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News: Voller Stopp des kosmischen Schwungrades

Gammastrahlen-Ausbrüche sind so hell wie sonst kein Ereignis im Universum, und niemand weiß bisher so recht, woher ihre Energie stammt. Immerhin wird innerhalb von wenigen Sekunden soviel Energie freigesetzt, als würde ein Riesenplanet von der Größe des Jupiters vollständig in Strahlung aufgehen. Ein Wissenschaftler vom Max-Planck-Institut für Astrophysik hat jetzt eine plausible Erklärung gefunden: Durch einen kombinierten Effekt von Gravitationswellen und magnetischen Feld wird ein schnell rotierender Neutronenstern in kürzester Zeit abgebremst. Dabei wird ein Großteil der Rotationsenergie als Gammastrahlung ausgesandt.
Im Schnitt können pro Tag zwei Gammastrahlenausbrüche (gamma-ray bursts) in den unterschiedlichsten Richtungen am Himmel beobachtet werden. Die dabei registrierte Strahlung besteht aus energiereichen Photonen, in der Größenordnung von 100 keV bis 1 MeV, in einzelnen Fällen sogar von vielen Giga-Elektronenvolt. In jüngster Zeit wurden einige der Gammastrahlenausbrüche mit weit entfernten Galaxien identifiziert, die etwa auf halber Strecke zwischen uns und dem Ende des beobachtbaren Universums liegen. Da diese Ausbrüche noch auf diese Entfernung hin registriert werden, müssen sie von unvorstellbare hoher Energie sein. Es wird eine Energiemenge freigesetzt, wie sie in etwa bei der vollständigen Energieumwandlung einer Masse wie die des Jupiters entstehen würde, und das innerhalb von nur wenigen Sekunden.

Bisher war bekannt, daß ein Neutronenstern (Masse: 1,4 Sonnenmassen, Radius von 10 km, Rotationsdauer: 1 Millisekunde) über ausreichend Rotationsenergie verfügt, um einen Gammastrahlen-Blitz "zu füttern". Neutronensterne sind bekannt als Zentralstern von Röntgen-Doppelsternsystemen, von denen es in unserer Galaxie einige Hundert gibt. Und man wußte auch, daß sich ein Neutronenstern in solchen Doppelstern-Systemen durch Masse-Übertragung vom Sekundärstern innerhalb eines Zeitraums von etwa hundert Millionen Jahren wie ein "Schwungrad" immer weiter aufdreht und zu einem Millisekundenpulsar wird. Der zweite Stern wird dabei nach und nach aufgezehrt.

Das Grundproblem bestand nun darin zu erklären, welcher Mechanismus, gewissermaßen welche "Bremse" dafür geeignet sein könnte, die Rotationsenergie eines derart schnell rotierenden Neutronensterns anzuzapfen, denn immerhin dreht sich der Stern im Weltraum in einem ziemlich guten Vakuum. Dazu war bisher bekannt, daß ein Neutronenstern spontan anfängt zu schwingen, wenn er sich schnell genug dreht, und daß er dabei Gravitationswellen abstrahlt (beschrieben durch die Allgemeine Relativitätstheorie). Das Entstehen der Schwingung kann man sich dabei vorstellen wie das Quietschen einer verglasten Bremse, wobei der Neutronenstern die Bremse darstellt und die Gravitationswelle den Bremsbelag. Die Gravitationswellen wirken wiederum auf den durch die Schwingung deformierten Stern zurück, so daß sich die Wechselwirkung zwischen der Instabilität des Stern und der dadurch entstehenden Gravitationswellen, die sogenannte "Gravitationswelleninstabilität", immer mehr hochschaukelt.

Weiter war bisher schon bekannt, daß die Rotationsenergie eines Sterns durch ein Magnetfeld an seiner Oberfläche als elektromagnetische Strahlung abgegeben werden kann, und zwar mit der Rotationsfrequenz des Neutronensterns. Das wird beispielsweise bei dem Pulsar im Krebsnebel beobachtet. Wenn die Rotationsenergie des Sterns aber innerhalb von nur wenigen Sekunden abgestrahlt werden soll, würde dazu ein magnetisches Feld mit einer Stärke von 1013 Tesla benötigt. Das wissenschaftliche Grundproblem bestand deshalb darin schlüssig zu erklären, wie ein Magnetfeld mit einer so gewaltigen Feldstärke entstehen kann und warum sich ein einhundert Millionen Jahre alter Neutronenstern überhaupt plötzlich derart magnetisieren sollte.

Dr. Hendrik Spruit vom Max-Planck-Institut für Astrophysik in Garching hat nun die fehlenden zwei Teilchen in diesem Puzzle gefunden und gezeigt, daß eine solche plötzliche Magnetisierung tatsächlich sehr gut möglich ist (Astronomy & Astrophysics, Vol. 341, Nr. 1, 26. November 1998, Abstract). In seinen Berechnungen stellte sich erstens heraus, daß – infolge der negativen Temperaturabhängigkeit der Viskosität im Innern des Neutronensterns – die Gravitationswelleninstabilität "davonläuft", und nach einer Phase langsamen Anwachsens über einige Hundert Jahre schließlich in einigen Stunden explosionsartig anwächst. Zweitens konnte Spruit verdeutlichen, daß Teile des Sterns durch die Abstrahlung der Gravitationswellen ihre Drehung verändern, und zwar mit jeweils unterschiedlicher Geschwindigkeit. Durch die unterschiedliche Drehung des inneren und äußeren Teils des Sterns (10 – 30% Unterschied) wird das vorhandene Magnetfeld durch "Aufwickeln" der Feldlinien immer mehr verstärkt. Ist das Feld einmal stark genug, um aus dem Inneren des Neutronensterns an seine Oberfläche zu steigen, wird etwa 70% der ursprünglichen Rotationsenergie des Sterns als elektromagnetische Strahlung, d.h. als Gammastrahlenausbruch abgestrahlt. Die restlichen 30% der Rotationsenergie werden als Gravitationswellen freigesetzt.

Das Modell ist bis jetzt gut im Einklang mit allen bekannten Eigenschaften der Gammastrahlenblitze. Nach dem Gammastrahlen-Ausbruch sollte danach ein langsam rotierender heißer Neutronenstern mit einer Feldstärke von 1012 Tesla verbleiben, dessen Stärke mit der Zeit nachläßt. Spruit vermutet deshalb, daß einige der weichen Gammastrahlen-Quellen und anormalen Röntgen-Pulsare mit Feldstärken von einigen 1010 T Überreste von Gammastrahlen-Ausbrüchen sind, die sich in unserer Galaxie vor 105 – 106 Jahren ereignet haben.

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