitere tote Kraniche gemeldet, die vermutlich an Vogelgrippe gestorben sind. Laut Einschätzung des FLI sind die Kraniche nicht die einzige betroffene Wildvogelart; andere wilde Wasservogelarten wie Enten oder Gänse zeigten unter Umständen geringere Krankheitssymptome.
Die Anzahl von Ausbrüchen in der kommerziellen Geflügelhaltung ist in den letzten Wochen ebenfalls sprunghaft gestiegen. Zwischen dem 1. September und dem 20. Oktober 2025 wurden laut FLI Fälle von Vogelgrippe in sieben Bundesländern festgestellt. Betroffen sind Hühner, Gänse, Enten und Puten. Der größte Betrieb war ein Masthuhneltern-Vermehrungsbestand in Mecklenburg-Vorpommern mit über 35 000 Hennen. Im Verlauf der letzten Woche kam es außerdem zu Ausbrüchen mit jeweils Tausenden von Tieren unter anderem in Diepholz – hier wurden zwei Mobilställe mit 1300 Hennen geräumt – sowie in einem Betrieb in Garrel im Kreis Cloppenburg. Aufgrund der Geflügelpest ließ man hier mehr als 20 000 Puten töten, es bestehen Sperrzonen.
Problem der modernen Massentierhaltung
Bislang war das Risiko einer weiteren Ausbreitung als gering eingestuft worden. Diese Einschätzung hat das FLI nun revidiert und auf »hoch« gesetzt. Zu verschärften Maßnahmen gehören strengere Biosicherheitsvorschriften, wie Zutrittsbeschränkungen in den Betrieben oder sofortiges Testen toter Tiere in den Beständen. Die Gefahr, dass sich Wiederkäuer in Europa mit den H5N1-Viren anstecken, sei jedoch aufgrund der Seltenheit dieser Ereignisse sehr gering. Expertinnen und Experten sehen in der Ausbreitung der Vogelgrippe aber eine erhebliche Gefahr für die weltweite Artenvielfalt – und identifizieren die Massentierhaltung als Hauptschuldigen.
Weltweit zirkuliert das Vogelgrippevirus vor allem in Asien und Nordamerika. In den USA breitet es sich in Milchvieh- und Geflügelbeständen aus und infiziert dort auch hin und wieder Menschen. Eine Infektion beim Menschen ist aber bislang ein seltenes Ereignis. Auch durch die aktuellen Ausbrüche besteht nach Einschätzung des Europäischen Zentrums für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) nur ein geringes Risiko für die Allgemeinbevölkerung in Deutschland und Europa. Es wird jedoch von einem geringen bis moderaten Risiko für beruflich exponierte Gruppen ausgegangen.
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