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News: Vollbremsung eines Lichtstrahls

Licht ist schnell - sehr schnell: Fast 300 000 Kilometer legt es im Vakuum innerhalb nur einer einzigen Sekunde zurück. Materie vermag die Geschwindigkeit zwar ein wenig zu drosseln, aber groß ist die Änderung nicht. Dessen bewusst, erscheint es nahezu unmöglich, einen Lichtplus ganz zu stoppen, einzufangen und ihn nach einer Weile wieder freizulassen. Genau das gelang nun aber zwei Gruppen von Physikern in den USA.
Einsteins spezielle Relativitätstheorie besagt, dass sich nichts schneller als Licht bewegen kann und dessen Geschwindigkeit konstant ist – zumindest, solange es sich durchs Vakuum bewegt. Führt sein Weg durch Materie, so verringert sich die Geschwindigkeit jedoch, Brechung ist die Folge. Die Änderung fällt in aller Regel allerdings recht gering aus. Um sie zu verstärken, ist schon ein tieferer Griff in die Trickkiste nötig.

Nun gelang es Forschern in zwei Laboratorien unabhängig voneinander, einen Lichtstrahl gleich ganz zu stoppen. Die Gruppe um Lene Hau vom Rowland Institute for Science und von der Harvard University führte ihr Experiment mit einer Wolke tiefgekühlter, magnetisch eingefangener Natriumatome durch (Nature vom 25. Januar 2001). Die zweite Gruppe um Ron Walsworth vom Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics nutzte hingegen eine Atomwolke aus Rubidium (in einer kommenden Ausgabe der Physical Review Letters).

Das eigentliche Experiment gestaltete sich in beiden Fällen sehr ähnlich: Die Physiker schickten einen Laserpuls – den Teststrahl – in die Atomwolke, die normalerweise lichtundurchlässig ist. Bestrahlten sie die Wolke aber mit einem weiteren Laserstrahl – dem Kontrollstrahl –, so wird die Wolke transparent: Der Teststrahl kann passieren. Wenn die Wissenschaftler den Kontrollstrahl nun im richtigen Moment ausschalteten, blieb der Teststrahl in der Wolke stecken und war gefangen. Dabei wäre der Lichtpuls in freiem Raum einige Kilometer lang gewesen, nach der "Gefangennahme" befand er sich in dem wenige Zehntel Millimeter-großen Bereich der Atomwolke. Schalteten die Forscher den Kontrollstrahl wieder ein, so konnte auch der Teststrahl die Wolke wieder verlassen.

Was war geschehen? Unter normalen Umständen absorbieren Atome einfallendes Licht, indem Elektronen auf ein höheres Energieniveau springen. In den beiden Experimenten konnten die Atome aber kein Photon auf herkömmliche Art und Weise absorbieren, da der Kontrollstrahl sie bereits angeregt hatte. Der Zustand heißt elektromagnetisch induzierte Transparenz (EIT). Deshalb durfte der Teststrahl passieren, wurde aber stark abgebremst, wodurch sich die räumliche Ausdehnung des Lichtpuls enorm verringerte. So kam es, dass der eigentlich Kilometer-lange Puls auf wenige Zehntel Millimeter schrumpfte und komplett in der Wolke verschwand. Der Lichtpuls wechselwirkte mit den Gasatomen, der Spin der Atome änderte sich und Atome und Puls bildeten so ein gemeinsames System, ein Polariton.

Aufgrund der Wechselwirkung kann dem Polariton eine Masse zugeordnet werden – im Gegensatz zu einem Photon. Je stärker die Wechselwirkung, desto höher die Masse des Polaritons, desto langsamer bewegt es sich. Ganz gestoppt haben es die Forscher, indem sie die Intensität des Kontrollstrahls Schritt für Schritt reduzierten. Dadurch koppelten mehr Photonen über den Spin an Atome, bremsten den Puls also weiter ab. Schließlich, wenn der Kontrollstrahl abgeschaltet und die komplette Information des Testpulses in einer so genannten Spinwelle eingefroren ist, gibt es keine Photonen mehr. Der Vorgang ist reversibel: Erhöht sich die Lichtintensität des Kontrollstrahls, so entkoppeln Photonen und Atome auch wieder, der Teststrahl tritt schließlich auf der anderen Seite der Wolke aus.

Die Forscher meinen, dass sich ihr System zur Speicherung von Licht für künftige Quanten-Informationstechnik eignen würde. Bei bisherigen Systemen haben Wissenschaftler versucht, Informationen im Zustand einzelner Atome zu speichern. Allerdings reagierten diese Zustände äußerst empfindlich auf Störungen und verloren recht schnell ihr Gedächtnis. Im aktuellen Experiment befindet sich die Information jedoch im elektromagnetischen Feld eines Lichtstrahls. Sie wird dann auf den Zustand vieler Gasatome übertragen. David Philips vom Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics meint dazu: "Wir haben über 1012 Atome, die den Zustand sehr stabil machen."

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